Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite

Osmanische Geschichte
[Spaltenumbruch]
kund zu machen begehreten; weil dieselbe
zur Verkleinerung ihrer sonst so hoch gerühm-
ten Klugheit gereichet wäre. Der Ruf von
Ankunft einer französischen Flote, ungeachtet
diese noch nicht einmal ausgerüstet gewesen,
war schon hinlänglich, sowol die Türken als
Venetianer zu betriegen. Denn die letztern
waren genau eingesperret, und konnten also
von dem, was außen vorging, nichts erfah-
ren: und die erstern haben von auswärtigen
Begebenheiten keine andere Nachricht, als die
ihnen von ausländischen Gesandten zukommt;
und konnten daher durch ein Gerücht, ob die-
ses gleich falsch war, gar leicht hintergangen
werden. Was mich anbetrifft: so habe ich
einen sehr glaubwürdigen Gewährsmann vor
mir, nämlich Mäksud, Panajots Boten selbst,
der an dem Hofe meines Vaters, Constantin
Kantemirs, und meines Bruders, Antiochus,
vier und zwanzig Jahre lang treue Dienste
gethan, und zuletzt zu der Würde des Postel-
nik oder Hofmeisters gelanget ist. Ich habe
daher geglaubet, ich würde den Liebhabern
der Geschichte keinen unangenehmen Dienst
erweisen, wenn ich dasjenige, was ich aus
seinem Munde gehöret habe, hier einschaltete.
Was Panagiotes anbelanget: so genoß der-
selbe bey dem türkischen Hofe ein solches Ver-
trauen gegen sich, dergleichen kein Christ
iemals gehabt hat, und auch allem Vermu-
then nach niemals erlangen wird. In Er-
theilung des Raths und Wegräumung der
Hindernisse bey allen wichtigen Vorfallenhei-
ten war er dem Weßire, was Achitophel den
Ebräern, und Ulysses den Griechen, gewesen
ist. Denn, wann derselbe seine Meinung
gab, entweder was zu thun sey, oder was
man von dem Ablaufe der Sachen zu urthei-
len habe: so befand man, daß er sich niemals
geirret hatte. Was ein vier und zwanzig-
jähriger hartnäckiger Krieg und die Vergießung
ganzer Ströme von Blute, ja so gar die Macht
des ganzen osmanischen Reiches, nicht aus-
[Spaltenumbruch]
zurichten vermochten: das wurde durch sei-
nen witzigen Anschlag und seine Kriegeslist
zuwege gebracht; nämlich die Eroberung
von Kandia, und Morosini, der bravste und
klügste Feldherr (dessen kluge Veranstaltungen
bey dem letztern Kriege zwischen den Venetia-
nern und Türken sich zur Genüge gezeiget
haben), wurde durch ihn überredet, die Stadt
zu übergeben. Durch dieses Mittel setzte sich
Panagiotes bey den Türken in solche Gunst, daß
er sich so gar unterstehen durfte, wegen des
Glaubens sich in einen öffentlichen Streit
einzulassen, und dieses auf kaiserlichen Befehl,
vor dem obersten Weßire Kjüprili Aehmed Pa-
scha; mit Wanli Efendi, einem von den Ge-
lehrtesten unter den Türken, der in dem christ-
lichen Glauben eben so wohl, als in dem tür-
kischen, erfahren, und vor diesem des Sultan
Muhämmeds Hofmeister gewesen war. Seit
Sülejmans des I Zeiten, da, wie ich oben*
erzählet habe, ein gelehrter Türke in einem
öffentlichen Streite dem christlichen Glauben
vor dem türkischen den Vorzug gab, ist es
keinem Menschen erlaubet gewesen, dieses
zu thun; sondern es war so gar die Lebens-
strafe darauf gesetzet, und dasselbe durch einen
eigenen Befehl verboten. Wanli Efendi
wurde bey diesem Streite in die Enge getrie-
ben, und dergestalt ergrimmet, daß er Pa-
nagiotes bey dem Sultan als einen Gottes-
lästerer verklagte, und anhielte, ihn am Leben
zu bestrafen. Allein, er soll von Muhämmed
zur Antwort bekommen haben: "Habe ich
"dir nicht gesaget, du würdest diesem Un-
"glaubigen im Streite nichts abgewinnen?
"Inskünftige lasse ihn gehen; denn er ist
"unserer Majestät nöthig." Ich halte es
für überflüssig, den ganzen Streit hier zu wie-
derholen: denn er ist zu Venedig gedruckt,
und wird öffentlich verkauft; er ist nämlich
zu lesen in de la Croix Nachrichten von der
morgenländischen Kirche. Außer diesem ist
derselbe noch itzo unter den Türken berühmt,

* 272 Seite, 12 Absatz.

Osmaniſche Geſchichte
[Spaltenumbruch]
kund zu machen begehreten; weil dieſelbe
zur Verkleinerung ihrer ſonſt ſo hoch geruͤhm-
ten Klugheit gereichet waͤre. Der Ruf von
Ankunft einer franzoͤſiſchen Flote, ungeachtet
dieſe noch nicht einmal ausgeruͤſtet geweſen,
war ſchon hinlaͤnglich, ſowol die Tuͤrken als
Venetianer zu betriegen. Denn die letztern
waren genau eingeſperret, und konnten alſo
von dem, was außen vorging, nichts erfah-
ren: und die erſtern haben von auswaͤrtigen
Begebenheiten keine andere Nachricht, als die
ihnen von auslaͤndiſchen Geſandten zukommt;
und konnten daher durch ein Geruͤcht, ob die-
ſes gleich falſch war, gar leicht hintergangen
werden. Was mich anbetrifft: ſo habe ich
einen ſehr glaubwuͤrdigen Gewaͤhrsmann vor
mir, naͤmlich Maͤkſud, Panajots Boten ſelbſt,
der an dem Hofe meines Vaters, Conſtantin
Kantemirs, und meines Bruders, Antiochus,
vier und zwanzig Jahre lang treue Dienſte
gethan, und zuletzt zu der Wuͤrde des Poſtel-
nik oder Hofmeiſters gelanget iſt. Ich habe
daher geglaubet, ich wuͤrde den Liebhabern
der Geſchichte keinen unangenehmen Dienſt
erweiſen, wenn ich dasjenige, was ich aus
ſeinem Munde gehoͤret habe, hier einſchaltete.
Was Panagiotes anbelanget: ſo genoß der-
ſelbe bey dem tuͤrkiſchen Hofe ein ſolches Ver-
trauen gegen ſich, dergleichen kein Chriſt
iemals gehabt hat, und auch allem Vermu-
then nach niemals erlangen wird. In Er-
theilung des Raths und Wegraͤumung der
Hinderniſſe bey allen wichtigen Vorfallenhei-
ten war er dem Weßire, was Achitophel den
Ebraͤern, und Ulyſſes den Griechen, geweſen
iſt. Denn, wann derſelbe ſeine Meinung
gab, entweder was zu thun ſey, oder was
man von dem Ablaufe der Sachen zu urthei-
len habe: ſo befand man, daß er ſich niemals
geirret hatte. Was ein vier und zwanzig-
jaͤhriger hartnaͤckiger Krieg und die Vergießung
ganzer Stroͤme von Blute, ja ſo gar die Macht
des ganzen osmaniſchen Reiches, nicht aus-
[Spaltenumbruch]
zurichten vermochten: das wurde durch ſei-
nen witzigen Anſchlag und ſeine Kriegesliſt
zuwege gebracht; naͤmlich die Eroberung
von Kandia, und Moroſini, der bravſte und
kluͤgſte Feldherr (deſſen kluge Veranſtaltungen
bey dem letztern Kriege zwiſchen den Venetia-
nern und Tuͤrken ſich zur Genuͤge gezeiget
haben), wurde durch ihn uͤberredet, die Stadt
zu uͤbergeben. Durch dieſes Mittel ſetzte ſich
Panagiotes bey den Tuͤrken in ſolche Gunſt, daß
er ſich ſo gar unterſtehen durfte, wegen des
Glaubens ſich in einen oͤffentlichen Streit
einzulaſſen, und dieſes auf kaiſerlichen Befehl,
vor dem oberſten Weßire Kjuͤprili Aehmed Pa-
ſcha; mit Wanli Efendi, einem von den Ge-
lehrteſten unter den Tuͤrken, der in dem chriſt-
lichen Glauben eben ſo wohl, als in dem tuͤr-
kiſchen, erfahren, und vor dieſem des Sultan
Muhaͤmmeds Hofmeiſter geweſen war. Seit
Suͤlejmans des I Zeiten, da, wie ich oben*
erzaͤhlet habe, ein gelehrter Tuͤrke in einem
oͤffentlichen Streite dem chriſtlichen Glauben
vor dem tuͤrkiſchen den Vorzug gab, iſt es
keinem Menſchen erlaubet geweſen, dieſes
zu thun; ſondern es war ſo gar die Lebens-
ſtrafe darauf geſetzet, und daſſelbe durch einen
eigenen Befehl verboten. Wanli Efendi
wurde bey dieſem Streite in die Enge getrie-
ben, und dergeſtalt ergrimmet, daß er Pa-
nagiotes bey dem Sultan als einen Gottes-
laͤſterer verklagte, und anhielte, ihn am Leben
zu beſtrafen. Allein, er ſoll von Muhaͤmmed
zur Antwort bekommen haben: “Habe ich
“dir nicht geſaget, du wuͤrdeſt dieſem Un-
“glaubigen im Streite nichts abgewinnen?
“Inskuͤnftige laſſe ihn gehen; denn er iſt
“unſerer Majeſtaͤt noͤthig.„ Ich halte es
fuͤr uͤberfluͤſſig, den ganzen Streit hier zu wie-
derholen: denn er iſt zu Venedig gedruckt,
und wird oͤffentlich verkauft; er iſt naͤmlich
zu leſen in de la Croix Nachrichten von der
morgenlaͤndiſchen Kirche. Außer dieſem iſt
derſelbe noch itzo unter den Tuͤrken beruͤhmt,

* 272 Seite, 12 Abſatz.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0508" n="400"/>
              <fw place="top" type="header">Osmani&#x017F;che Ge&#x017F;chichte</fw><lb/>
              <cb n="1"/><lb/>
              <note xml:id="L508" prev="#L507" place="end" next="#L509">kund zu machen begehreten; weil die&#x017F;elbe<lb/>
zur Verkleinerung ihrer &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o hoch geru&#x0364;hm-<lb/>
ten Klugheit gereichet wa&#x0364;re. Der Ruf von<lb/>
Ankunft einer franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Flote, ungeachtet<lb/>
die&#x017F;e noch nicht einmal ausgeru&#x0364;&#x017F;tet gewe&#x017F;en,<lb/>
war &#x017F;chon hinla&#x0364;nglich, &#x017F;owol die Tu&#x0364;rken als<lb/>
Venetianer zu betriegen. Denn die letztern<lb/>
waren genau einge&#x017F;perret, und konnten al&#x017F;o<lb/>
von dem, was außen vorging, nichts erfah-<lb/>
ren: und die er&#x017F;tern haben von auswa&#x0364;rtigen<lb/>
Begebenheiten keine andere Nachricht, als die<lb/>
ihnen von ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen Ge&#x017F;andten zukommt;<lb/>
und konnten daher durch ein Geru&#x0364;cht, ob die-<lb/>
&#x017F;es gleich fal&#x017F;ch war, gar leicht hintergangen<lb/>
werden. Was mich anbetrifft: &#x017F;o habe ich<lb/>
einen &#x017F;ehr glaubwu&#x0364;rdigen Gewa&#x0364;hrsmann vor<lb/>
mir, na&#x0364;mlich Ma&#x0364;k&#x017F;ud, Panajots Boten &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
der an dem Hofe meines Vaters, Con&#x017F;tantin<lb/>
Kantemirs, und meines Bruders, Antiochus,<lb/>
vier und zwanzig Jahre lang treue Dien&#x017F;te<lb/>
gethan, und zuletzt zu der Wu&#x0364;rde des Po&#x017F;tel-<lb/>
nik oder Hofmei&#x017F;ters gelanget i&#x017F;t. Ich habe<lb/>
daher geglaubet, ich wu&#x0364;rde den Liebhabern<lb/>
der Ge&#x017F;chichte keinen unangenehmen Dien&#x017F;t<lb/>
erwei&#x017F;en, wenn ich dasjenige, was ich aus<lb/>
&#x017F;einem Munde geho&#x0364;ret habe, hier ein&#x017F;chaltete.<lb/>
Was Panagiotes anbelanget: &#x017F;o genoß der-<lb/>
&#x017F;elbe bey dem tu&#x0364;rki&#x017F;chen Hofe ein &#x017F;olches Ver-<lb/>
trauen gegen &#x017F;ich, dergleichen kein Chri&#x017F;t<lb/>
iemals gehabt hat, und auch allem Vermu-<lb/>
then nach niemals erlangen wird. In Er-<lb/>
theilung des Raths und Wegra&#x0364;umung der<lb/>
Hinderni&#x017F;&#x017F;e bey allen wichtigen Vorfallenhei-<lb/>
ten war er dem Weßire, was Achitophel den<lb/>
Ebra&#x0364;ern, und Uly&#x017F;&#x017F;es den Griechen, gewe&#x017F;en<lb/>
i&#x017F;t. Denn, wann der&#x017F;elbe &#x017F;eine Meinung<lb/>
gab, entweder was zu thun &#x017F;ey, oder was<lb/>
man von dem Ablaufe der Sachen zu urthei-<lb/>
len habe: &#x017F;o befand man, daß er &#x017F;ich niemals<lb/>
geirret hatte. Was ein vier und zwanzig-<lb/>
ja&#x0364;hriger hartna&#x0364;ckiger Krieg und die Vergießung<lb/>
ganzer Stro&#x0364;me von Blute, ja &#x017F;o gar die Macht<lb/>
des ganzen osmani&#x017F;chen Reiches, nicht aus-<lb/><cb n="2"/><lb/>
zurichten vermochten: das wurde durch &#x017F;ei-<lb/>
nen witzigen An&#x017F;chlag und &#x017F;eine Kriegesli&#x017F;t<lb/>
zuwege gebracht; na&#x0364;mlich die Eroberung<lb/>
von Kandia, und Moro&#x017F;ini, der brav&#x017F;te und<lb/>
klu&#x0364;g&#x017F;te Feldherr (de&#x017F;&#x017F;en kluge Veran&#x017F;taltungen<lb/>
bey dem letztern Kriege zwi&#x017F;chen den Venetia-<lb/>
nern und Tu&#x0364;rken &#x017F;ich zur Genu&#x0364;ge gezeiget<lb/>
haben), wurde durch ihn u&#x0364;berredet, die Stadt<lb/>
zu u&#x0364;bergeben. Durch die&#x017F;es Mittel &#x017F;etzte &#x017F;ich<lb/>
Panagiotes bey den Tu&#x0364;rken in &#x017F;olche Gun&#x017F;t, daß<lb/>
er &#x017F;ich &#x017F;o gar unter&#x017F;tehen durfte, wegen des<lb/>
Glaubens &#x017F;ich in einen o&#x0364;ffentlichen Streit<lb/>
einzula&#x017F;&#x017F;en, und die&#x017F;es auf kai&#x017F;erlichen Befehl,<lb/>
vor dem ober&#x017F;ten Weßire Kju&#x0364;prili Aehmed Pa-<lb/>
&#x017F;cha; mit Wanli Efendi, einem von den Ge-<lb/>
lehrte&#x017F;ten unter den Tu&#x0364;rken, der in dem chri&#x017F;t-<lb/>
lichen Glauben eben &#x017F;o wohl, als in dem tu&#x0364;r-<lb/>
ki&#x017F;chen, erfahren, und vor die&#x017F;em des Sultan<lb/>
Muha&#x0364;mmeds Hofmei&#x017F;ter gewe&#x017F;en war. Seit<lb/>
Su&#x0364;lejmans des <hi rendition="#aq">I</hi> Zeiten, da, wie ich oben<note place="foot" n="*">272 Seite, 12 Ab&#x017F;atz.</note><lb/>
erza&#x0364;hlet habe, ein gelehrter Tu&#x0364;rke in einem<lb/>
o&#x0364;ffentlichen Streite dem chri&#x017F;tlichen Glauben<lb/>
vor dem tu&#x0364;rki&#x017F;chen den Vorzug gab, i&#x017F;t es<lb/>
keinem Men&#x017F;chen erlaubet gewe&#x017F;en, die&#x017F;es<lb/>
zu thun; &#x017F;ondern es war &#x017F;o gar die Lebens-<lb/>
&#x017F;trafe darauf ge&#x017F;etzet, und da&#x017F;&#x017F;elbe durch einen<lb/>
eigenen Befehl verboten. Wanli Efendi<lb/>
wurde bey die&#x017F;em Streite in die Enge getrie-<lb/>
ben, und derge&#x017F;talt ergrimmet, daß er Pa-<lb/>
nagiotes bey dem Sultan als einen Gottes-<lb/>
la&#x0364;&#x017F;terer verklagte, und anhielte, ihn am Leben<lb/>
zu be&#x017F;trafen. Allein, er &#x017F;oll von Muha&#x0364;mmed<lb/>
zur Antwort bekommen haben: &#x201C;Habe ich<lb/>
&#x201C;dir nicht ge&#x017F;aget, du wu&#x0364;rde&#x017F;t die&#x017F;em Un-<lb/>
&#x201C;glaubigen im Streite nichts abgewinnen?<lb/>
&#x201C;Insku&#x0364;nftige la&#x017F;&#x017F;e ihn gehen; denn er i&#x017F;t<lb/>
&#x201C;un&#x017F;erer Maje&#x017F;ta&#x0364;t no&#x0364;thig.&#x201E; Ich halte es<lb/>
fu&#x0364;r u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig, den ganzen Streit hier zu wie-<lb/>
derholen: denn er i&#x017F;t zu Venedig gedruckt,<lb/>
und wird o&#x0364;ffentlich verkauft; er i&#x017F;t na&#x0364;mlich<lb/>
zu le&#x017F;en in de la Croix Nachrichten von der<lb/>
morgenla&#x0364;ndi&#x017F;chen Kirche. Außer die&#x017F;em i&#x017F;t<lb/>
der&#x017F;elbe noch itzo unter den Tu&#x0364;rken beru&#x0364;hmt,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wegen</fw></note><lb/>
            </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0508] Osmaniſche Geſchichte kund zu machen begehreten; weil dieſelbe zur Verkleinerung ihrer ſonſt ſo hoch geruͤhm- ten Klugheit gereichet waͤre. Der Ruf von Ankunft einer franzoͤſiſchen Flote, ungeachtet dieſe noch nicht einmal ausgeruͤſtet geweſen, war ſchon hinlaͤnglich, ſowol die Tuͤrken als Venetianer zu betriegen. Denn die letztern waren genau eingeſperret, und konnten alſo von dem, was außen vorging, nichts erfah- ren: und die erſtern haben von auswaͤrtigen Begebenheiten keine andere Nachricht, als die ihnen von auslaͤndiſchen Geſandten zukommt; und konnten daher durch ein Geruͤcht, ob die- ſes gleich falſch war, gar leicht hintergangen werden. Was mich anbetrifft: ſo habe ich einen ſehr glaubwuͤrdigen Gewaͤhrsmann vor mir, naͤmlich Maͤkſud, Panajots Boten ſelbſt, der an dem Hofe meines Vaters, Conſtantin Kantemirs, und meines Bruders, Antiochus, vier und zwanzig Jahre lang treue Dienſte gethan, und zuletzt zu der Wuͤrde des Poſtel- nik oder Hofmeiſters gelanget iſt. Ich habe daher geglaubet, ich wuͤrde den Liebhabern der Geſchichte keinen unangenehmen Dienſt erweiſen, wenn ich dasjenige, was ich aus ſeinem Munde gehoͤret habe, hier einſchaltete. Was Panagiotes anbelanget: ſo genoß der- ſelbe bey dem tuͤrkiſchen Hofe ein ſolches Ver- trauen gegen ſich, dergleichen kein Chriſt iemals gehabt hat, und auch allem Vermu- then nach niemals erlangen wird. In Er- theilung des Raths und Wegraͤumung der Hinderniſſe bey allen wichtigen Vorfallenhei- ten war er dem Weßire, was Achitophel den Ebraͤern, und Ulyſſes den Griechen, geweſen iſt. Denn, wann derſelbe ſeine Meinung gab, entweder was zu thun ſey, oder was man von dem Ablaufe der Sachen zu urthei- len habe: ſo befand man, daß er ſich niemals geirret hatte. Was ein vier und zwanzig- jaͤhriger hartnaͤckiger Krieg und die Vergießung ganzer Stroͤme von Blute, ja ſo gar die Macht des ganzen osmaniſchen Reiches, nicht aus- zurichten vermochten: das wurde durch ſei- nen witzigen Anſchlag und ſeine Kriegesliſt zuwege gebracht; naͤmlich die Eroberung von Kandia, und Moroſini, der bravſte und kluͤgſte Feldherr (deſſen kluge Veranſtaltungen bey dem letztern Kriege zwiſchen den Venetia- nern und Tuͤrken ſich zur Genuͤge gezeiget haben), wurde durch ihn uͤberredet, die Stadt zu uͤbergeben. Durch dieſes Mittel ſetzte ſich Panagiotes bey den Tuͤrken in ſolche Gunſt, daß er ſich ſo gar unterſtehen durfte, wegen des Glaubens ſich in einen oͤffentlichen Streit einzulaſſen, und dieſes auf kaiſerlichen Befehl, vor dem oberſten Weßire Kjuͤprili Aehmed Pa- ſcha; mit Wanli Efendi, einem von den Ge- lehrteſten unter den Tuͤrken, der in dem chriſt- lichen Glauben eben ſo wohl, als in dem tuͤr- kiſchen, erfahren, und vor dieſem des Sultan Muhaͤmmeds Hofmeiſter geweſen war. Seit Suͤlejmans des I Zeiten, da, wie ich oben * erzaͤhlet habe, ein gelehrter Tuͤrke in einem oͤffentlichen Streite dem chriſtlichen Glauben vor dem tuͤrkiſchen den Vorzug gab, iſt es keinem Menſchen erlaubet geweſen, dieſes zu thun; ſondern es war ſo gar die Lebens- ſtrafe darauf geſetzet, und daſſelbe durch einen eigenen Befehl verboten. Wanli Efendi wurde bey dieſem Streite in die Enge getrie- ben, und dergeſtalt ergrimmet, daß er Pa- nagiotes bey dem Sultan als einen Gottes- laͤſterer verklagte, und anhielte, ihn am Leben zu beſtrafen. Allein, er ſoll von Muhaͤmmed zur Antwort bekommen haben: “Habe ich “dir nicht geſaget, du wuͤrdeſt dieſem Un- “glaubigen im Streite nichts abgewinnen? “Inskuͤnftige laſſe ihn gehen; denn er iſt “unſerer Majeſtaͤt noͤthig.„ Ich halte es fuͤr uͤberfluͤſſig, den ganzen Streit hier zu wie- derholen: denn er iſt zu Venedig gedruckt, und wird oͤffentlich verkauft; er iſt naͤmlich zu leſen in de la Croix Nachrichten von der morgenlaͤndiſchen Kirche. Außer dieſem iſt derſelbe noch itzo unter den Tuͤrken beruͤhmt, wegen * 272 Seite, 12 Abſatz.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/508
Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/508>, abgerufen am 22.07.2024.