Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.6. Murad der II "sein Reich seinem Sohne Muhämmed übergeben, einem jungen Menschen,"der Alters und Verstandes wegen zu Führung bürgerlicher und Kriegesge- "schäffte untüchtig ist. Wenn ihr daher gedenket, das Unrecht, das ihr erlit- "ten habt, iemals zu rächen: so ist nimmermehr eine bequemere Gelegenheit "hierzu zu hoffen. Denn, wenn ich auf der asiatischen, und ihr auf der euro- "päischen Seite zu gleicher Zeit die osmanischen Länder angreifet: so ist kein "Zweifel, wir werden das ganze osmanische Geschlecht in der Geschwindigkeit "ausrotten, und den bedrängten und vertriebenen Fürsten wieder zu ihrer "vorigen Glückseligkeit verhelfen." 25. Der König in Ungarn, der letzthin, die Hand auf das Evange-Einbruch der 26. So große Kriegesheere, die aus so kriegerischen Völkern bestunden,Murad nimmt digtem Kriege sich zum andernmale nach Ma- gnesia zur Ruhe begeben: ferner, daß Mu- hämmed von dem Jahre der Hidschret 847 bis auf das Jahr 850 regieret habe, zu welcher Zeit Murad von den Vornehmen des Reiches abermals zurückberufen, und Muhämmed sei- ner Jugend wegen nach Magnesia gesendet worden, um daselbst für sich zu leben, bis an den Tod seines Vaters; wie dieses aus der Folge der Geschichte ausführlicher erhellen wird. 38 des Pabstes zu Rum] Der unzeiti- [Spaltenumbruch] ge Eifer dieses Mannes ist von den Christen genugsam beweinet worden. Die gemeinen Türken aber (iedoch nicht die gelehrteren) glauben, der Pabst sey unsterblich, und erzäh- len zum Beweise ihrer Meinung eine Fabel: nämlich, ein Pabst wäre von dem Chalifen Amawija mit einem Säbel im Gesichte verwun- det worden, und die Gefangenen hätten die Narbe von dieser Wunde noch zu den gegen- wärtigen Zeiten an den Päbsten wahrgenom- men. So lässet sich dieses leichtgläubige Volk etwas bereden, wenn es gleich zu seiner eige- nen Schande gereichet. Sie * tschehischen.
6. Murad der II “ſein Reich ſeinem Sohne Muhaͤmmed uͤbergeben, einem jungen Menſchen,“der Alters und Verſtandes wegen zu Fuͤhrung buͤrgerlicher und Kriegesge- “ſchaͤffte untuͤchtig iſt. Wenn ihr daher gedenket, das Unrecht, das ihr erlit- “ten habt, iemals zu raͤchen: ſo iſt nimmermehr eine bequemere Gelegenheit “hierzu zu hoffen. Denn, wenn ich auf der aſiatiſchen, und ihr auf der euro- “paͤiſchen Seite zu gleicher Zeit die osmaniſchen Laͤnder angreifet: ſo iſt kein “Zweifel, wir werden das ganze osmaniſche Geſchlecht in der Geſchwindigkeit “ausrotten, und den bedraͤngten und vertriebenen Fuͤrſten wieder zu ihrer “vorigen Gluͤckſeligkeit verhelfen.„ 25. Der Koͤnig in Ungarn, der letzthin, die Hand auf das Evange-Einbruch der 26. So große Kriegesheere, die aus ſo kriegeriſchen Voͤlkern beſtunden,Murad nimmt digtem Kriege ſich zum andernmale nach Ma- gneſia zur Ruhe begeben: ferner, daß Mu- haͤmmed von dem Jahre der Hidſchret 847 bis auf das Jahr 850 regieret habe, zu welcher Zeit Murad von den Vornehmen des Reiches abermals zuruͤckberufen, und Muhaͤmmed ſei- ner Jugend wegen nach Magneſia geſendet worden, um daſelbſt fuͤr ſich zu leben, bis an den Tod ſeines Vaters; wie dieſes aus der Folge der Geſchichte ausfuͤhrlicher erhellen wird. 38 des Pabſtes zu Rum] Der unzeiti- [Spaltenumbruch] ge Eifer dieſes Mannes iſt von den Chriſten genugſam beweinet worden. Die gemeinen Tuͤrken aber (iedoch nicht die gelehrteren) glauben, der Pabſt ſey unſterblich, und erzaͤh- len zum Beweiſe ihrer Meinung eine Fabel: naͤmlich, ein Pabſt waͤre von dem Chalifen Amawija mit einem Saͤbel im Geſichte verwun- det worden, und die Gefangenen haͤtten die Narbe von dieſer Wunde noch zu den gegen- waͤrtigen Zeiten an den Paͤbſten wahrgenom- men. So laͤſſet ſich dieſes leichtglaͤubige Volk etwas bereden, wenn es gleich zu ſeiner eige- nen Schande gereichet. Sie * tſchehiſchen.
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6. Murad der II
“ſein Reich ſeinem Sohne Muhaͤmmed uͤbergeben, einem jungen Menſchen,
“der Alters und Verſtandes wegen zu Fuͤhrung buͤrgerlicher und Kriegesge-
“ſchaͤffte untuͤchtig iſt. Wenn ihr daher gedenket, das Unrecht, das ihr erlit-
“ten habt, iemals zu raͤchen: ſo iſt nimmermehr eine bequemere Gelegenheit
“hierzu zu hoffen. Denn, wenn ich auf der aſiatiſchen, und ihr auf der euro-
“paͤiſchen Seite zu gleicher Zeit die osmaniſchen Laͤnder angreifet: ſo iſt kein
“Zweifel, wir werden das ganze osmaniſche Geſchlecht in der Geſchwindigkeit
“ausrotten, und den bedraͤngten und vertriebenen Fuͤrſten wieder zu ihrer
“vorigen Gluͤckſeligkeit verhelfen.„
25. Der Koͤnig in Ungarn, der letzthin, die Hand auf das Evange-
liumbuch geleget, bey dem unſterblichen Leibe Chriſti geſchworen hatte, den Frie-
densbedingungen nachzuleben, wuͤrde dieſem Vorſchlage nicht leicht Gehoͤr gege-
ben haben, wenn ihn nicht das Anſehen des Pabſtes zu Rum
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verfuͤhret haͤtte.
Auf deſſen Anhetzung alſo, und Losſprechung von ſeinem Eide, verſammelt der-
ſelbe ſein Kriegesheer, zu dem noch die boͤhmiſchen *, polniſchen, lateiniſchen
und bulgariſchen Huͤlfsvoͤlker von Walak Ogli ſtießen, die ſich alle zum Unter-
gange des osmaniſchen Reiches zuſammen verſchworen hatten, und faͤllet damit
in das Gebiet der Muͤſuͤlmanen ein.
Einbruch der
Ungarn, u. ſ. w.
26. So große Kriegesheere, die aus ſo kriegeriſchen Voͤlkern beſtunden,
machten den Chriſten eben ſo viel Muth, als ſie den Muͤſuͤlmanen Schrecken
einjagten. Ihre Furcht nahm zu, wann ſie an die Jugend und Unerfahrenheit
ihres Kaiſers gedachten, und ſie faſſeten daher in einem gehaltenen Rathe den
einmuͤthigen Schluß, Murad wieder zur Verwaltung der Regierung zu berufen.
Sie
digtem Kriege ſich zum andernmale nach Ma-
gneſia zur Ruhe begeben: ferner, daß Mu-
haͤmmed von dem Jahre der Hidſchret 847 bis
auf das Jahr 850 regieret habe, zu welcher
Zeit Murad von den Vornehmen des Reiches
abermals zuruͤckberufen, und Muhaͤmmed ſei-
ner Jugend wegen nach Magneſia geſendet
worden, um daſelbſt fuͤr ſich zu leben, bis an
den Tod ſeines Vaters; wie dieſes aus der
Folge der Geſchichte ausfuͤhrlicher erhellen
wird.
³⁸ des Pabſtes zu Rum] Der unzeiti-
ge Eifer dieſes Mannes iſt von den Chriſten
genugſam beweinet worden. Die gemeinen
Tuͤrken aber (iedoch nicht die gelehrteren)
glauben, der Pabſt ſey unſterblich, und erzaͤh-
len zum Beweiſe ihrer Meinung eine Fabel:
naͤmlich, ein Pabſt waͤre von dem Chalifen
Amawija mit einem Saͤbel im Geſichte verwun-
det worden, und die Gefangenen haͤtten die
Narbe von dieſer Wunde noch zu den gegen-
waͤrtigen Zeiten an den Paͤbſten wahrgenom-
men. So laͤſſet ſich dieſes leichtglaͤubige Volk
etwas bereden, wenn es gleich zu ſeiner eige-
nen Schande gereichet.
Murad nimmt
die Regierung
wieder an.
* tſchehiſchen.
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