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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
gen Werke wurden, wie die Türken glauben 36, Selim überschwänglich vergol-
ten: denn sie schreiben diesem Scheich und seinen Tugenden und Gnade bey
[Spaltenumbruch]
durch ein Chättischerif dem obersten Weßire
kund gethan. Dieser, wenn das Haus mit-
ten in der Stadt gelegen ist, schicket einen
Befehl an den Mimar Aga oder obersten Bau-
meister, und heißet ihn darinnen, sich auf die
Stelle zu begeben, und den Platz nebst der
Hofstätte ordentlich und genau zu beschreiben.
Wenn aber das Haus nahe an der Stadt-
mauer lieget: so wird der Befehl an Schehr
Emini, oder den Oberaufseher der Mau-
ren und Straßen, gerichtet. Es mag nun
gleich dem Mimar Aga oder Schehr Emi-
ni dieser Befehl aufgetragen werden: so läs-
set derselbe den Naib oder Unterbeamten des
Richters zu Constantinopel oder Pera (wenn
das Haus in dieser Stadt gelegen ist) zu sich
rufen, und sendet durch diesen die Beschrei-
bung und den Abriß von dem Hause an Istambol
Efendisi oder den obersten Richter zu Constan-
tinopel. Endlich wird eine Abschrift von
dem Befehle und der Beschreibung des Bau-
meisters in dem Archive, bey den Türken
Sidschill genennet, beygeleget: und so ist
nun der Besitz von dem Hause der Person, der
es von dem Sultan verliehen worden, bestä-
tiget.
36 die Türken glauben] Ungeachtet
es die gemeine Meinung bey den Türken ist,
daß die Seelen der Verstorbenen den Lebendi-
gen keine Hülfe leisten könnten*: so lesen wir
doch bey den besten muhämmedischen Gottes-
gelehrten, daß die Verstorbenen durch das
Gebet der Lebendigen sich bewegen lassen, bey
Gott eine Fürbitte einzulegen, daß er ihnen
ihre Bitte gewähren möge. Sie geben auch
zu, daß es verdienstlich und gebührend sey,
[Spaltenumbruch]
die abgeschiedenen Heiligen zu verehren, und
die Grabmäler derselben andächtig zu besu-
chen. Vornehmlich aber ist ihnen in ihrem
Gesetze befohlen, die Namen Muhämmed und
seiner Nachfolger anzurufen, mit den Wor-
ten: Ja2* Muhämmed! ja Ebubekjr! ja
Omer! ja Osman! ja Ali! und diese mit
sehr zierlichen Buchstaben auf Tafeln zu schrei-
ben, die sie in den Dschami und andern
Gebäuden aufhängen, auch dieselben mit gro-
ßen Buchstaben an die Wände zu malen, auf
folgende Weise. In der Mitte der Tafel ma-
chen sie eine Beschreibung von Muhämmed:
nämlich, er habe gehabt ein rothes Ansehen,
langes Antlitz, dünne Nase, blaulichte Augen,
schwarzen Bart acht Zoll lang, breite Brust,
schmale Lenden, runde Hände, lange Finger,
schmale Schenkel, breite Füße mit etwas lan-
gen Zehen, u. s. w. Ob nun gleich Muhäm-
meds Ebenbild gar leicht aus dieser Beschrei-
bung könnte verfertiget werden: so ist es doch
verboten, etwas von demselben zu malen,
außer seine Hände und Füße; einen andern
Theil von ihm zu zeichnen, es sey welcher es
wolle, wird für eine Sünde geachtet. Die
Perser aber sind nicht so abergläubisch: sie
malen ganze Bilder, und zieren gemeiniglich
damit ihre historischen Schriften aus. Ich
habe in einem persischen Buche, das ich zu
Constantinopel hatte, ein Beyspiel davon ge-
sehen, darinnen die Geschichte der Perser von
der Schöpfung an bis auf Schah Ismäil ent-
halten war. In diesem waren alle Ebenbil-
der der Propheten und Kaiser geschildert,
zwar nicht mit gar großer Gleichförmigkeit
(Symmetry), aber doch sehr zierlich. Unter
den türkischen Kaisern ließ der einzige Murad

Gott
* 115 S. 7 Anm.
2* O!

Osmaniſche Geſchichte
gen Werke wurden, wie die Tuͤrken glauben 36, Selim uͤberſchwaͤnglich vergol-
ten: denn ſie ſchreiben dieſem Scheich und ſeinen Tugenden und Gnade bey
[Spaltenumbruch]
durch ein Chaͤttiſcherif dem oberſten Weßire
kund gethan. Dieſer, wenn das Haus mit-
ten in der Stadt gelegen iſt, ſchicket einen
Befehl an den Mimar Aga oder oberſten Bau-
meiſter, und heißet ihn darinnen, ſich auf die
Stelle zu begeben, und den Platz nebſt der
Hofſtaͤtte ordentlich und genau zu beſchreiben.
Wenn aber das Haus nahe an der Stadt-
mauer lieget: ſo wird der Befehl an Schehr
Emini, oder den Oberaufſeher der Mau-
ren und Straßen, gerichtet. Es mag nun
gleich dem Mimar Aga oder Schehr Emi-
ni dieſer Befehl aufgetragen werden: ſo laͤſ-
ſet derſelbe den Naib oder Unterbeamten des
Richters zu Conſtantinopel oder Pera (wenn
das Haus in dieſer Stadt gelegen iſt) zu ſich
rufen, und ſendet durch dieſen die Beſchrei-
bung und den Abriß von dem Hauſe an Iſtambol
Efendiſi oder den oberſten Richter zu Conſtan-
tinopel. Endlich wird eine Abſchrift von
dem Befehle und der Beſchreibung des Bau-
meiſters in dem Archive, bey den Tuͤrken
Sidſchill genennet, beygeleget: und ſo iſt
nun der Beſitz von dem Hauſe der Perſon, der
es von dem Sultan verliehen worden, beſtaͤ-
tiget.
36 die Tuͤrken glauben] Ungeachtet
es die gemeine Meinung bey den Tuͤrken iſt,
daß die Seelen der Verſtorbenen den Lebendi-
gen keine Huͤlfe leiſten koͤnnten*: ſo leſen wir
doch bey den beſten muhaͤmmediſchen Gottes-
gelehrten, daß die Verſtorbenen durch das
Gebet der Lebendigen ſich bewegen laſſen, bey
Gott eine Fuͤrbitte einzulegen, daß er ihnen
ihre Bitte gewaͤhren moͤge. Sie geben auch
zu, daß es verdienſtlich und gebuͤhrend ſey,
[Spaltenumbruch]
die abgeſchiedenen Heiligen zu verehren, und
die Grabmaͤler derſelben andaͤchtig zu beſu-
chen. Vornehmlich aber iſt ihnen in ihrem
Geſetze befohlen, die Namen Muhaͤmmed und
ſeiner Nachfolger anzurufen, mit den Wor-
ten: Ja2* Muhaͤmmed! ja Ebubekjr! ja
Omer! ja Osman! ja Ali! und dieſe mit
ſehr zierlichen Buchſtaben auf Tafeln zu ſchrei-
ben, die ſie in den Dſchami und andern
Gebaͤuden aufhaͤngen, auch dieſelben mit gro-
ßen Buchſtaben an die Waͤnde zu malen, auf
folgende Weiſe. In der Mitte der Tafel ma-
chen ſie eine Beſchreibung von Muhaͤmmed:
naͤmlich, er habe gehabt ein rothes Anſehen,
langes Antlitz, duͤnne Naſe, blaulichte Augen,
ſchwarzen Bart acht Zoll lang, breite Bruſt,
ſchmale Lenden, runde Haͤnde, lange Finger,
ſchmale Schenkel, breite Fuͤße mit etwas lan-
gen Zehen, u. ſ. w. Ob nun gleich Muhaͤm-
meds Ebenbild gar leicht aus dieſer Beſchrei-
bung koͤnnte verfertiget werden: ſo iſt es doch
verboten, etwas von demſelben zu malen,
außer ſeine Haͤnde und Fuͤße; einen andern
Theil von ihm zu zeichnen, es ſey welcher es
wolle, wird fuͤr eine Suͤnde geachtet. Die
Perſer aber ſind nicht ſo aberglaͤubiſch: ſie
malen ganze Bilder, und zieren gemeiniglich
damit ihre hiſtoriſchen Schriften aus. Ich
habe in einem perſiſchen Buche, das ich zu
Conſtantinopel hatte, ein Beyſpiel davon ge-
ſehen, darinnen die Geſchichte der Perſer von
der Schoͤpfung an bis auf Schah Ismaͤil ent-
halten war. In dieſem waren alle Ebenbil-
der der Propheten und Kaiſer geſchildert,
zwar nicht mit gar großer Gleichfoͤrmigkeit
(Symmetry), aber doch ſehr zierlich. Unter
den tuͤrkiſchen Kaiſern ließ der einzige Murad

Gott
* 115 S. 7 Anm.
2* O!
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[240/0328] Osmaniſche Geſchichte gen Werke wurden, wie die Tuͤrken glauben ³⁶ , Selim uͤberſchwaͤnglich vergol- ten: denn ſie ſchreiben dieſem Scheich und ſeinen Tugenden und Gnade bey Gott durch ein Chaͤttiſcherif dem oberſten Weßire kund gethan. Dieſer, wenn das Haus mit- ten in der Stadt gelegen iſt, ſchicket einen Befehl an den Mimar Aga oder oberſten Bau- meiſter, und heißet ihn darinnen, ſich auf die Stelle zu begeben, und den Platz nebſt der Hofſtaͤtte ordentlich und genau zu beſchreiben. Wenn aber das Haus nahe an der Stadt- mauer lieget: ſo wird der Befehl an Schehr Emini, oder den Oberaufſeher der Mau- ren und Straßen, gerichtet. Es mag nun gleich dem Mimar Aga oder Schehr Emi- ni dieſer Befehl aufgetragen werden: ſo laͤſ- ſet derſelbe den Naib oder Unterbeamten des Richters zu Conſtantinopel oder Pera (wenn das Haus in dieſer Stadt gelegen iſt) zu ſich rufen, und ſendet durch dieſen die Beſchrei- bung und den Abriß von dem Hauſe an Iſtambol Efendiſi oder den oberſten Richter zu Conſtan- tinopel. Endlich wird eine Abſchrift von dem Befehle und der Beſchreibung des Bau- meiſters in dem Archive, bey den Tuͤrken Sidſchill genennet, beygeleget: und ſo iſt nun der Beſitz von dem Hauſe der Perſon, der es von dem Sultan verliehen worden, beſtaͤ- tiget. ³⁶ die Tuͤrken glauben] Ungeachtet es die gemeine Meinung bey den Tuͤrken iſt, daß die Seelen der Verſtorbenen den Lebendi- gen keine Huͤlfe leiſten koͤnnten *: ſo leſen wir doch bey den beſten muhaͤmmediſchen Gottes- gelehrten, daß die Verſtorbenen durch das Gebet der Lebendigen ſich bewegen laſſen, bey Gott eine Fuͤrbitte einzulegen, daß er ihnen ihre Bitte gewaͤhren moͤge. Sie geben auch zu, daß es verdienſtlich und gebuͤhrend ſey, die abgeſchiedenen Heiligen zu verehren, und die Grabmaͤler derſelben andaͤchtig zu beſu- chen. Vornehmlich aber iſt ihnen in ihrem Geſetze befohlen, die Namen Muhaͤmmed und ſeiner Nachfolger anzurufen, mit den Wor- ten: Ja 2* Muhaͤmmed! ja Ebubekjr! ja Omer! ja Osman! ja Ali! und dieſe mit ſehr zierlichen Buchſtaben auf Tafeln zu ſchrei- ben, die ſie in den Dſchami und andern Gebaͤuden aufhaͤngen, auch dieſelben mit gro- ßen Buchſtaben an die Waͤnde zu malen, auf folgende Weiſe. In der Mitte der Tafel ma- chen ſie eine Beſchreibung von Muhaͤmmed: naͤmlich, er habe gehabt ein rothes Anſehen, langes Antlitz, duͤnne Naſe, blaulichte Augen, ſchwarzen Bart acht Zoll lang, breite Bruſt, ſchmale Lenden, runde Haͤnde, lange Finger, ſchmale Schenkel, breite Fuͤße mit etwas lan- gen Zehen, u. ſ. w. Ob nun gleich Muhaͤm- meds Ebenbild gar leicht aus dieſer Beſchrei- bung koͤnnte verfertiget werden: ſo iſt es doch verboten, etwas von demſelben zu malen, außer ſeine Haͤnde und Fuͤße; einen andern Theil von ihm zu zeichnen, es ſey welcher es wolle, wird fuͤr eine Suͤnde geachtet. Die Perſer aber ſind nicht ſo aberglaͤubiſch: ſie malen ganze Bilder, und zieren gemeiniglich damit ihre hiſtoriſchen Schriften aus. Ich habe in einem perſiſchen Buche, das ich zu Conſtantinopel hatte, ein Beyſpiel davon ge- ſehen, darinnen die Geſchichte der Perſer von der Schoͤpfung an bis auf Schah Ismaͤil ent- halten war. In dieſem waren alle Ebenbil- der der Propheten und Kaiſer geſchildert, zwar nicht mit gar großer Gleichfoͤrmigkeit (Symmetry), aber doch ſehr zierlich. Unter den tuͤrkiſchen Kaiſern ließ der einzige Murad der * 115 S. 7 Anm. 2* O!

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/328>, abgerufen am 20.05.2024.