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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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8. Bajeßid der II
auszustreuen, und den König nebst dem ganzen Volke von dem wahren Wege
des Kurons abwendet.

23.

Um eben diese Zeit, als Bajeßid mitten im Frieden sich in den Wol-Bajeßid ent-
schließet sich, die
Regierung sei-
nem Sohne Aeh-
med zu überge-
ben.

lüsten herumwälzete, kam derselbe bey den Beschwerlichkeiten des herannahenden
Alters, und den heftigen Schmerzen der Gicht in den Händen 43, die er sich durch
seine Unmäßigkeit zugezogen hatte, auf den Entschluß, dem Beyspiele seines
Großvaters nachzufolgen und die Regierung freywillig aufzugeben. Zu diesem
Ende berief er seinen ältesten Sohn Aehmed, den er zum Statthalter von Koni
gemacht hatte, zu sich, erklärete denselben zum Nachfolger des Reiches, und
erwählete, seine künftige Lebenszeit zu Magnesia in der Absonderung zuzubrin-
gen, welcher Ort auch seinem Großvater zur Einsamkeit gedienet hatte.

24.

Weil aber derselbe seine Absicht eher offenbar werden lässet, als erSelim setzet sich
dagegen: wird
aber von seinem
Vater geschla-
gen.

die Großen gewonnen und auf Aehmeds Seite gebracht hatte: so gehet die Sa-
[Spaltenumbruch]

Vergeltung wegen dieses Dienstes zu hoffen
hätten: sie in dieser Vergleichung einen er-
schlagenen Perser so hoch als siebenzig Christen
rechnen. Hieher können wir auch die Ge-
wohnheit ziehen, die beyde Völker bey Ab-
schickung der Gesandten gegen einander beob-
achten. Wann der König in Persien einen
an den türkischen Kaiser sendet: so überreichet
ihm der Gesandte unter andern Geschenken
zuerst den Kuron; sowol, um mit der Wahr-
heit seines Gesetzes groß zu thun, als auch,
um den Türken durch diese gleichsam stille
Predigt zur Annehmung desselben einzuladen.
Nachdem nun der Sultan den Gesandten em-
pfangen hat, und das Verzeichniß der mit-
gebrachten Geschenke durch den Rejsül Kjüt-
tab (insgemein Rejs Efendi genennet, oder
den obersten Kanzler) verlesen höret: so
nimmt derselbe, wann der Name des Kurons
erwähnet wird, seinen eigenen Kuron in die
Hände, der neben ihm auf einem Küssen lieget,
küsset ihn, und leget ihn sodann auf die ehr-
[Spaltenumbruch]
erbietigste Weise wieder an seinen vorigen
Platz; durch welches feierliche Bezeigen er
stilleschweigends die Wahrheit seines eigenen
Kurons, und die Falschheit des persischen,
bekennet.
42 Ismäil Schah] Dieses ist der Kö-
nig in Persien, der mit Bajeßid zu gleicher
Zeit lebte: der grimmige und ewige Feind
des osmanischen Hauses. Wegen seiner vor-
züglichen Wissenschaft hat man ihn unter die
gelehrtesten Fürsten gezählet, und eben diese
hat ihm vermuthlich den Beynamen Sofi oder
des Weisen zuwege gebracht*.
43 Gicht in den Händen] Die Chri-
sten sagen, die Beschwerung, die Bajeßid
von der Gicht gehabt, sey in den Füßen (das
Zipperlein) gewesen. Vielleicht haben sie
beyderseits Recht: denn diese Krankheit grei-
fet gemeiniglich Hände und Füße zugleich an.

che
* [Er war der Stifter des gegenwärtigen königlichen Hauses in Persien, und von ihm haben diese Könige
den Beynamen Sofi bis auf den heutigen Tag behalten.]
2 C

8. Bajeßid der II
auszuſtreuen, und den Koͤnig nebſt dem ganzen Volke von dem wahren Wege
des Kurons abwendet.

23.

Um eben dieſe Zeit, als Bajeßid mitten im Frieden ſich in den Wol-Bajeßid ent-
ſchließet ſich, die
Regierung ſei-
nem Sohne Aeh-
med zu uͤberge-
ben.

luͤſten herumwaͤlzete, kam derſelbe bey den Beſchwerlichkeiten des herannahenden
Alters, und den heftigen Schmerzen der Gicht in den Haͤnden 43, die er ſich durch
ſeine Unmaͤßigkeit zugezogen hatte, auf den Entſchluß, dem Beyſpiele ſeines
Großvaters nachzufolgen und die Regierung freywillig aufzugeben. Zu dieſem
Ende berief er ſeinen aͤlteſten Sohn Aehmed, den er zum Statthalter von Koni
gemacht hatte, zu ſich, erklaͤrete denſelben zum Nachfolger des Reiches, und
erwaͤhlete, ſeine kuͤnftige Lebenszeit zu Magneſia in der Abſonderung zuzubrin-
gen, welcher Ort auch ſeinem Großvater zur Einſamkeit gedienet hatte.

24.

Weil aber derſelbe ſeine Abſicht eher offenbar werden laͤſſet, als erSelim ſetzet ſich
dagegen: wird
aber von ſeinem
Vater geſchla-
gen.

die Großen gewonnen und auf Aehmeds Seite gebracht hatte: ſo gehet die Sa-
[Spaltenumbruch]

Vergeltung wegen dieſes Dienſtes zu hoffen
haͤtten: ſie in dieſer Vergleichung einen er-
ſchlagenen Perſer ſo hoch als ſiebenzig Chriſten
rechnen. Hieher koͤnnen wir auch die Ge-
wohnheit ziehen, die beyde Voͤlker bey Ab-
ſchickung der Geſandten gegen einander beob-
achten. Wann der Koͤnig in Perſien einen
an den tuͤrkiſchen Kaiſer ſendet: ſo uͤberreichet
ihm der Geſandte unter andern Geſchenken
zuerſt den Kuron; ſowol, um mit der Wahr-
heit ſeines Geſetzes groß zu thun, als auch,
um den Tuͤrken durch dieſe gleichſam ſtille
Predigt zur Annehmung deſſelben einzuladen.
Nachdem nun der Sultan den Geſandten em-
pfangen hat, und das Verzeichniß der mit-
gebrachten Geſchenke durch den Rejſuͤl Kjuͤt-
tab (insgemein Rejs Efendi genennet, oder
den oberſten Kanzler) verleſen hoͤret: ſo
nimmt derſelbe, wann der Name des Kurons
erwaͤhnet wird, ſeinen eigenen Kuron in die
Haͤnde, der neben ihm auf einem Kuͤſſen lieget,
kuͤſſet ihn, und leget ihn ſodann auf die ehr-
[Spaltenumbruch]
erbietigſte Weiſe wieder an ſeinen vorigen
Platz; durch welches feierliche Bezeigen er
ſtilleſchweigends die Wahrheit ſeines eigenen
Kurons, und die Falſchheit des perſiſchen,
bekennet.
42 Ismaͤil Schah] Dieſes iſt der Koͤ-
nig in Perſien, der mit Bajeßid zu gleicher
Zeit lebte: der grimmige und ewige Feind
des osmaniſchen Hauſes. Wegen ſeiner vor-
zuͤglichen Wiſſenſchaft hat man ihn unter die
gelehrteſten Fuͤrſten gezaͤhlet, und eben dieſe
hat ihm vermuthlich den Beynamen Sofi oder
des Weiſen zuwege gebracht*.
43 Gicht in den Haͤnden] Die Chri-
ſten ſagen, die Beſchwerung, die Bajeßid
von der Gicht gehabt, ſey in den Fuͤßen (das
Zipperlein) geweſen. Vielleicht haben ſie
beyderſeits Recht: denn dieſe Krankheit grei-
fet gemeiniglich Haͤnde und Fuͤße zugleich an.

che
* [Er war der Stifter des gegenwaͤrtigen koͤniglichen Hauſes in Perſien, und von ihm haben dieſe Koͤnige
den Beynamen Sofi bis auf den heutigen Tag behalten.]
2 C
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[201/0287] 8. Bajeßid der II auszuſtreuen, und den Koͤnig nebſt dem ganzen Volke von dem wahren Wege des Kurons abwendet. 23. Um eben dieſe Zeit, als Bajeßid mitten im Frieden ſich in den Wol- luͤſten herumwaͤlzete, kam derſelbe bey den Beſchwerlichkeiten des herannahenden Alters, und den heftigen Schmerzen der Gicht in den Haͤnden ⁴³ , die er ſich durch ſeine Unmaͤßigkeit zugezogen hatte, auf den Entſchluß, dem Beyſpiele ſeines Großvaters nachzufolgen und die Regierung freywillig aufzugeben. Zu dieſem Ende berief er ſeinen aͤlteſten Sohn Aehmed, den er zum Statthalter von Koni gemacht hatte, zu ſich, erklaͤrete denſelben zum Nachfolger des Reiches, und erwaͤhlete, ſeine kuͤnftige Lebenszeit zu Magneſia in der Abſonderung zuzubrin- gen, welcher Ort auch ſeinem Großvater zur Einſamkeit gedienet hatte. Bajeßid ent- ſchließet ſich, die Regierung ſei- nem Sohne Aeh- med zu uͤberge- ben. 24. Weil aber derſelbe ſeine Abſicht eher offenbar werden laͤſſet, als er die Großen gewonnen und auf Aehmeds Seite gebracht hatte: ſo gehet die Sa- che Vergeltung wegen dieſes Dienſtes zu hoffen haͤtten: ſie in dieſer Vergleichung einen er- ſchlagenen Perſer ſo hoch als ſiebenzig Chriſten rechnen. Hieher koͤnnen wir auch die Ge- wohnheit ziehen, die beyde Voͤlker bey Ab- ſchickung der Geſandten gegen einander beob- achten. Wann der Koͤnig in Perſien einen an den tuͤrkiſchen Kaiſer ſendet: ſo uͤberreichet ihm der Geſandte unter andern Geſchenken zuerſt den Kuron; ſowol, um mit der Wahr- heit ſeines Geſetzes groß zu thun, als auch, um den Tuͤrken durch dieſe gleichſam ſtille Predigt zur Annehmung deſſelben einzuladen. Nachdem nun der Sultan den Geſandten em- pfangen hat, und das Verzeichniß der mit- gebrachten Geſchenke durch den Rejſuͤl Kjuͤt- tab (insgemein Rejs Efendi genennet, oder den oberſten Kanzler) verleſen hoͤret: ſo nimmt derſelbe, wann der Name des Kurons erwaͤhnet wird, ſeinen eigenen Kuron in die Haͤnde, der neben ihm auf einem Kuͤſſen lieget, kuͤſſet ihn, und leget ihn ſodann auf die ehr- erbietigſte Weiſe wieder an ſeinen vorigen Platz; durch welches feierliche Bezeigen er ſtilleſchweigends die Wahrheit ſeines eigenen Kurons, und die Falſchheit des perſiſchen, bekennet. ⁴² Ismaͤil Schah] Dieſes iſt der Koͤ- nig in Perſien, der mit Bajeßid zu gleicher Zeit lebte: der grimmige und ewige Feind des osmaniſchen Hauſes. Wegen ſeiner vor- zuͤglichen Wiſſenſchaft hat man ihn unter die gelehrteſten Fuͤrſten gezaͤhlet, und eben dieſe hat ihm vermuthlich den Beynamen Sofi oder des Weiſen zuwege gebracht *. ⁴³ Gicht in den Haͤnden] Die Chri- ſten ſagen, die Beſchwerung, die Bajeßid von der Gicht gehabt, ſey in den Fuͤßen (das Zipperlein) geweſen. Vielleicht haben ſie beyderſeits Recht: denn dieſe Krankheit grei- fet gemeiniglich Haͤnde und Fuͤße zugleich an. Selim ſetzet ſich dagegen: wird aber von ſeinem Vater geſchla- gen. * [Er war der Stifter des gegenwaͤrtigen koͤniglichen Hauſes in Perſien, und von ihm haben dieſe Koͤnige den Beynamen Sofi bis auf den heutigen Tag behalten.] 2 C

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/287>, abgerufen am 22.11.2024.