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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Kriegesheere nach Wien, und belagerte diese Stadt. Er bestürmte dieselbe
vierzig Tage lang mit allerhand Kriegeswerkzeugen, sprengete einen Theil der
Mauren durch Minen, und ließ seine Soldaten nach den Oeffnungen zu laufen.
So oft sie aber einen Sturm wagten: so oft wurden sie auch durch die tapfere
Gegenwehre der Besatzung zurück geschlagen, ob es gleich auf Seiten dieser
nicht ohne Verlust abginge. Dennoch würden die Christen zuletzt gezwungen
worden seyn, dem siegenden Schwerte der Türken zu weichen; wenn sie nicht
selbst den sonst so statsklugen Sülejman durch betriegliche Versprechen 35 hinter-
gangen hätten. Denn sie schicken einen Gesandten an den Kaiser heraus, lassen
demselben den Gruß Ejüwallah vermelden, bekennen, daß es mit ihnen auf das
Aeußerste gekommen sey, und versprechen, sich demselben als Unterthanen und
Vasallen zu ergeben. Sie bitten daher um einen Waffenstillstand, und verzö-
gern, unter mancherley Vorwande, die Bedingungen des Vergleichs zu bestä-
tigen. Hierdurch gewinnen sie nicht allein Zeit, sich wieder zu erholen; sondern
machen auch der abgematteten Besatzung einen frischen Muth, mit der Hoffnung,
[Spaltenumbruch]
für den kaiserlichen Bedienten eine prächtige
Malzeit angerichtet, zu der ihn einige von
des Fürsten Hofbedienten führen. Dieses
mag füritzo genug seyn, um zu zeigen, auf
welche Weise die Fürsten von Moldau in ihre
Würde eingesetzet und darinnen bestätiget
werden. Wer mehrere Nachricht verlanget:
der kann meine Geschichte von Moldau nach-
schlagen, die, wie ich hoffe, in kurzem an das
Licht treten wird.
35 Versprechen] Die Türken sagen:
als die christliche Besatzung zu Wien gesehen,
daß sie die Stadt nicht länger vertheidigen
könne; so habe sie an den Sultan geschickt,
und von demselben einen Waffenstillstand von
zehen Tagen begehret, in welcher Zeit sie ihrem
Herrn und Obern von ihrem Zustande Nach-
richt geben könne: denn sie seyen durch ihren
Kriegeseid gehalten, ohne dessen Mitwissen
keinem Fremden die Thore zu öffnen. Wenn
sie aber innerhalb dieser Zeit keine Antwort
erhielten: so wären sie von ihrem Eide los,
[Spaltenumbruch]
und wollten auch gegen seinen Willen die Stadt
dem Sultan übergeben. Bäten auch noch
dieses, daß er auf den Thurm zu St. Stephan
nicht mehr schießen, und ein so berühmtes und
schönes Gebäude, ohne den mindesten Vortheil
davon zu haben, verderben möchte. Der
Sultan habe ihre Bitte statt finden lassen,
und, um auch seinen eigenen Leuten einige
Ruhe zu gönnen, einen Waffenstillstand,
sowol für die Stadt als für den Thurm,
verwilliget, mit dem Bedinge, daß sie an statt
des Kreuzes einen halben Mond auf die Spitze
desselben setzten. Dieses hätten zwar die Be-
lagerten gethan, aber hingegen die verspro-
chene Uebergabe verzögert.
36 die Belagerung aufzuheben] Die-
jenigen türkischen Geschichtschreiber, die mehr
auf Fabeln halten, erzählen folgendes. Als
Sülejman die Belagerung zwar noch fortge-
setzet, aber an dem guten Erfolge derselben
zu zweifeln angefangen: so sey ihm Muhäm-
med im Traume erschienen, und habe zu ihm

daß

Osmaniſche Geſchichte
Kriegesheere nach Wien, und belagerte dieſe Stadt. Er beſtuͤrmte dieſelbe
vierzig Tage lang mit allerhand Kriegeswerkzeugen, ſprengete einen Theil der
Mauren durch Minen, und ließ ſeine Soldaten nach den Oeffnungen zu laufen.
So oft ſie aber einen Sturm wagten: ſo oft wurden ſie auch durch die tapfere
Gegenwehre der Beſatzung zuruͤck geſchlagen, ob es gleich auf Seiten dieſer
nicht ohne Verluſt abginge. Dennoch wuͤrden die Chriſten zuletzt gezwungen
worden ſeyn, dem ſiegenden Schwerte der Tuͤrken zu weichen; wenn ſie nicht
ſelbſt den ſonſt ſo ſtatsklugen Suͤlejman durch betriegliche Verſprechen 35 hinter-
gangen haͤtten. Denn ſie ſchicken einen Geſandten an den Kaiſer heraus, laſſen
demſelben den Gruß Ejuͤwallah vermelden, bekennen, daß es mit ihnen auf das
Aeußerſte gekommen ſey, und verſprechen, ſich demſelben als Unterthanen und
Vaſallen zu ergeben. Sie bitten daher um einen Waffenſtillſtand, und verzoͤ-
gern, unter mancherley Vorwande, die Bedingungen des Vergleichs zu beſtaͤ-
tigen. Hierdurch gewinnen ſie nicht allein Zeit, ſich wieder zu erholen; ſondern
machen auch der abgematteten Beſatzung einen friſchen Muth, mit der Hoffnung,
[Spaltenumbruch]
fuͤr den kaiſerlichen Bedienten eine praͤchtige
Malzeit angerichtet, zu der ihn einige von
des Fuͤrſten Hofbedienten fuͤhren. Dieſes
mag fuͤritzo genug ſeyn, um zu zeigen, auf
welche Weiſe die Fuͤrſten von Moldau in ihre
Wuͤrde eingeſetzet und darinnen beſtaͤtiget
werden. Wer mehrere Nachricht verlanget:
der kann meine Geſchichte von Moldau nach-
ſchlagen, die, wie ich hoffe, in kurzem an das
Licht treten wird.
35 Verſprechen] Die Tuͤrken ſagen:
als die chriſtliche Beſatzung zu Wien geſehen,
daß ſie die Stadt nicht laͤnger vertheidigen
koͤnne; ſo habe ſie an den Sultan geſchickt,
und von demſelben einen Waffenſtillſtand von
zehen Tagen begehret, in welcher Zeit ſie ihrem
Herrn und Obern von ihrem Zuſtande Nach-
richt geben koͤnne: denn ſie ſeyen durch ihren
Kriegeseid gehalten, ohne deſſen Mitwiſſen
keinem Fremden die Thore zu oͤffnen. Wenn
ſie aber innerhalb dieſer Zeit keine Antwort
erhielten: ſo waͤren ſie von ihrem Eide los,
[Spaltenumbruch]
und wollten auch gegen ſeinen Willen die Stadt
dem Sultan uͤbergeben. Baͤten auch noch
dieſes, daß er auf den Thurm zu St. Stephan
nicht mehr ſchießen, und ein ſo beruͤhmtes und
ſchoͤnes Gebaͤude, ohne den mindeſten Vortheil
davon zu haben, verderben moͤchte. Der
Sultan habe ihre Bitte ſtatt finden laſſen,
und, um auch ſeinen eigenen Leuten einige
Ruhe zu goͤnnen, einen Waffenſtillſtand,
ſowol fuͤr die Stadt als fuͤr den Thurm,
verwilliget, mit dem Bedinge, daß ſie an ſtatt
des Kreuzes einen halben Mond auf die Spitze
deſſelben ſetzten. Dieſes haͤtten zwar die Be-
lagerten gethan, aber hingegen die verſpro-
chene Uebergabe verzoͤgert.
36 die Belagerung aufzuheben] Die-
jenigen tuͤrkiſchen Geſchichtſchreiber, die mehr
auf Fabeln halten, erzaͤhlen folgendes. Als
Suͤlejman die Belagerung zwar noch fortge-
ſetzet, aber an dem guten Erfolge derſelben
zu zweifeln angefangen: ſo ſey ihm Muhaͤm-
med im Traume erſchienen, und habe zu ihm

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[288/0378] Osmaniſche Geſchichte Kriegesheere nach Wien, und belagerte dieſe Stadt. Er beſtuͤrmte dieſelbe vierzig Tage lang mit allerhand Kriegeswerkzeugen, ſprengete einen Theil der Mauren durch Minen, und ließ ſeine Soldaten nach den Oeffnungen zu laufen. So oft ſie aber einen Sturm wagten: ſo oft wurden ſie auch durch die tapfere Gegenwehre der Beſatzung zuruͤck geſchlagen, ob es gleich auf Seiten dieſer nicht ohne Verluſt abginge. Dennoch wuͤrden die Chriſten zuletzt gezwungen worden ſeyn, dem ſiegenden Schwerte der Tuͤrken zu weichen; wenn ſie nicht ſelbſt den ſonſt ſo ſtatsklugen Suͤlejman durch betriegliche Verſprechen ³⁵ hinter- gangen haͤtten. Denn ſie ſchicken einen Geſandten an den Kaiſer heraus, laſſen demſelben den Gruß Ejuͤwallah vermelden, bekennen, daß es mit ihnen auf das Aeußerſte gekommen ſey, und verſprechen, ſich demſelben als Unterthanen und Vaſallen zu ergeben. Sie bitten daher um einen Waffenſtillſtand, und verzoͤ- gern, unter mancherley Vorwande, die Bedingungen des Vergleichs zu beſtaͤ- tigen. Hierdurch gewinnen ſie nicht allein Zeit, ſich wieder zu erholen; ſondern machen auch der abgematteten Beſatzung einen friſchen Muth, mit der Hoffnung, daß fuͤr den kaiſerlichen Bedienten eine praͤchtige Malzeit angerichtet, zu der ihn einige von des Fuͤrſten Hofbedienten fuͤhren. Dieſes mag fuͤritzo genug ſeyn, um zu zeigen, auf welche Weiſe die Fuͤrſten von Moldau in ihre Wuͤrde eingeſetzet und darinnen beſtaͤtiget werden. Wer mehrere Nachricht verlanget: der kann meine Geſchichte von Moldau nach- ſchlagen, die, wie ich hoffe, in kurzem an das Licht treten wird. ³⁵ Verſprechen] Die Tuͤrken ſagen: als die chriſtliche Beſatzung zu Wien geſehen, daß ſie die Stadt nicht laͤnger vertheidigen koͤnne; ſo habe ſie an den Sultan geſchickt, und von demſelben einen Waffenſtillſtand von zehen Tagen begehret, in welcher Zeit ſie ihrem Herrn und Obern von ihrem Zuſtande Nach- richt geben koͤnne: denn ſie ſeyen durch ihren Kriegeseid gehalten, ohne deſſen Mitwiſſen keinem Fremden die Thore zu oͤffnen. Wenn ſie aber innerhalb dieſer Zeit keine Antwort erhielten: ſo waͤren ſie von ihrem Eide los, und wollten auch gegen ſeinen Willen die Stadt dem Sultan uͤbergeben. Baͤten auch noch dieſes, daß er auf den Thurm zu St. Stephan nicht mehr ſchießen, und ein ſo beruͤhmtes und ſchoͤnes Gebaͤude, ohne den mindeſten Vortheil davon zu haben, verderben moͤchte. Der Sultan habe ihre Bitte ſtatt finden laſſen, und, um auch ſeinen eigenen Leuten einige Ruhe zu goͤnnen, einen Waffenſtillſtand, ſowol fuͤr die Stadt als fuͤr den Thurm, verwilliget, mit dem Bedinge, daß ſie an ſtatt des Kreuzes einen halben Mond auf die Spitze deſſelben ſetzten. Dieſes haͤtten zwar die Be- lagerten gethan, aber hingegen die verſpro- chene Uebergabe verzoͤgert. ³⁶ die Belagerung aufzuheben] Die- jenigen tuͤrkiſchen Geſchichtſchreiber, die mehr auf Fabeln halten, erzaͤhlen folgendes. Als Suͤlejman die Belagerung zwar noch fortge- ſetzet, aber an dem guten Erfolge derſelben zu zweifeln angefangen: ſo ſey ihm Muhaͤm- med im Traume erſchienen, und habe zu ihm geſa-

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/378>, abgerufen am 22.11.2024.