Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite

des Verfassers
persischen Geschichtschreiber genugsam bezeugen; nicht weniger auch der Ver-
fasser der osmanischen Jahrbücher Tadschüt-Tewarich, Sädi Efendi; und
dasjenige, was aus demselben in das persischtürkische Wörterbuch Nimetül-
lah 8 übergetragen zu seyn scheinet, bey Erklärung des Wortes Türkj, da es
heißet. "Mit diesem Namen werden die Einwohner von Chäta oder Chäten
"(Kitahja oder der großen Tatarey) beleget, die in dem kiptschakischen plat-
"ten Lande wohnen. Weil nun dieselben insgesammt schöne Angesichter
"mit schwarzen Augen und Augenbrauen haben: so pflegen die persischen
"Dichter alle Liebhaber und Buhler, in Vergleichung mit ihnen, Türkjen
"zu nennen." Dieser Name Kiptschak aber, der einem besondern Stamme
Tatarn eigen war, ist von den Persern nach dem Einfalle Dschingjiß Chans
dem gesammten Volke der Scythen, als ihren Ueberwindern, beygeleget
worden; wie aus den Zeugnissen der persischen Geschichtschreiber zu ersehen ist.
So giebt der Dichter Scheich Sädi 9 in der Vorrede zu seinem Gjülistan oder
Rosengarten die Ursache, warum er sein Vaterland Chorasan verlassen habe,
auf folgende Weise an. "Ist es euch nicht bewußt, mein Freund, warum
"ich mich eine Zeitlang in fremden Ländern aufgehalten habe? Ich bin
"wegen der Grausamkeiten der Türkjen ausgezogen." Wann derselbe ihre
Sitten beschreibet: so saget er an einem andern Orte. "Sie sind zwar
"allesammt von Menschen erzeuget: allein, sie gleichen den blutdürstigen
"Wölfen. Zu Hause sind sie mit guten Sitten ausgeschmücket, wie die
"Engel; außerhalb aber sind sie wie ein Heer Löwen." Daß derselbe von
[Spaltenumbruch]
Wir finden, daß dieses Werk Lugäti Nimet-
üllah, das Wörterbuch Nimetüllah genennet
wird. Meninski in der Vorrede zu seinem
Wörterbuche, Bl. )()( 2, Col. a.
9 [ein persischer Dichter, insgemein Schejch
Müsliheddin Sädi Elschiraßi genennet; weil
er in Schiraß geboren war, der Hauptstadt
in Persien, die eigentlich diesen Namen im Jah-
[Spaltenumbruch]
re der Hidschret 571 führete. Er wurde von
den Christen in dem heiligen Lande gefangen
und von einem Kaufmanne für zehen Gold-
kronen losgekaufet, der ihm seine Tochter nebst
hundert Goldkronen Mitgabe ehelich beylegte.
Allein, diese Frau war demselben eine solche
Plage, daß er sich nicht enthalten konnte, sich
dieses in seinen Schriften merken zu lassen,
sonderlich in seinem Gjülistan, welches Wort

dem

des Verfaſſers
perſiſchen Geſchichtſchreiber genugſam bezeugen; nicht weniger auch der Ver-
faſſer der osmaniſchen Jahrbuͤcher Tadſchuͤt-Tewarich, Saͤdi Efendi; und
dasjenige, was aus demſelben in das perſiſchtuͤrkiſche Woͤrterbuch Nimetuͤl-
lah 8 uͤbergetragen zu ſeyn ſcheinet, bey Erklaͤrung des Wortes Tuͤrkj, da es
heißet. “Mit dieſem Namen werden die Einwohner von Chaͤta oder Chaͤten
“(Kitahja oder der großen Tatarey) beleget, die in dem kiptſchakiſchen plat-
“ten Lande wohnen. Weil nun dieſelben insgeſammt ſchoͤne Angeſichter
“mit ſchwarzen Augen und Augenbrauen haben: ſo pflegen die perſiſchen
“Dichter alle Liebhaber und Buhler, in Vergleichung mit ihnen, Tuͤrkjen
“zu nennen.„ Dieſer Name Kiptſchak aber, der einem beſondern Stamme
Tatarn eigen war, iſt von den Perſern nach dem Einfalle Dſchingjiß Chans
dem geſammten Volke der Scythen, als ihren Ueberwindern, beygeleget
worden; wie aus den Zeugniſſen der perſiſchen Geſchichtſchreiber zu erſehen iſt.
So giebt der Dichter Scheich Saͤdi 9 in der Vorrede zu ſeinem Gjuͤliſtan oder
Roſengarten die Urſache, warum er ſein Vaterland Choraſan verlaſſen habe,
auf folgende Weiſe an. “Iſt es euch nicht bewußt, mein Freund, warum
“ich mich eine Zeitlang in fremden Laͤndern aufgehalten habe? Ich bin
“wegen der Grauſamkeiten der Tuͤrkjen ausgezogen.„ Wann derſelbe ihre
Sitten beſchreibet: ſo ſaget er an einem andern Orte. “Sie ſind zwar
“alleſammt von Menſchen erzeuget: allein, ſie gleichen den blutduͤrſtigen
“Woͤlfen. Zu Hauſe ſind ſie mit guten Sitten ausgeſchmuͤcket, wie die
“Engel; außerhalb aber ſind ſie wie ein Heer Loͤwen.„ Daß derſelbe von
[Spaltenumbruch]
Wir finden, daß dieſes Werk Lugaͤti Nimet-
uͤllah, das Woͤrterbuch Nimetuͤllah genennet
wird. Meninſki in der Vorrede zu ſeinem
Woͤrterbuche, Bl. )(✝)( 2, Col. a.
9 [ein perſiſcher Dichter, insgemein Schejch
Muͤsliheddin Saͤdi Elſchiraßi genennet; weil
er in Schiraß geboren war, der Hauptſtadt
in Perſien, die eigentlich dieſen Namen im Jah-
[Spaltenumbruch]
re der Hidſchret 571 fuͤhrete. Er wurde von
den Chriſten in dem heiligen Lande gefangen
und von einem Kaufmanne fuͤr zehen Gold-
kronen losgekaufet, der ihm ſeine Tochter nebſt
hundert Goldkronen Mitgabe ehelich beylegte.
Allein, dieſe Frau war demſelben eine ſolche
Plage, daß er ſich nicht enthalten konnte, ſich
dieſes in ſeinen Schriften merken zu laſſen,
ſonderlich in ſeinem Gjuͤliſtan, welches Wort

dem
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0045" n="39"/><fw place="top" type="header">des Verfa&#x017F;&#x017F;ers</fw><lb/>
per&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber genug&#x017F;am bezeugen; nicht weniger auch der Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;er der osmani&#x017F;chen Jahrbu&#x0364;cher Tad&#x017F;chu&#x0364;t-Tewarich, Sa&#x0364;di Efendi; und<lb/>
dasjenige, was aus dem&#x017F;elben in das per&#x017F;i&#x017F;chtu&#x0364;rki&#x017F;che Wo&#x0364;rterbuch Nimetu&#x0364;l-<lb/>
lah <note place="end" n="8"/> u&#x0364;bergetragen zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet, bey Erkla&#x0364;rung des Wortes Tu&#x0364;rkj, da es<lb/>
heißet. &#x201C;Mit die&#x017F;em Namen werden die Einwohner von Cha&#x0364;ta oder Cha&#x0364;ten<lb/>
&#x201C;(Kitahja oder der großen Tatarey) beleget, die in dem kipt&#x017F;chaki&#x017F;chen plat-<lb/>
&#x201C;ten Lande wohnen. Weil nun die&#x017F;elben insge&#x017F;ammt &#x017F;cho&#x0364;ne Ange&#x017F;ichter<lb/>
&#x201C;mit &#x017F;chwarzen Augen und Augenbrauen haben: &#x017F;o pflegen die per&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
&#x201C;Dichter alle Liebhaber und Buhler, in Vergleichung mit ihnen, Tu&#x0364;rkjen<lb/>
&#x201C;zu nennen.&#x201E; Die&#x017F;er Name Kipt&#x017F;chak aber, der einem be&#x017F;ondern Stamme<lb/>
Tatarn eigen war, i&#x017F;t von den Per&#x017F;ern nach dem Einfalle D&#x017F;chingjiß Chans<lb/>
dem ge&#x017F;ammten Volke der Scythen, als ihren Ueberwindern, beygeleget<lb/>
worden; wie aus den Zeugni&#x017F;&#x017F;en der per&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber zu er&#x017F;ehen i&#x017F;t.<lb/>
So giebt der Dichter Scheich Sa&#x0364;di <note place="end" n="9"/> in der Vorrede zu &#x017F;einem Gju&#x0364;li&#x017F;tan oder<lb/>
Ro&#x017F;engarten die Ur&#x017F;ache, warum er &#x017F;ein Vaterland Chora&#x017F;an verla&#x017F;&#x017F;en habe,<lb/>
auf folgende Wei&#x017F;e an. &#x201C;I&#x017F;t es euch nicht bewußt, mein Freund, warum<lb/>
&#x201C;ich mich eine Zeitlang in fremden La&#x0364;ndern aufgehalten habe? Ich bin<lb/>
&#x201C;wegen der Grau&#x017F;amkeiten der Tu&#x0364;rkjen ausgezogen.&#x201E; Wann der&#x017F;elbe ihre<lb/>
Sitten be&#x017F;chreibet: &#x017F;o &#x017F;aget er an einem andern Orte. &#x201C;Sie &#x017F;ind zwar<lb/>
&#x201C;alle&#x017F;ammt von Men&#x017F;chen erzeuget: allein, &#x017F;ie gleichen den blutdu&#x0364;r&#x017F;tigen<lb/>
&#x201C;Wo&#x0364;lfen. Zu Hau&#x017F;e &#x017F;ind &#x017F;ie mit guten Sitten ausge&#x017F;chmu&#x0364;cket, wie die<lb/>
&#x201C;Engel; außerhalb aber &#x017F;ind &#x017F;ie wie ein Heer Lo&#x0364;wen.&#x201E; Daß der&#x017F;elbe von<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note xml:id="D45" prev="#D44" place="end">Wir finden, daß die&#x017F;es Werk Luga&#x0364;ti Nimet-<lb/>
u&#x0364;llah, das Wo&#x0364;rterbuch Nimetu&#x0364;llah genennet<lb/>
wird. Menin&#x017F;ki in der Vorrede zu &#x017F;einem<lb/>
Wo&#x0364;rterbuche, Bl. )(&#x271D;)( 2, Col. a.</note><lb/><note xml:id="E45" next="#E46" place="end" n="9">[ein per&#x017F;i&#x017F;cher Dichter, insgemein Schejch<lb/>
Mu&#x0364;sliheddin Sa&#x0364;di El&#x017F;chiraßi genennet; weil<lb/>
er in Schiraß geboren war, der Haupt&#x017F;tadt<lb/>
in Per&#x017F;ien, die eigentlich die&#x017F;en Namen im Jah-<lb/><cb n="2"/><lb/>
re der Hid&#x017F;chret 571 fu&#x0364;hrete. Er wurde von<lb/>
den Chri&#x017F;ten in dem heiligen Lande gefangen<lb/>
und von einem Kaufmanne fu&#x0364;r zehen Gold-<lb/>
kronen losgekaufet, der ihm &#x017F;eine Tochter neb&#x017F;t<lb/>
hundert Goldkronen Mitgabe ehelich beylegte.<lb/>
Allein, die&#x017F;e Frau war dem&#x017F;elben eine &#x017F;olche<lb/>
Plage, daß er &#x017F;ich nicht enthalten konnte, &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;es in &#x017F;einen Schriften merken zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;onderlich in &#x017F;einem Gju&#x0364;li&#x017F;tan, welches Wort<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw></note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[39/0045] des Verfaſſers perſiſchen Geſchichtſchreiber genugſam bezeugen; nicht weniger auch der Ver- faſſer der osmaniſchen Jahrbuͤcher Tadſchuͤt-Tewarich, Saͤdi Efendi; und dasjenige, was aus demſelben in das perſiſchtuͤrkiſche Woͤrterbuch Nimetuͤl- lah ⁸ uͤbergetragen zu ſeyn ſcheinet, bey Erklaͤrung des Wortes Tuͤrkj, da es heißet. “Mit dieſem Namen werden die Einwohner von Chaͤta oder Chaͤten “(Kitahja oder der großen Tatarey) beleget, die in dem kiptſchakiſchen plat- “ten Lande wohnen. Weil nun dieſelben insgeſammt ſchoͤne Angeſichter “mit ſchwarzen Augen und Augenbrauen haben: ſo pflegen die perſiſchen “Dichter alle Liebhaber und Buhler, in Vergleichung mit ihnen, Tuͤrkjen “zu nennen.„ Dieſer Name Kiptſchak aber, der einem beſondern Stamme Tatarn eigen war, iſt von den Perſern nach dem Einfalle Dſchingjiß Chans dem geſammten Volke der Scythen, als ihren Ueberwindern, beygeleget worden; wie aus den Zeugniſſen der perſiſchen Geſchichtſchreiber zu erſehen iſt. So giebt der Dichter Scheich Saͤdi ⁹ in der Vorrede zu ſeinem Gjuͤliſtan oder Roſengarten die Urſache, warum er ſein Vaterland Choraſan verlaſſen habe, auf folgende Weiſe an. “Iſt es euch nicht bewußt, mein Freund, warum “ich mich eine Zeitlang in fremden Laͤndern aufgehalten habe? Ich bin “wegen der Grauſamkeiten der Tuͤrkjen ausgezogen.„ Wann derſelbe ihre Sitten beſchreibet: ſo ſaget er an einem andern Orte. “Sie ſind zwar “alleſammt von Menſchen erzeuget: allein, ſie gleichen den blutduͤrſtigen “Woͤlfen. Zu Hauſe ſind ſie mit guten Sitten ausgeſchmuͤcket, wie die “Engel; außerhalb aber ſind ſie wie ein Heer Loͤwen.„ Daß derſelbe von dem Wir finden, daß dieſes Werk Lugaͤti Nimet- uͤllah, das Woͤrterbuch Nimetuͤllah genennet wird. Meninſki in der Vorrede zu ſeinem Woͤrterbuche, Bl. )(✝)( 2, Col. a. ⁹ [ein perſiſcher Dichter, insgemein Schejch Muͤsliheddin Saͤdi Elſchiraßi genennet; weil er in Schiraß geboren war, der Hauptſtadt in Perſien, die eigentlich dieſen Namen im Jah- re der Hidſchret 571 fuͤhrete. Er wurde von den Chriſten in dem heiligen Lande gefangen und von einem Kaufmanne fuͤr zehen Gold- kronen losgekaufet, der ihm ſeine Tochter nebſt hundert Goldkronen Mitgabe ehelich beylegte. Allein, dieſe Frau war demſelben eine ſolche Plage, daß er ſich nicht enthalten konnte, ſich dieſes in ſeinen Schriften merken zu laſſen, ſonderlich in ſeinem Gjuͤliſtan, welches Wort in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/45
Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/45>, abgerufen am 28.04.2024.