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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
[Spaltenumbruch]
wären, unter französischen Flaggen wieder
zurück zu kommen. Der Weßir billiget die-
sen Anschlag, und giebt Befehl, daß die Schiffe
in der Nacht mit gutem Winde aussegeln
sollten. Es werden auch noch eben so viele
ausgeschicket, jenen bey ihrer Rückkunft ent-
gegen zu gehen. So bald sie einander zu
Gesichte kommen: so grüßen sie einander
nach Gewohnheit; und nachdem dieses ge-
schehen ist: so fähret die Anzahl Schiffe mit
französischen Flaggen, nebst den andern mit
türkischen Flaggen, wieder in den Hafen ein.
Als die Wachten auf den Wachtthürmen die
französischen Flaggen in der Ferne erblicken:
so meinen sie, die französische Flote komme an,
sie zu entsetzen; sie machen also diese Zeitung
in der Stadt bekannt, und erwecken dadurch
bey den gesammten Einwohnern eine große
Freude. Da sie sehen, daß eine Anzahl tür-
kischer Schiffe auslaufet, ihnen entgegen
zu gehen: so bilden sie sich ein, der Eingang
in den Hafen werde ihnen geweigert werden,
und warten mit Furcht und Angst auf den
Ablauf des Treffens. Gleich hernach wer-
den sie gewahr, daß beyderseitige Floten ohne
die mindeste Feindseligkeit sich einander nä-
hern, und von beyden Seiten einander grüßen.
Hierüber erstaunen dieselben, und können nicht
begreifen, aus was für Absicht die Franzosen
sich gegen ihre Feinde so freundlich bezeigten.
Morosini aber und die andern, denen er
von dem, was Panajot gesaget, Eröffnung
gethan hatte, lassen nunmehr allen Zweifel
fahren, und machen dasjenige, was sie gehö-
ret hatten, öffentlich bekannt. Weil auch
kein anderes Mittel übrig war, Leben und Frey-
heit zu erhalten: so reden sie den Soldaten und
dem Volke zu, sich zu ergeben, und sagen;
man könne mit mehrerer Sicherheit den Fein-
den trauen, als treulosen Bundsverwandten.
Morosini fertiget also noch an demselben Tage
zweene Mann mit weißen Stäben in einem
[Spaltenumbruch]
kleinen Bote an den Weßir ab, und lässet
denselben ersuchen, einige von seinen vornehm-
sten Kriegsbefehlhabern an einen gewissen Ort
zwischen der Stadt und dem Lager zu senden,
und daselbst mit einigen von seiner Seite Zu-
sammenkunft zu halten, die ihnen die Be-
dingungen wegen der Uebergabe der Stadt
mittheilen sollten. Der Weßir williget in die-
ses Begehren ein, und beordert unverzüglich
Ibrahim, den Pascha von Aleppo, Kulkjet-
chudasi Ssülfikar* Aga, und Teßkjeredschi
Baschi oder den ersten Geheimschreiber Ishak
Efendi, nebst dem Dolmetscher Panajot, die
Sache in Richtigkeit zu bringen. Diese ver-
fügen sich zu den venetianischen Abgeordneten
in die Gezelte, die unter dem weißen Thurme
aufgeschlagen waren. Nach langem Wort-
wechsel versprechen diese, die Stadt unter sol-
cher Bedingung zu übergeben, daß alle und
iede Personen in derselben, es möchten Sol-
daten, Bürger, Griechen oder Franken seyn,
die Freyheit haben sollten, mit allen den Ih-
rigen und ihrem gesammten beweglichen Gute,
in ihr Vaterland zurück zu kehren. Als nun
der Weßir dieses im Anfange des Monats
Dschemaßiül ewwel, des Jahres 1080 (das
ist, im Jahre Christi 1669), genehm hielte:
so zog Morosini aus, und überließ die Stadt
dem Weßire, nachdem er dieselbe nicht allein
von Soldaten, sondern auch von Bürgern,
geräumet hatte. Ich weis wol, diese Dinge
werden von den christlichen Schriftstellern
ganz anders erzählet. Ich erkühne mich auch
nicht, ihnen zu widersprechen; kann aber doch
nicht sehen, warum diese Nachricht ganz und
gar zu verwerfen sey. Wenn man betrach-
tet, daß die Venetianer gewohnet sind, ihre
Vorhaben, sonderlich aber diejenigen Dinge,
die unglücklich ausgeschlagen sind, sorgfältig
zu verhehlen: so wird man sich nicht wun-
dern, daß sie die Wahrheit der Sache, unge-
achtet sie ihnen bekannt war, nicht öffentlich

* Ssülfikar ist der Name des zweyschneidigen Schwertes Muhämmeds, das hernach Ali von ihm erbete.

19. Muhaͤmmed der IIII
[Spaltenumbruch]
waͤren, unter franzoͤſiſchen Flaggen wieder
zuruͤck zu kommen. Der Weßir billiget die-
ſen Anſchlag, und giebt Befehl, daß die Schiffe
in der Nacht mit gutem Winde ausſegeln
ſollten. Es werden auch noch eben ſo viele
ausgeſchicket, jenen bey ihrer Ruͤckkunft ent-
gegen zu gehen. So bald ſie einander zu
Geſichte kommen: ſo gruͤßen ſie einander
nach Gewohnheit; und nachdem dieſes ge-
ſchehen iſt: ſo faͤhret die Anzahl Schiffe mit
franzoͤſiſchen Flaggen, nebſt den andern mit
tuͤrkiſchen Flaggen, wieder in den Hafen ein.
Als die Wachten auf den Wachtthuͤrmen die
franzoͤſiſchen Flaggen in der Ferne erblicken:
ſo meinen ſie, die franzoͤſiſche Flote komme an,
ſie zu entſetzen; ſie machen alſo dieſe Zeitung
in der Stadt bekannt, und erwecken dadurch
bey den geſammten Einwohnern eine große
Freude. Da ſie ſehen, daß eine Anzahl tuͤr-
kiſcher Schiffe auslaufet, ihnen entgegen
zu gehen: ſo bilden ſie ſich ein, der Eingang
in den Hafen werde ihnen geweigert werden,
und warten mit Furcht und Angſt auf den
Ablauf des Treffens. Gleich hernach wer-
den ſie gewahr, daß beyderſeitige Floten ohne
die mindeſte Feindſeligkeit ſich einander naͤ-
hern, und von beyden Seiten einander gruͤßen.
Hieruͤber erſtaunen dieſelben, und koͤnnen nicht
begreifen, aus was fuͤr Abſicht die Franzoſen
ſich gegen ihre Feinde ſo freundlich bezeigten.
Moroſini aber und die andern, denen er
von dem, was Panajot geſaget, Eroͤffnung
gethan hatte, laſſen nunmehr allen Zweifel
fahren, und machen dasjenige, was ſie gehoͤ-
ret hatten, oͤffentlich bekannt. Weil auch
kein anderes Mittel uͤbrig war, Leben und Frey-
heit zu erhalten: ſo reden ſie den Soldaten und
dem Volke zu, ſich zu ergeben, und ſagen;
man koͤnne mit mehrerer Sicherheit den Fein-
den trauen, als treuloſen Bundsverwandten.
Moroſini fertiget alſo noch an demſelben Tage
zweene Mann mit weißen Staͤben in einem
[Spaltenumbruch]
kleinen Bote an den Weßir ab, und laͤſſet
denſelben erſuchen, einige von ſeinen vornehm-
ſten Kriegsbefehlhabern an einen gewiſſen Ort
zwiſchen der Stadt und dem Lager zu ſenden,
und daſelbſt mit einigen von ſeiner Seite Zu-
ſammenkunft zu halten, die ihnen die Be-
dingungen wegen der Uebergabe der Stadt
mittheilen ſollten. Der Weßir williget in die-
ſes Begehren ein, und beordert unverzuͤglich
Ibrahim, den Paſcha von Aleppo, Kulkjet-
chudaſi Sſuͤlfikar* Aga, und Teßkjeredſchi
Baſchi oder den erſten Geheimſchreiber Ishak
Efendi, nebſt dem Dolmetſcher Panajot, die
Sache in Richtigkeit zu bringen. Dieſe ver-
fuͤgen ſich zu den venetianiſchen Abgeordneten
in die Gezelte, die unter dem weißen Thurme
aufgeſchlagen waren. Nach langem Wort-
wechſel verſprechen dieſe, die Stadt unter ſol-
cher Bedingung zu uͤbergeben, daß alle und
iede Perſonen in derſelben, es moͤchten Sol-
daten, Buͤrger, Griechen oder Franken ſeyn,
die Freyheit haben ſollten, mit allen den Ih-
rigen und ihrem geſammten beweglichen Gute,
in ihr Vaterland zuruͤck zu kehren. Als nun
der Weßir dieſes im Anfange des Monats
Dſchemaßiuͤl ewwel, des Jahres 1080 (das
iſt, im Jahre Chriſti 1669), genehm hielte:
ſo zog Moroſini aus, und uͤberließ die Stadt
dem Weßire, nachdem er dieſelbe nicht allein
von Soldaten, ſondern auch von Buͤrgern,
geraͤumet hatte. Ich weis wol, dieſe Dinge
werden von den chriſtlichen Schriftſtellern
ganz anders erzaͤhlet. Ich erkuͤhne mich auch
nicht, ihnen zu widerſprechen; kann aber doch
nicht ſehen, warum dieſe Nachricht ganz und
gar zu verwerfen ſey. Wenn man betrach-
tet, daß die Venetianer gewohnet ſind, ihre
Vorhaben, ſonderlich aber diejenigen Dinge,
die ungluͤcklich ausgeſchlagen ſind, ſorgfaͤltig
zu verhehlen: ſo wird man ſich nicht wun-
dern, daß ſie die Wahrheit der Sache, unge-
achtet ſie ihnen bekannt war, nicht oͤffentlich

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[399/0507] 19. Muhaͤmmed der IIII waͤren, unter franzoͤſiſchen Flaggen wieder zuruͤck zu kommen. Der Weßir billiget die- ſen Anſchlag, und giebt Befehl, daß die Schiffe in der Nacht mit gutem Winde ausſegeln ſollten. Es werden auch noch eben ſo viele ausgeſchicket, jenen bey ihrer Ruͤckkunft ent- gegen zu gehen. So bald ſie einander zu Geſichte kommen: ſo gruͤßen ſie einander nach Gewohnheit; und nachdem dieſes ge- ſchehen iſt: ſo faͤhret die Anzahl Schiffe mit franzoͤſiſchen Flaggen, nebſt den andern mit tuͤrkiſchen Flaggen, wieder in den Hafen ein. Als die Wachten auf den Wachtthuͤrmen die franzoͤſiſchen Flaggen in der Ferne erblicken: ſo meinen ſie, die franzoͤſiſche Flote komme an, ſie zu entſetzen; ſie machen alſo dieſe Zeitung in der Stadt bekannt, und erwecken dadurch bey den geſammten Einwohnern eine große Freude. Da ſie ſehen, daß eine Anzahl tuͤr- kiſcher Schiffe auslaufet, ihnen entgegen zu gehen: ſo bilden ſie ſich ein, der Eingang in den Hafen werde ihnen geweigert werden, und warten mit Furcht und Angſt auf den Ablauf des Treffens. Gleich hernach wer- den ſie gewahr, daß beyderſeitige Floten ohne die mindeſte Feindſeligkeit ſich einander naͤ- hern, und von beyden Seiten einander gruͤßen. Hieruͤber erſtaunen dieſelben, und koͤnnen nicht begreifen, aus was fuͤr Abſicht die Franzoſen ſich gegen ihre Feinde ſo freundlich bezeigten. Moroſini aber und die andern, denen er von dem, was Panajot geſaget, Eroͤffnung gethan hatte, laſſen nunmehr allen Zweifel fahren, und machen dasjenige, was ſie gehoͤ- ret hatten, oͤffentlich bekannt. Weil auch kein anderes Mittel uͤbrig war, Leben und Frey- heit zu erhalten: ſo reden ſie den Soldaten und dem Volke zu, ſich zu ergeben, und ſagen; man koͤnne mit mehrerer Sicherheit den Fein- den trauen, als treuloſen Bundsverwandten. Moroſini fertiget alſo noch an demſelben Tage zweene Mann mit weißen Staͤben in einem kleinen Bote an den Weßir ab, und laͤſſet denſelben erſuchen, einige von ſeinen vornehm- ſten Kriegsbefehlhabern an einen gewiſſen Ort zwiſchen der Stadt und dem Lager zu ſenden, und daſelbſt mit einigen von ſeiner Seite Zu- ſammenkunft zu halten, die ihnen die Be- dingungen wegen der Uebergabe der Stadt mittheilen ſollten. Der Weßir williget in die- ſes Begehren ein, und beordert unverzuͤglich Ibrahim, den Paſcha von Aleppo, Kulkjet- chudaſi Sſuͤlfikar * Aga, und Teßkjeredſchi Baſchi oder den erſten Geheimſchreiber Ishak Efendi, nebſt dem Dolmetſcher Panajot, die Sache in Richtigkeit zu bringen. Dieſe ver- fuͤgen ſich zu den venetianiſchen Abgeordneten in die Gezelte, die unter dem weißen Thurme aufgeſchlagen waren. Nach langem Wort- wechſel verſprechen dieſe, die Stadt unter ſol- cher Bedingung zu uͤbergeben, daß alle und iede Perſonen in derſelben, es moͤchten Sol- daten, Buͤrger, Griechen oder Franken ſeyn, die Freyheit haben ſollten, mit allen den Ih- rigen und ihrem geſammten beweglichen Gute, in ihr Vaterland zuruͤck zu kehren. Als nun der Weßir dieſes im Anfange des Monats Dſchemaßiuͤl ewwel, des Jahres 1080 (das iſt, im Jahre Chriſti 1669), genehm hielte: ſo zog Moroſini aus, und uͤberließ die Stadt dem Weßire, nachdem er dieſelbe nicht allein von Soldaten, ſondern auch von Buͤrgern, geraͤumet hatte. Ich weis wol, dieſe Dinge werden von den chriſtlichen Schriftſtellern ganz anders erzaͤhlet. Ich erkuͤhne mich auch nicht, ihnen zu widerſprechen; kann aber doch nicht ſehen, warum dieſe Nachricht ganz und gar zu verwerfen ſey. Wenn man betrach- tet, daß die Venetianer gewohnet ſind, ihre Vorhaben, ſonderlich aber diejenigen Dinge, die ungluͤcklich ausgeſchlagen ſind, ſorgfaͤltig zu verhehlen: ſo wird man ſich nicht wun- dern, daß ſie die Wahrheit der Sache, unge- achtet ſie ihnen bekannt war, nicht oͤffentlich kund * Sſuͤlfikar iſt der Name des zweyſchneidigen Schwertes Muhaͤmmeds, das hernach Ali von ihm erbete.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/507>, abgerufen am 22.11.2024.