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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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9. Selim der I
rühmt war, zum Nachfolger im Fürstenthume. Dieser Mann bewegte hernach
die Stämme der wilden Araber (Beni Ibrahim 49, Beni Sewalem, Beni Ata,
Beni Asije, Beni Saad, nebst noch vielen andern 50, deren Namen mir nicht ein-
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med, als ein Mann von geringer Abkunft,
habe in seiner Jugend gemiethete Kamele
von einem Orte zum andern zu treiben gepflo-
gen. Als derselbe auf einer dieser Reisen an
den Berg Sinaj gekommen: so habe der Abt
eine Wolke über Muhämmeds Haupte, da er
im offenen Felde gelegen und geschlafen,
schweben gesehen, die ihn gleichsam vor den
Sonnenstrahlen beschützet habe. Der Abt
schlosse daraus, daß etwas mehreres an dem
jungen Menschen seyn müsse, als dessen äuße-
res Ansehen zu versprechen schiene; weil eine
so sonderbare Vorbedeutung, seiner Meinung
nach, sich bey niemand anderem, als dem-
jenigen, befinden könnte, der künftighin der
Herr derselben Länder werden sollte. Er ging
daher zu ihm hin, grüßete ihn sehr freundlich,
lud ihn zu sich in sein Zimmer ein, und er-
suchte denselben, bey ihm der Ruhe ungestört
zu pflegen. Als er nun glaubte, durch alle
Arten der Höflichkeit sich dessen Gunst erwor-
ben zu haben: so fragte er ihn; im Falle er
einmal Oberherr in denselben Landen werden
sollte, was wol sein Belieben in Ansehung
der Mönche seyn würde? Muhämmed gab
darauf zur Antwort: "er wollte dieselben,
als Rühban" (das ist, Beobachter eines
guten Lebens oder Wandels*), "von al-
"lem Tribute befreyen, und sie in großen
"Ehren halten." Dieses Versprechen gab
er ihm schriftlich, in arabischer Sprache, und
bekräftigte dasselbe, in Ermangelung eines Pet-
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schafts, mit seiner flachen Hand, die er in
Dinte tunkte und auf das Papier drückte.
Lange Zeit hernach, als Sultan Selim sich
in Aegypten aufhielte, kam der Abt vom Berge
Sinaj zu ihm, mit Muhämmeds entweder
echtem oder erdichtetem Befreyungsbriefe.
Der Kaiser erkaufte denselben von den Mön-
chen um vier tausend Goldkronen, nebst der
Erklärung, daß sie von allem Tribute frey
seyn sollten, und einer Bestätigung dieser
und ihrer übrigen Freyheiten, durch ein Chät-
tischerif desselben. Selims Brief, wie derselbe
aus dem Arabischen in das Türkische über-
setzet war, habe ich zu Adrianopel gelesen,
und erinnere mich noch seines Inhalts, der
folgender war: "Demnach die Mönche
"vom Berge Sinaj vor unserem hohen Di-
"wan erschienen, und in Unterthänigkeit
"vorgestellet haben, daß Muhämmed el Mu-
"stäfa2*, Gottes heiliger Prophet (über dem
"Friede und Wohlfahrt sey!), als derselbe
"vor diesem auf seinen Reisen in ihrem Klo-
"ster als ein Gast freundlich aufgenommen,
"und nach ihrem geringen Vermögen mit
"allen Arten der Ehrerbietigkeit und Hoch-
"achtung bedienet worden, gegen diese Ge-
"sellschaft der nazarener Mönche die Gnade
"gehabt, sie von ihrem jährlichen Tribute
"zu befreyen, und zu Bestätigung dessen
"geruhet, einen heiligen Brief mit seiner
"eigenen Hand besiegelt von sich zu stellen:
"so befehlen nach dessen Beyspiele auch Wir

mal
* von Rah, der Weg, und Ban, ein Bewahrer, wie es unser Verfasser herleitet. Sonst ist Rühban
die mehrere Zahl des arabischen Wortes Rahib, das einen Mönchen bedeutet. Hiernach fällt die An-
merkung 3* auf der 97 Seite weg.
2* der Auserwählte.
2 I 2

9. Selim der I
ruͤhmt war, zum Nachfolger im Fuͤrſtenthume. Dieſer Mann bewegte hernach
die Staͤmme der wilden Araber (Beni Ibrahim 49, Beni Sewalem, Beni Ata,
Beni Aſije, Beni Saad, nebſt noch vielen andern 50, deren Namen mir nicht ein-
[Spaltenumbruch]
med, als ein Mann von geringer Abkunft,
habe in ſeiner Jugend gemiethete Kamele
von einem Orte zum andern zu treiben gepflo-
gen. Als derſelbe auf einer dieſer Reiſen an
den Berg Sinaj gekommen: ſo habe der Abt
eine Wolke uͤber Muhaͤmmeds Haupte, da er
im offenen Felde gelegen und geſchlafen,
ſchweben geſehen, die ihn gleichſam vor den
Sonnenſtrahlen beſchuͤtzet habe. Der Abt
ſchloſſe daraus, daß etwas mehreres an dem
jungen Menſchen ſeyn muͤſſe, als deſſen aͤuße-
res Anſehen zu verſprechen ſchiene; weil eine
ſo ſonderbare Vorbedeutung, ſeiner Meinung
nach, ſich bey niemand anderem, als dem-
jenigen, befinden koͤnnte, der kuͤnftighin der
Herr derſelben Laͤnder werden ſollte. Er ging
daher zu ihm hin, gruͤßete ihn ſehr freundlich,
lud ihn zu ſich in ſein Zimmer ein, und er-
ſuchte denſelben, bey ihm der Ruhe ungeſtoͤrt
zu pflegen. Als er nun glaubte, durch alle
Arten der Hoͤflichkeit ſich deſſen Gunſt erwor-
ben zu haben: ſo fragte er ihn; im Falle er
einmal Oberherr in denſelben Landen werden
ſollte, was wol ſein Belieben in Anſehung
der Moͤnche ſeyn wuͤrde? Muhaͤmmed gab
darauf zur Antwort: “er wollte dieſelben,
als Ruͤhban„ (das iſt, Beobachter eines
guten Lebens oder Wandels*), “von al-
“lem Tribute befreyen, und ſie in großen
“Ehren halten.„ Dieſes Verſprechen gab
er ihm ſchriftlich, in arabiſcher Sprache, und
bekraͤftigte daſſelbe, in Ermangelung eines Pet-
[Spaltenumbruch]
ſchafts, mit ſeiner flachen Hand, die er in
Dinte tunkte und auf das Papier druͤckte.
Lange Zeit hernach, als Sultan Selim ſich
in Aegypten aufhielte, kam der Abt vom Berge
Sinaj zu ihm, mit Muhaͤmmeds entweder
echtem oder erdichtetem Befreyungsbriefe.
Der Kaiſer erkaufte denſelben von den Moͤn-
chen um vier tauſend Goldkronen, nebſt der
Erklaͤrung, daß ſie von allem Tribute frey
ſeyn ſollten, und einer Beſtaͤtigung dieſer
und ihrer uͤbrigen Freyheiten, durch ein Chaͤt-
tiſcherif deſſelben. Selims Brief, wie derſelbe
aus dem Arabiſchen in das Tuͤrkiſche uͤber-
ſetzet war, habe ich zu Adrianopel geleſen,
und erinnere mich noch ſeines Inhalts, der
folgender war: “Demnach die Moͤnche
“vom Berge Sinaj vor unſerem hohen Di-
“wan erſchienen, und in Unterthaͤnigkeit
“vorgeſtellet haben, daß Muhaͤmmed el Mu-
“ſtaͤfa2*, Gottes heiliger Prophet (uͤber dem
“Friede und Wohlfahrt ſey!), als derſelbe
“vor dieſem auf ſeinen Reiſen in ihrem Klo-
“ſter als ein Gaſt freundlich aufgenommen,
“und nach ihrem geringen Vermoͤgen mit
“allen Arten der Ehrerbietigkeit und Hoch-
“achtung bedienet worden, gegen dieſe Ge-
“ſellſchaft der nazarener Moͤnche die Gnade
“gehabt, ſie von ihrem jaͤhrlichen Tribute
“zu befreyen, und zu Beſtaͤtigung deſſen
“geruhet, einen heiligen Brief mit ſeiner
“eigenen Hand beſiegelt von ſich zu ſtellen:
“ſo befehlen nach deſſen Beyſpiele auch Wir

mal
* von Rah, der Weg, und Ban, ein Bewahrer, wie es unſer Verfaſſer herleitet. Sonſt iſt Ruͤhban
die mehrere Zahl des arabiſchen Wortes Rahib, das einen Moͤnchen bedeutet. Hiernach faͤllt die An-
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2* der Auserwaͤhlte.
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[251/0339] 9. Selim der I ruͤhmt war, zum Nachfolger im Fuͤrſtenthume. Dieſer Mann bewegte hernach die Staͤmme der wilden Araber (Beni Ibrahim ⁴⁹ , Beni Sewalem, Beni Ata, Beni Aſije, Beni Saad, nebſt noch vielen andern ⁵⁰ , deren Namen mir nicht ein- mal med, als ein Mann von geringer Abkunft, habe in ſeiner Jugend gemiethete Kamele von einem Orte zum andern zu treiben gepflo- gen. Als derſelbe auf einer dieſer Reiſen an den Berg Sinaj gekommen: ſo habe der Abt eine Wolke uͤber Muhaͤmmeds Haupte, da er im offenen Felde gelegen und geſchlafen, ſchweben geſehen, die ihn gleichſam vor den Sonnenſtrahlen beſchuͤtzet habe. Der Abt ſchloſſe daraus, daß etwas mehreres an dem jungen Menſchen ſeyn muͤſſe, als deſſen aͤuße- res Anſehen zu verſprechen ſchiene; weil eine ſo ſonderbare Vorbedeutung, ſeiner Meinung nach, ſich bey niemand anderem, als dem- jenigen, befinden koͤnnte, der kuͤnftighin der Herr derſelben Laͤnder werden ſollte. Er ging daher zu ihm hin, gruͤßete ihn ſehr freundlich, lud ihn zu ſich in ſein Zimmer ein, und er- ſuchte denſelben, bey ihm der Ruhe ungeſtoͤrt zu pflegen. Als er nun glaubte, durch alle Arten der Hoͤflichkeit ſich deſſen Gunſt erwor- ben zu haben: ſo fragte er ihn; im Falle er einmal Oberherr in denſelben Landen werden ſollte, was wol ſein Belieben in Anſehung der Moͤnche ſeyn wuͤrde? Muhaͤmmed gab darauf zur Antwort: “er wollte dieſelben, als Ruͤhban„ (das iſt, Beobachter eines guten Lebens oder Wandels *), “von al- “lem Tribute befreyen, und ſie in großen “Ehren halten.„ Dieſes Verſprechen gab er ihm ſchriftlich, in arabiſcher Sprache, und bekraͤftigte daſſelbe, in Ermangelung eines Pet- ſchafts, mit ſeiner flachen Hand, die er in Dinte tunkte und auf das Papier druͤckte. Lange Zeit hernach, als Sultan Selim ſich in Aegypten aufhielte, kam der Abt vom Berge Sinaj zu ihm, mit Muhaͤmmeds entweder echtem oder erdichtetem Befreyungsbriefe. Der Kaiſer erkaufte denſelben von den Moͤn- chen um vier tauſend Goldkronen, nebſt der Erklaͤrung, daß ſie von allem Tribute frey ſeyn ſollten, und einer Beſtaͤtigung dieſer und ihrer uͤbrigen Freyheiten, durch ein Chaͤt- tiſcherif deſſelben. Selims Brief, wie derſelbe aus dem Arabiſchen in das Tuͤrkiſche uͤber- ſetzet war, habe ich zu Adrianopel geleſen, und erinnere mich noch ſeines Inhalts, der folgender war: “Demnach die Moͤnche “vom Berge Sinaj vor unſerem hohen Di- “wan erſchienen, und in Unterthaͤnigkeit “vorgeſtellet haben, daß Muhaͤmmed el Mu- “ſtaͤfa 2*, Gottes heiliger Prophet (uͤber dem “Friede und Wohlfahrt ſey!), als derſelbe “vor dieſem auf ſeinen Reiſen in ihrem Klo- “ſter als ein Gaſt freundlich aufgenommen, “und nach ihrem geringen Vermoͤgen mit “allen Arten der Ehrerbietigkeit und Hoch- “achtung bedienet worden, gegen dieſe Ge- “ſellſchaft der nazarener Moͤnche die Gnade “gehabt, ſie von ihrem jaͤhrlichen Tribute “zu befreyen, und zu Beſtaͤtigung deſſen “geruhet, einen heiligen Brief mit ſeiner “eigenen Hand beſiegelt von ſich zu ſtellen: “ſo befehlen nach deſſen Beyſpiele auch Wir “hie- * von Rah, der Weg, und Ban, ein Bewahrer, wie es unſer Verfaſſer herleitet. Sonſt iſt Ruͤhban die mehrere Zahl des arabiſchen Wortes Rahib, das einen Moͤnchen bedeutet. Hiernach faͤllt die An- merkung 3* auf der 97 Seite weg. 2* der Auserwaͤhlte. 2 I 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/339>, abgerufen am 22.11.2024.