Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.10. Sülejman der I Paschas; und nachdem er die Kirchen in Dschami verwandelt und einen Kaßidaselbst bestellet hatte: so kehrete er mit Ruhm und Ehre nach Constantinopel zurück. 39. Diese schnelle Folge von Siegen erweckte nicht allein bey Sülej-Sülejman ma- Neigung des Sultans dergestalt an sich, daß sie eine völlige Gewalt über ihn bekam, und alle Sachen regierete. Nicht lange hernach kam ein Abgesandter aus Frankreich an: und weil dieser sahe, daß es nicht thunlich war, sie wieder aus dem Seraj heraus zu holen: so machte er aus der Noth eine Tugend, und sagte zu dem Kaiser: "Der König in "Frankreich schätzte sich es für das größte "Glück, daß die Vorsehung seine Tochter" (denn so, sagen sie, habe er sie genennet, und nicht Enkelinn) "für das Bette eines so "mächtigen Kaisers bestimmet habe, und "hoffete, das Band des beständigen Bündnis- "ses und der Freundschaft zwischen den zwee- "nen größten Monarchen in der Welt, werde "durch diese Vereinigung des Geblütes noch "fester verknüpfet werden." Auf Anhal- ten dieser Sultane also verwilligte Sülejman nicht nur alles, was der König in Frankreich von ihm verlangte; sondern gab ihm auch den Titel Padischah, und machte die Verord- [Spaltenumbruch] nung, daß der französische Abgesandte vor allen andern den Zutritt zu seiner Person ha- ben sollte. Dieses scheinet nun zwar eine Fa- bel zu seyn; sonderlich, da ich nicht finden kann, daß ein einziger christlicher Geschicht- schreiber oder Geschlechtsbeschreiber dieser Sa- che Erwähnung thut: dessen ungeachtet aber machen sich die Franzosen kein Bedenken, sich zu Constantinopel der Anverwandschaft ihres Königes mit dem osmanischen Hause zu rüh- men, und aus diesem Grunde den Vorrang über alle andere Christen zu begehren. Die- ser Ursache wegen hält der Kaiser von Deutsch- land niemals einen außerordentlichen Gesand- ten an dem osmanischen Hofe; sondern nur bloß einen Residenten. Wann aber Sachen von größerer Wichtigkeit vorfallen, als, die Bestätigung eines Friedens, oder die Verlän- gerung eines Stillstandes: so wird ein Ge- vollmächtigter (Murächchäs) gesendet, der den Vorzug vor allen hat. 40. Als 2 Q 3
10. Suͤlejman der I Paſchas; und nachdem er die Kirchen in Dſchami verwandelt und einen Kaßidaſelbſt beſtellet hatte: ſo kehrete er mit Ruhm und Ehre nach Conſtantinopel zuruͤck. 39. Dieſe ſchnelle Folge von Siegen erweckte nicht allein bey Suͤlej-Suͤlejman ma- Neigung des Sultans dergeſtalt an ſich, daß ſie eine voͤllige Gewalt uͤber ihn bekam, und alle Sachen regierete. Nicht lange hernach kam ein Abgeſandter aus Frankreich an: und weil dieſer ſahe, daß es nicht thunlich war, ſie wieder aus dem Seraj heraus zu holen: ſo machte er aus der Noth eine Tugend, und ſagte zu dem Kaiſer: “Der Koͤnig in “Frankreich ſchaͤtzte ſich es fuͤr das groͤßte “Gluͤck, daß die Vorſehung ſeine Tochter„ (denn ſo, ſagen ſie, habe er ſie genennet, und nicht Enkelinn) “fuͤr das Bette eines ſo “maͤchtigen Kaiſers beſtimmet habe, und “hoffete, das Band des beſtaͤndigen Buͤndniſ- “ſes und der Freundſchaft zwiſchen den zwee- “nen groͤßten Monarchen in der Welt, werde “durch dieſe Vereinigung des Gebluͤtes noch “feſter verknuͤpfet werden.„ Auf Anhal- ten dieſer Sultane alſo verwilligte Suͤlejman nicht nur alles, was der Koͤnig in Frankreich von ihm verlangte; ſondern gab ihm auch den Titel Padiſchah, und machte die Verord- [Spaltenumbruch] nung, daß der franzoͤſiſche Abgeſandte vor allen andern den Zutritt zu ſeiner Perſon ha- ben ſollte. Dieſes ſcheinet nun zwar eine Fa- bel zu ſeyn; ſonderlich, da ich nicht finden kann, daß ein einziger chriſtlicher Geſchicht- ſchreiber oder Geſchlechtsbeſchreiber dieſer Sa- che Erwaͤhnung thut: deſſen ungeachtet aber machen ſich die Franzoſen kein Bedenken, ſich zu Conſtantinopel der Anverwandſchaft ihres Koͤniges mit dem osmaniſchen Hauſe zu ruͤh- men, und aus dieſem Grunde den Vorrang uͤber alle andere Chriſten zu begehren. Die- ſer Urſache wegen haͤlt der Kaiſer von Deutſch- land niemals einen außerordentlichen Geſand- ten an dem osmaniſchen Hofe; ſondern nur bloß einen Reſidenten. Wann aber Sachen von groͤßerer Wichtigkeit vorfallen, als, die Beſtaͤtigung eines Friedens, oder die Verlaͤn- gerung eines Stillſtandes: ſo wird ein Ge- vollmaͤchtigter (Muraͤchchaͤs) geſendet, der den Vorzug vor allen hat. 40. Als 2 Q 3
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daſelbſt beſtellet hatte: ſo kehrete er mit Ruhm und Ehre nach Conſtantinopel
zuruͤck.
39. Dieſe ſchnelle Folge von Siegen erweckte nicht allein bey Suͤlej-
mans Unterthanen Ehrerbietigkeit, und bey ſeinen Feinden Schrecken; ſondern
ſie veranlaſſete auch, daß die chriſtlichen Fuͤrſten denſelben gegen die ungerechten
Unterdruͤckungen ihrer Nachbarn um Huͤlfe anriefen. In dieſer Abſicht ſchickte
Firantſche Padiſchahi
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im Jahre 949, als er den Spaniern nicht laͤnger Wi-
derſtand thun konnte, einen außerordentlichen Abgeſandten an Suͤlejman, mit
einem Schreiben, darinnen er das Unrecht, das er von den Spaniern erlitten,
anfuͤhrete, und den Sultan demuͤthig anflehete, ihn von der Gewalt ſeiner Feinde
zu befreyen. Suͤlejman nahm den Abgeſandten wohl auf, machte mit Firan-
tſche Padiſchahi ein Buͤndniß; und damit ſeine Verſprechen Glauben finden
moͤchten: ſo ſchickte er Chaͤjruͤddin Paſcha mit einer zahlreichen Flote nach Spa-
nien; da er indeſſen ſein Kriegsheer um Adrianopel herum in das Winterlager
verlegte, um im kuͤnftigen Jahre fruͤhzeitig einen Einfall in Deutſchland zu thun.
Suͤlejman ma-
chet ein Buͤndniß
mit den Franzo-
ſen:
H. 949.
J. C. 1542.
40. Als
Neigung des Sultans dergeſtalt an ſich, daß
ſie eine voͤllige Gewalt uͤber ihn bekam, und
alle Sachen regierete. Nicht lange hernach
kam ein Abgeſandter aus Frankreich an: und
weil dieſer ſahe, daß es nicht thunlich war,
ſie wieder aus dem Seraj heraus zu holen:
ſo machte er aus der Noth eine Tugend, und
ſagte zu dem Kaiſer: “Der Koͤnig in
“Frankreich ſchaͤtzte ſich es fuͤr das groͤßte
“Gluͤck, daß die Vorſehung ſeine Tochter„
(denn ſo, ſagen ſie, habe er ſie genennet, und
nicht Enkelinn) “fuͤr das Bette eines ſo
“maͤchtigen Kaiſers beſtimmet habe, und
“hoffete, das Band des beſtaͤndigen Buͤndniſ-
“ſes und der Freundſchaft zwiſchen den zwee-
“nen groͤßten Monarchen in der Welt, werde
“durch dieſe Vereinigung des Gebluͤtes noch
“feſter verknuͤpfet werden.„ Auf Anhal-
ten dieſer Sultane alſo verwilligte Suͤlejman
nicht nur alles, was der Koͤnig in Frankreich
von ihm verlangte; ſondern gab ihm auch
den Titel Padiſchah, und machte die Verord-
nung, daß der franzoͤſiſche Abgeſandte vor
allen andern den Zutritt zu ſeiner Perſon ha-
ben ſollte. Dieſes ſcheinet nun zwar eine Fa-
bel zu ſeyn; ſonderlich, da ich nicht finden
kann, daß ein einziger chriſtlicher Geſchicht-
ſchreiber oder Geſchlechtsbeſchreiber dieſer Sa-
che Erwaͤhnung thut: deſſen ungeachtet aber
machen ſich die Franzoſen kein Bedenken, ſich
zu Conſtantinopel der Anverwandſchaft ihres
Koͤniges mit dem osmaniſchen Hauſe zu ruͤh-
men, und aus dieſem Grunde den Vorrang
uͤber alle andere Chriſten zu begehren. Die-
ſer Urſache wegen haͤlt der Kaiſer von Deutſch-
land niemals einen außerordentlichen Geſand-
ten an dem osmaniſchen Hofe; ſondern nur
bloß einen Reſidenten. Wann aber Sachen
von groͤßerer Wichtigkeit vorfallen, als, die
Beſtaͤtigung eines Friedens, oder die Verlaͤn-
gerung eines Stillſtandes: ſo wird ein Ge-
vollmaͤchtigter (Muraͤchchaͤs) geſendet, der
den Vorzug vor allen hat.
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