Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.11. Selim der II gemacht waren: so kehrete er in die kaiserliche Residenz zurück, und wurde nachverrichtetem Leichengepränge nochmals von allen Ständen und Beamten auf dem Throne bestätiget, darauf derselbe seines Vaters Siege mit einem prächti- gen Triumphe feierte. Hernach ließ er den Jeng-itscheri das gewöhnliche Bäch- schisch 4 oder Geschenke austheilen; den Ulema aber und übrigen Geistlichen, die bey seines Vaters Leiche die Amtsverrichtungen gethan hatten, machte er eine Verehrung von seidenen Kleidern und Gelde. 4. Mittlerweile trug es sich zu, daß der Araber, Beni Omer 5 Ulijanbezwinget die wiewol dieses selten geschiehet, außer wann der Sultan nöthig hat, sich der Soldaten Gunst zu erwerben. 5 Beni Omer] Die Söhne oder Nach- kommen Omers sind einer von den arabischen Stämmen, die in den Wüsten von Bägdad herum wandern, und keine beständigen Woh- nungen haben. Zu mancher Zeit sind sie dem osmanischen Reiche unterworfen, und bezahlen von dem, was sie aus ihren Datteln lösen, als die die einzige Quelle ihres Ver- mögens sind, jährlich eine gute Summe Gel- des an den Statthalter zu Bägdad. Sie werden aber öfters aufrührisch, und streifen sogar bis in die Vorstädte von Bäsre. Unter Mustäfas Regierung überrumpelten sie die Stadt Bäsre selbst unversehens, und blieben zwey Jahre von derselben Meister. Nach- her aber trieb der Statthalter von Bägdad, Daltaban Mustäfa Pascha, sie wieder von da heraus, und vertilgte den ganzen Stamm, [Spaltenumbruch] indem er dreyßig tausend derselben umbrachte, und ihre Köpfe Kapudschi Baschi Bättal Ismäil vorlegte, der von dem Kaiser zu dem Ende abgeschicket war. Dieser Sieg brachte ihm ein solches Ansehen zuwege, daß er we- nige Tage darauf zu der Würde des obersten Weßirs erhoben wurde. Allein, dieses ge- reichte zu seinem Untergange. Denn in Zeit von dreyen Monaten wurde er von dem Müfti des Aufruhres angeklaget; und, ob er gleich unschuldig war: so verlor er doch darüber seinen Kopf. Dieses grausame Verfahren erregte kurz darauf eine Zusammenverschwe- rung, durch die Mustäfa vom Throne gesto- ßen, der Müfti ums Leben gebracht (eine Begebenheit, die sehr selten unter den Türken ist), und die kaiserliche Krone dem Bruder des vorigen, Aehmed, als dem gegenwärtigen Kaiser, aufgesetzet wurde. 6 Bäsre] Balsora, vor diesem Bosira genennet, wird in den Landkarten insgemein selben 2 T 2
11. Selim der II gemacht waren: ſo kehrete er in die kaiſerliche Reſidenz zuruͤck, und wurde nachverrichtetem Leichengepraͤnge nochmals von allen Staͤnden und Beamten auf dem Throne beſtaͤtiget, darauf derſelbe ſeines Vaters Siege mit einem praͤchti- gen Triumphe feierte. Hernach ließ er den Jeng-itſcheri das gewoͤhnliche Baͤch- ſchiſch 4 oder Geſchenke austheilen; den Ulema aber und uͤbrigen Geiſtlichen, die bey ſeines Vaters Leiche die Amtsverrichtungen gethan hatten, machte er eine Verehrung von ſeidenen Kleidern und Gelde. 4. Mittlerweile trug es ſich zu, daß der Araber, Beni Omer 5 Ulijanbezwinget die wiewol dieſes ſelten geſchiehet, außer wann der Sultan noͤthig hat, ſich der Soldaten Gunſt zu erwerben. 5 Beni Omer] Die Soͤhne oder Nach- kommen Omers ſind einer von den arabiſchen Staͤmmen, die in den Wuͤſten von Baͤgdad herum wandern, und keine beſtaͤndigen Woh- nungen haben. Zu mancher Zeit ſind ſie dem osmaniſchen Reiche unterworfen, und bezahlen von dem, was ſie aus ihren Datteln loͤſen, als die die einzige Quelle ihres Ver- moͤgens ſind, jaͤhrlich eine gute Summe Gel- des an den Statthalter zu Baͤgdad. Sie werden aber oͤfters aufruͤhriſch, und ſtreifen ſogar bis in die Vorſtaͤdte von Baͤsre. Unter Muſtaͤfas Regierung uͤberrumpelten ſie die Stadt Baͤsre ſelbſt unverſehens, und blieben zwey Jahre von derſelben Meiſter. Nach- her aber trieb der Statthalter von Baͤgdad, Daltaban Muſtaͤfa Paſcha, ſie wieder von da heraus, und vertilgte den ganzen Stamm, [Spaltenumbruch] indem er dreyßig tauſend derſelben umbrachte, und ihre Koͤpfe Kapudſchi Baſchi Baͤttal Ismaͤil vorlegte, der von dem Kaiſer zu dem Ende abgeſchicket war. Dieſer Sieg brachte ihm ein ſolches Anſehen zuwege, daß er we- nige Tage darauf zu der Wuͤrde des oberſten Weßirs erhoben wurde. Allein, dieſes ge- reichte zu ſeinem Untergange. Denn in Zeit von dreyen Monaten wurde er von dem Muͤfti des Aufruhres angeklaget; und, ob er gleich unſchuldig war: ſo verlor er doch daruͤber ſeinen Kopf. Dieſes grauſame Verfahren erregte kurz darauf eine Zuſammenverſchwe- rung, durch die Muſtaͤfa vom Throne geſto- ßen, der Muͤfti ums Leben gebracht (eine Begebenheit, die ſehr ſelten unter den Tuͤrken iſt), und die kaiſerliche Krone dem Bruder des vorigen, Aehmed, als dem gegenwaͤrtigen Kaiſer, aufgeſetzet wurde. 6 Baͤsre] Balſora, vor dieſem Boſira genennet, wird in den Landkarten insgemein ſelben 2 T 2
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gemacht waren: ſo kehrete er in die kaiſerliche Reſidenz zuruͤck, und wurde nach
verrichtetem Leichengepraͤnge nochmals von allen Staͤnden und Beamten auf
dem Throne beſtaͤtiget, darauf derſelbe ſeines Vaters Siege mit einem praͤchti-
gen Triumphe feierte. Hernach ließ er den Jeng-itſcheri das gewoͤhnliche Baͤch-
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oder Geſchenke austheilen; den Ulema aber und uͤbrigen Geiſtlichen,
die bey ſeines Vaters Leiche die Amtsverrichtungen gethan hatten, machte er
eine Verehrung von ſeidenen Kleidern und Gelde.
4. Mittlerweile trug es ſich zu, daß der Araber, Beni Omer
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Ulijan
Ogli, als er Suͤlejmans Abſterben erfuhr, ſich nicht allein erkuͤhnete, das os-
maniſche Joch abzuwerfen; ſondern auch ſeine Nachbarn beredete, durch ihren
Beytritt ſeinen Aufruhr zu verſtaͤrken. Er that alſo einen Einfall in das Ge-
biete von Baͤgdad, und richtete in demſelben eine erſchreckliche Verwuͤſtung an.
Allein, dieſe Sache ging ihm nicht lange ungeſtraft hin. Denn ſobald Selim
von dieſem Verfahren deſſelben Nachricht bekam: ſo gab er unverzuͤglich den
Statthaltern zu Baͤgdad, Baͤsre
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und Schehreſul
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Befehl, eine gute Anzahl
Jeng-itſcheri zu den Truppen daſiger Gegenden ſtoßen zu laſſen, und mit den-
ſelben
wiewol dieſes ſelten geſchiehet, außer wann
der Sultan noͤthig hat, ſich der Soldaten
Gunſt zu erwerben.
⁵ Beni Omer] Die Soͤhne oder Nach-
kommen Omers ſind einer von den arabiſchen
Staͤmmen, die in den Wuͤſten von Baͤgdad
herum wandern, und keine beſtaͤndigen Woh-
nungen haben. Zu mancher Zeit ſind ſie
dem osmaniſchen Reiche unterworfen, und
bezahlen von dem, was ſie aus ihren Datteln
loͤſen, als die die einzige Quelle ihres Ver-
moͤgens ſind, jaͤhrlich eine gute Summe Gel-
des an den Statthalter zu Baͤgdad. Sie
werden aber oͤfters aufruͤhriſch, und ſtreifen
ſogar bis in die Vorſtaͤdte von Baͤsre. Unter
Muſtaͤfas Regierung uͤberrumpelten ſie die
Stadt Baͤsre ſelbſt unverſehens, und blieben
zwey Jahre von derſelben Meiſter. Nach-
her aber trieb der Statthalter von Baͤgdad,
Daltaban Muſtaͤfa Paſcha, ſie wieder von da
heraus, und vertilgte den ganzen Stamm,
indem er dreyßig tauſend derſelben umbrachte,
und ihre Koͤpfe Kapudſchi Baſchi Baͤttal
Ismaͤil vorlegte, der von dem Kaiſer zu dem
Ende abgeſchicket war. Dieſer Sieg brachte
ihm ein ſolches Anſehen zuwege, daß er we-
nige Tage darauf zu der Wuͤrde des oberſten
Weßirs erhoben wurde. Allein, dieſes ge-
reichte zu ſeinem Untergange. Denn in Zeit
von dreyen Monaten wurde er von dem Muͤfti
des Aufruhres angeklaget; und, ob er gleich
unſchuldig war: ſo verlor er doch daruͤber
ſeinen Kopf. Dieſes grauſame Verfahren
erregte kurz darauf eine Zuſammenverſchwe-
rung, durch die Muſtaͤfa vom Throne geſto-
ßen, der Muͤfti ums Leben gebracht (eine
Begebenheit, die ſehr ſelten unter den Tuͤrken
iſt), und die kaiſerliche Krone dem Bruder
des vorigen, Aehmed, als dem gegenwaͤrtigen
Kaiſer, aufgeſetzet wurde.
⁶ Baͤsre] Balſora, vor dieſem Boſira
genennet, wird in den Landkarten insgemein
an
bezwinget die
aufruͤhriſchen
Araber.
H. 975.
J. C. 1567.
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