Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte einzunehmen, und folgte mit den übrigen sachte nach. Ob nun gleich zu diesemFeldzuge nichts mangelte: so mangelte ihm doch die Jugend, und das Alter gestattete ihm nicht, seine Absichten auszuführen. Als er bey solcher Entkräftung und hohen Jahren nach Schegetwar 118 kam: so wurde er an seinem Leibe, der durch so viele ausgestandenen Beschwerlichkeiten abgemattet war, anfangs mit einem gelinden Fieber befallen; das aber allmählich zunahm und sich in ein bösartiges Fieber verwandelte. Ungeachtet aber der Kaiser von demselben grausam gequälet wurde, und auch kaum einige Hoffnung zur Wiedergenesung hatte: so war er doch dem Gemüthe nach unüberwindlich und gleichsam un- sterblich, und gab Befehl, daß man die Stadt belagern und bestürmen sollte. Als aber der Kriegsbefehlhaber derselben eine tapfrere Gegenwehre that, als er vermuthet hatte, und dadurch seine Qual vermehret wurde: so wiederholte Sü- lejman, da er unter der Sorgfalt für den gemeinen Stat erliegen mußte, öfters diese Worte; "Die Stadt, deren Herd 119 sollte ausgelöschet werden, ist noch "nicht erobert!" Hierauf, da er merkte, daß der Tod herannahete, hob er seine Hände gen Himmel auf, und that folgendes Gebet: "O du Gott aller "Welten 120! o du oberster Beherrscher und Herr aller Geschöpfe! ich flehe "deine heilige Majestät demüthig an, du wollest dich über das Heer der Glau- "bigen erbarmen, und demselben die Gnade wiederfahren lassen, daß es diese "Stadt unverzüglich erobert." Nachdem er dieses Gebet ausgestoßen hatte: so gab er seinen Geist auf; welches geschahe am dreyzehenten des Monats Sä- fer des vorhin gedachten Jahres. wird erobert, und der Tod desselben verheh-let. 54. Der oberste Weßir giebt Selim, der sich damals zu Magnesia auf- 118 Schegetwar] Von den Christen Si- geth genennet. 119 Herd] Eine türkische Redensart, die eine gänzliche Verwüstung und Verherung andeutet. Denn, wo kein Feuer angezündet wird: da wohnen auch keine Menschen. 120 Welten] Die Türken sagen, Gott habe siebenzehen tausend Welten erschaffen: die gegenwärtige aber sey die letzte. Es war einmal ein großer Streit unter den gelehrten [Spaltenumbruch] Türken wegen dieses Ausdrucks. Einige wollten es nicht für rechtlehrig halten, daß man sagte, der Gott aller Welten; weil Gott eigentlich nur allein der Müsülmanen Gott sey: und sagten, der Name, Regierer der Gu- ten und Bösen, reime sich nicht mit seiner Hei- ligkeit. Andere behaupteten das Gegentheil, und brachten eine Stelle aus dem Kuron bey, darinnen Gott der Herr aller Welten genennet wird. Dieser ihre Meinung wurde auch von den übrigen gebilliget. men
Osmaniſche Geſchichte einzunehmen, und folgte mit den uͤbrigen ſachte nach. Ob nun gleich zu dieſemFeldzuge nichts mangelte: ſo mangelte ihm doch die Jugend, und das Alter geſtattete ihm nicht, ſeine Abſichten auszufuͤhren. Als er bey ſolcher Entkraͤftung und hohen Jahren nach Schegetwar 118 kam: ſo wurde er an ſeinem Leibe, der durch ſo viele ausgeſtandenen Beſchwerlichkeiten abgemattet war, anfangs mit einem gelinden Fieber befallen; das aber allmaͤhlich zunahm und ſich in ein boͤsartiges Fieber verwandelte. Ungeachtet aber der Kaiſer von demſelben grauſam gequaͤlet wurde, und auch kaum einige Hoffnung zur Wiedergeneſung hatte: ſo war er doch dem Gemuͤthe nach unuͤberwindlich und gleichſam un- ſterblich, und gab Befehl, daß man die Stadt belagern und beſtuͤrmen ſollte. Als aber der Kriegsbefehlhaber derſelben eine tapfrere Gegenwehre that, als er vermuthet hatte, und dadurch ſeine Qual vermehret wurde: ſo wiederholte Suͤ- lejman, da er unter der Sorgfalt fuͤr den gemeinen Stat erliegen mußte, oͤfters dieſe Worte; “Die Stadt, deren Herd 119 ſollte ausgeloͤſchet werden, iſt noch “nicht erobert!„ Hierauf, da er merkte, daß der Tod herannahete, hob er ſeine Haͤnde gen Himmel auf, und that folgendes Gebet: “O du Gott aller “Welten 120! o du oberſter Beherrſcher und Herr aller Geſchoͤpfe! ich flehe “deine heilige Majeſtaͤt demuͤthig an, du wolleſt dich uͤber das Heer der Glau- “bigen erbarmen, und demſelben die Gnade wiederfahren laſſen, daß es dieſe “Stadt unverzuͤglich erobert.„ Nachdem er dieſes Gebet ausgeſtoßen hatte: ſo gab er ſeinen Geiſt auf; welches geſchahe am dreyzehenten des Monats Saͤ- fer des vorhin gedachten Jahres. wird erobert, und der Tod deſſelben verheh-let. 54. Der oberſte Weßir giebt Selim, der ſich damals zu Magneſia auf- 118 Schegetwar] Von den Chriſten Si- geth genennet. 119 Herd] Eine tuͤrkiſche Redensart, die eine gaͤnzliche Verwuͤſtung und Verherung andeutet. Denn, wo kein Feuer angezuͤndet wird: da wohnen auch keine Menſchen. 120 Welten] Die Tuͤrken ſagen, Gott habe ſiebenzehen tauſend Welten erſchaffen: die gegenwaͤrtige aber ſey die letzte. Es war einmal ein großer Streit unter den gelehrten [Spaltenumbruch] Tuͤrken wegen dieſes Ausdrucks. Einige wollten es nicht fuͤr rechtlehrig halten, daß man ſagte, der Gott aller Welten; weil Gott eigentlich nur allein der Muͤſuͤlmanen Gott ſey: und ſagten, der Name, Regierer der Gu- ten und Boͤſen, reime ſich nicht mit ſeiner Hei- ligkeit. Andere behaupteten das Gegentheil, und brachten eine Stelle aus dem Kuron bey, darinnen Gott der Herr aller Welten genennet wird. Dieſer ihre Meinung wurde auch von den uͤbrigen gebilliget. men
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Osmaniſche Geſchichte
einzunehmen, und folgte mit den uͤbrigen ſachte nach. Ob nun gleich zu dieſem
Feldzuge nichts mangelte: ſo mangelte ihm doch die Jugend, und das Alter
geſtattete ihm nicht, ſeine Abſichten auszufuͤhren. Als er bey ſolcher Entkraͤftung
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kam: ſo wurde er an ſeinem Leibe,
der durch ſo viele ausgeſtandenen Beſchwerlichkeiten abgemattet war, anfangs
mit einem gelinden Fieber befallen; das aber allmaͤhlich zunahm und ſich in ein
boͤsartiges Fieber verwandelte. Ungeachtet aber der Kaiſer von demſelben
grauſam gequaͤlet wurde, und auch kaum einige Hoffnung zur Wiedergeneſung
hatte: ſo war er doch dem Gemuͤthe nach unuͤberwindlich und gleichſam un-
ſterblich, und gab Befehl, daß man die Stadt belagern und beſtuͤrmen ſollte.
Als aber der Kriegsbefehlhaber derſelben eine tapfrere Gegenwehre that, als er
vermuthet hatte, und dadurch ſeine Qual vermehret wurde: ſo wiederholte Suͤ-
lejman, da er unter der Sorgfalt fuͤr den gemeinen Stat erliegen mußte, oͤfters
dieſe Worte; “Die Stadt, deren Herd
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ſollte ausgeloͤſchet werden, iſt noch
“nicht erobert!„ Hierauf, da er merkte, daß der Tod herannahete, hob er
ſeine Haͤnde gen Himmel auf, und that folgendes Gebet: “O du Gott aller
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! o du oberſter Beherrſcher und Herr aller Geſchoͤpfe! ich flehe
“deine heilige Majeſtaͤt demuͤthig an, du wolleſt dich uͤber das Heer der Glau-
“bigen erbarmen, und demſelben die Gnade wiederfahren laſſen, daß es dieſe
“Stadt unverzuͤglich erobert.„ Nachdem er dieſes Gebet ausgeſtoßen hatte:
ſo gab er ſeinen Geiſt auf; welches geſchahe am dreyzehenten des Monats Saͤ-
fer des vorhin gedachten Jahres.
54. Der oberſte Weßir giebt Selim, der ſich damals zu Magneſia auf-
hielte, augenblicklich von dem Tode ſeines Vaters Nachricht, und bittet denſel-
ben ſehnlich, ſich in aller Eile zu dem Kriegesheere zu begeben; inzwiſchen aber
verhehlet er das Abſterben des Kaiſers vor iedermann, ermahnet in deſſen Na-
men
¹¹⁸ Schegetwar] Von den Chriſten Si-
geth genennet.
¹¹⁹ Herd] Eine tuͤrkiſche Redensart,
die eine gaͤnzliche Verwuͤſtung und Verherung
andeutet. Denn, wo kein Feuer angezuͤndet
wird: da wohnen auch keine Menſchen.
¹²⁰ Welten] Die Tuͤrken ſagen, Gott
habe ſiebenzehen tauſend Welten erſchaffen:
die gegenwaͤrtige aber ſey die letzte. Es war
einmal ein großer Streit unter den gelehrten
Tuͤrken wegen dieſes Ausdrucks. Einige
wollten es nicht fuͤr rechtlehrig halten, daß
man ſagte, der Gott aller Welten; weil Gott
eigentlich nur allein der Muͤſuͤlmanen Gott
ſey: und ſagten, der Name, Regierer der Gu-
ten und Boͤſen, reime ſich nicht mit ſeiner Hei-
ligkeit. Andere behaupteten das Gegentheil,
und brachten eine Stelle aus dem Kuron bey,
darinnen Gott der Herr aller Welten genennet
wird. Dieſer ihre Meinung wurde auch von
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