Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.10. Sülejman der I Persien war, in Brand. Hierauf zog er mit seinen Truppen gegen NehDschiwan 96 zu, ließ unter Anführung des Sultan Husejns 97 das ganze Land zwischen Tibris und Meragije 98 verwüsten, und in demselben alle großen und kleinen Städte und Dörfer mit Feuer und Schwerte verheren. Nachdem er solchergestalt scharfe Rache gegen die Perser ausgeübet hatte: so schickte er bey Herannahung des Winters seine Truppen nach Amasia, um in dasiger Gegend das Winterlager zu beziehen. 47. Im folgenden Frühjahre, ehe noch Sülejman sein Heer ins Feldmachet mit den 97 Husejn] Es scheinet einer von den- jenigen persischen Flüchtlingen zu seyn, die sich zur selbigen Zeit häufig der osmanischen Herrschaft unterwarfen. Denn Amadija, das eine Landschaft in Schirwan oder Oßer- bedschan ist, stehet heutiges Tages unter per- sischer Botmäßigkeit. Aus diesem Namen scheinet das ebräische Madian und das grie- chische Midian entstanden zu seyn. 98 Meragije] Wird in den Landkarten verderbter Weise Marraga genennet. 99 Schah Kuli] Einer von den persi- schen Chanen, die aufrührisch wurden und zu Sülejman übergingen. Er ist bloß wegen seiner Kunst in der Musik berühmt. Es sind noch itzo unvergleichliche Arien von ihm vor- handen, die auf Instrumente gesetzet sind, und von denen die türkischen und persischen Musikverständigen bekennen, daß ihre Vor- trefflichkeit nicht nachzuahmen sey: nämlich Schah Kuli Sakili mit dem husejnischen Echo, [Spaltenumbruch] und Kjupare mit dem Echo Hisar, in einer Art Gedichte, Diwekj genennet, verfasset. 100 Erßirum] Dieses Wort heißet, sei- nem Ursprunge nach, ein griechisches oder europäisches Land. Denn die Türken pflegen alles, was von Erßirum nach Westen zu lie- get, nebst ganz Kleinasien oder Anadol, Theile von Europa zu nennen. Erßirum aber ist die Hauptstadt von demjenigen Großarme- nien, das den Türken unterworfen ist, nicht weit von den medischen Grenzen gelegen, sechs Tagereisen von Trapeßond an dem schwarzen Meere, nach Süden zu. Dieses ist eine von den vornehmsten Paschaschaften des osmanischen Reiches, und wird nur al- lein den Paschen von dreyen Roßschweifen gegeben. 101 Merasch] Eine Stadt in Asien an dem Flusse Murasins, nicht weit von dem Euphrat, zwischen Aleppo und Malatia. 48. Mittler- 2 R 3
10. Suͤlejman der I Perſien war, in Brand. Hierauf zog er mit ſeinen Truppen gegen NehDſchiwan 96 zu, ließ unter Anfuͤhrung des Sultan Huſejns 97 das ganze Land zwiſchen Tibris und Meragije 98 verwuͤſten, und in demſelben alle großen und kleinen Staͤdte und Doͤrfer mit Feuer und Schwerte verheren. Nachdem er ſolchergeſtalt ſcharfe Rache gegen die Perſer ausgeuͤbet hatte: ſo ſchickte er bey Herannahung des Winters ſeine Truppen nach Amaſia, um in daſiger Gegend das Winterlager zu beziehen. 47. Im folgenden Fruͤhjahre, ehe noch Suͤlejman ſein Heer ins Feldmachet mit den 97 Huſejn] Es ſcheinet einer von den- jenigen perſiſchen Fluͤchtlingen zu ſeyn, die ſich zur ſelbigen Zeit haͤufig der osmaniſchen Herrſchaft unterwarfen. Denn Amadija, das eine Landſchaft in Schirwan oder Oßer- bedſchan iſt, ſtehet heutiges Tages unter per- ſiſcher Botmaͤßigkeit. Aus dieſem Namen ſcheinet das ebraͤiſche Madian und das grie- chiſche Midian entſtanden zu ſeyn. 98 Meragije] Wird in den Landkarten verderbter Weiſe Marraga genennet. 99 Schah Kuli] Einer von den perſi- ſchen Chanen, die aufruͤhriſch wurden und zu Suͤlejman uͤbergingen. Er iſt bloß wegen ſeiner Kunſt in der Muſik beruͤhmt. Es ſind noch itzo unvergleichliche Arien von ihm vor- handen, die auf Inſtrumente geſetzet ſind, und von denen die tuͤrkiſchen und perſiſchen Muſikverſtaͤndigen bekennen, daß ihre Vor- trefflichkeit nicht nachzuahmen ſey: naͤmlich Schah Kuli Sakili mit dem huſejniſchen Echo, [Spaltenumbruch] und Kjupare mit dem Echo Hiſar, in einer Art Gedichte, Diwekj genennet, verfaſſet. 100 Erßirum] Dieſes Wort heißet, ſei- nem Urſprunge nach, ein griechiſches oder europaͤiſches Land. Denn die Tuͤrken pflegen alles, was von Erßirum nach Weſten zu lie- get, nebſt ganz Kleinaſien oder Anadol, Theile von Europa zu nennen. Erßirum aber iſt die Hauptſtadt von demjenigen Großarme- nien, das den Tuͤrken unterworfen iſt, nicht weit von den mediſchen Grenzen gelegen, ſechs Tagereiſen von Trapeßond an dem ſchwarzen Meere, nach Suͤden zu. Dieſes iſt eine von den vornehmſten Paſchaſchaften des osmaniſchen Reiches, und wird nur al- lein den Paſchen von dreyen Roßſchweifen gegeben. 101 Meraſch] Eine Stadt in Aſien an dem Fluſſe Muraſins, nicht weit von dem Euphrat, zwiſchen Aleppo und Malatia. 48. Mittler- 2 R 3
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Perſien war, in Brand. Hierauf zog er mit ſeinen Truppen gegen Neh
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kleinen Staͤdte und Doͤrfer mit Feuer und Schwerte verheren. Nachdem er
ſolchergeſtalt ſcharfe Rache gegen die Perſer ausgeuͤbet hatte: ſo ſchickte er bey
Herannahung des Winters ſeine Truppen nach Amaſia, um in daſiger Gegend
das Winterlager zu beziehen.
47. Im folgenden Fruͤhjahre, ehe noch Suͤlejman ſein Heer ins Feld
ruͤcken ließe, kam Schah Kuli
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Sultan, nicht weit von Erßirum
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ſelben an, flehete ihn um Gnade an und begab ſich unter ſeinen Schutz. Als
er von hier aus ſeinen Zug gegen Baͤgdad fortſetzte: ſo erhielte er eine Geſand-
ſchaft von dem Koͤnige in Perſien, der demuͤthig um Friede bitten ließ. Die-
ſer kam auch nach verſchiedenen angeſtellten Zuſammenkuͤnften endlich zu Stande,
und es wurden in demſelben die Staͤdte Wan, Meraſch
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und Muſul
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zu
Grenzplaͤtzen des osmaniſchen Reiches gemacht.
machet mit den
Perſern Friede:
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⁹⁷ Huſejn] Es ſcheinet einer von den-
jenigen perſiſchen Fluͤchtlingen zu ſeyn, die
ſich zur ſelbigen Zeit haͤufig der osmaniſchen
Herrſchaft unterwarfen. Denn Amadija,
das eine Landſchaft in Schirwan oder Oßer-
bedſchan iſt, ſtehet heutiges Tages unter per-
ſiſcher Botmaͤßigkeit. Aus dieſem Namen
ſcheinet das ebraͤiſche Madian und das grie-
chiſche Midian entſtanden zu ſeyn.
⁹⁸ Meragije] Wird in den Landkarten
verderbter Weiſe Marraga genennet.
⁹⁹ Schah Kuli] Einer von den perſi-
ſchen Chanen, die aufruͤhriſch wurden und
zu Suͤlejman uͤbergingen. Er iſt bloß wegen
ſeiner Kunſt in der Muſik beruͤhmt. Es ſind
noch itzo unvergleichliche Arien von ihm vor-
handen, die auf Inſtrumente geſetzet ſind,
und von denen die tuͤrkiſchen und perſiſchen
Muſikverſtaͤndigen bekennen, daß ihre Vor-
trefflichkeit nicht nachzuahmen ſey: naͤmlich
Schah Kuli Sakili mit dem huſejniſchen Echo,
und Kjupare mit dem Echo Hiſar, in einer
Art Gedichte, Diwekj genennet, verfaſſet.
¹⁰⁰ Erßirum] Dieſes Wort heißet, ſei-
nem Urſprunge nach, ein griechiſches oder
europaͤiſches Land. Denn die Tuͤrken pflegen
alles, was von Erßirum nach Weſten zu lie-
get, nebſt ganz Kleinaſien oder Anadol, Theile
von Europa zu nennen. Erßirum aber iſt
die Hauptſtadt von demjenigen Großarme-
nien, das den Tuͤrken unterworfen iſt, nicht
weit von den mediſchen Grenzen gelegen,
ſechs Tagereiſen von Trapeßond an dem
ſchwarzen Meere, nach Suͤden zu. Dieſes
iſt eine von den vornehmſten Paſchaſchaften
des osmaniſchen Reiches, und wird nur al-
lein den Paſchen von dreyen Roßſchweifen
gegeben.
¹⁰¹ Meraſch] Eine Stadt in Aſien an
dem Fluſſe Muraſins, nicht weit von dem
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