Geschichte der Regierung Murads des II, des Sohnes Muhämmeds und sechsten Kaisers der Türken. Des andern Buches viertes Hauptstück.
1.
Muhämmed, der erwähnter maßen im Jahre der HidschretEs stehet ein fal- scher Mustäfa auf. 825 starb, hatte einen Sohn zum Nachfolger, der eines so großen Vaters werth war: nämlich Murad den II,H. 825. J. C. 1422. dessen Alter damals achtzehen Jahre betrug. In diesen seinen jungen Jahren legte derselbe eben so ruhmwürdige als schwere Proben seiner Tugenden ab. Eine Person von niedriger Ankunft (iedoch von dem vorigen Betrieger unterschieden 1) nahm unverschämter Weise den Namen Mustäfas, Bajeßids Sohnes, an, der in der Schlacht mit Temurlenkj durch ein unbekanntes Schicksal ums Leben gekommen war. Dieser Mensch, der sich anfangs ingeheim in der Gegend von Selanikj* aufhielte, erlangte gar bald durch seinen Namen ein so großes Ansehen, daß er nicht allein das gemeine Volk, sondern auch die europäischen Soldaten samt [Spaltenumbruch]
1 von dem vorigen ... unterschieden] Dieses war ein Europäer, und stund zuerst in Thessalien auf: ganz eine andere Person, als die aus Asien, deren vorhin ist gedacht worden. Den Christen ist es zu verzeihen, daß sie dieselbe für den wahren Mustäfa hal- [Spaltenumbruch] ten: weil sie zur selbigen Zeit von türkischen Sachen keine andere Nachricht, als von den Griechen, haben konnten, die, zu Vermeidung nur der mindesten Gefahr, vermuthlich eben sowol einen Bettler für einen König angenom- men hätten.
vielen
* Thessalonich.
Geſchichte der Regierung Murads des II‚ des Sohnes Muhaͤmmeds und ſechsten Kaiſers der Tuͤrken. Des andern Buches viertes Hauptſtuͤck.
1.
Muhaͤmmed, der erwaͤhnter maßen im Jahre der HidſchretEs ſtehet ein fal- ſcher Muſtaͤfa auf. 825 ſtarb, hatte einen Sohn zum Nachfolger, der eines ſo großen Vaters werth war: naͤmlich Murad den II‚H. 825. J. C. 1422. deſſen Alter damals achtzehen Jahre betrug. In dieſen ſeinen jungen Jahren legte derſelbe eben ſo ruhmwuͤrdige als ſchwere Proben ſeiner Tugenden ab. Eine Perſon von niedriger Ankunft (iedoch von dem vorigen Betrieger unterſchieden 1) nahm unverſchaͤmter Weiſe den Namen Muſtaͤfas, Bajeßids Sohnes, an, der in der Schlacht mit Temurlenkj durch ein unbekanntes Schickſal ums Leben gekommen war. Dieſer Menſch, der ſich anfangs ingeheim in der Gegend von Selanikj* aufhielte, erlangte gar bald durch ſeinen Namen ein ſo großes Anſehen, daß er nicht allein das gemeine Volk, ſondern auch die europaͤiſchen Soldaten ſamt [Spaltenumbruch]
1 von dem vorigen ... unterſchieden] Dieſes war ein Europaͤer, und ſtund zuerſt in Theſſalien auf: ganz eine andere Perſon, als die aus Aſien, deren vorhin iſt gedacht worden. Den Chriſten iſt es zu verzeihen, daß ſie dieſelbe fuͤr den wahren Muſtaͤfa hal- [Spaltenumbruch] ten: weil ſie zur ſelbigen Zeit von tuͤrkiſchen Sachen keine andere Nachricht, als von den Griechen, haben konnten, die, zu Vermeidung nur der mindeſten Gefahr, vermuthlich eben ſowol einen Bettler fuͤr einen Koͤnig angenom- men haͤtten.
vielen
* Theſſalonich.
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Geſchichte
der Regierung Murads des II‚
des Sohnes Muhaͤmmeds
und ſechsten Kaiſers der Tuͤrken.
Des andern Buches viertes Hauptſtuͤck.
1.
Muhaͤmmed, der erwaͤhnter maßen im Jahre der Hidſchret
825 ſtarb, hatte einen Sohn zum Nachfolger, der eines
ſo großen Vaters werth war: naͤmlich Murad den II‚
deſſen Alter damals achtzehen Jahre betrug. In dieſen
ſeinen jungen Jahren legte derſelbe eben ſo ruhmwuͤrdige
als ſchwere Proben ſeiner Tugenden ab. Eine Perſon
von niedriger Ankunft (iedoch von dem vorigen Betrieger unterſchieden
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) nahm
unverſchaͤmter Weiſe den Namen Muſtaͤfas, Bajeßids Sohnes, an, der in der
Schlacht mit Temurlenkj durch ein unbekanntes Schickſal ums Leben gekommen
war. Dieſer Menſch, der ſich anfangs ingeheim in der Gegend von Selanikj *
aufhielte, erlangte gar bald durch ſeinen Namen ein ſo großes Anſehen, daß
er nicht allein das gemeine Volk, ſondern auch die europaͤiſchen Soldaten ſamt
vielen
¹ von dem vorigen ... unterſchieden]
Dieſes war ein Europaͤer, und ſtund zuerſt
in Theſſalien auf: ganz eine andere Perſon,
als die aus Aſien, deren vorhin iſt gedacht
worden. Den Chriſten iſt es zu verzeihen,
daß ſie dieſelbe fuͤr den wahren Muſtaͤfa hal-
ten: weil ſie zur ſelbigen Zeit von tuͤrkiſchen
Sachen keine andere Nachricht, als von den
Griechen, haben konnten, die, zu Vermeidung
nur der mindeſten Gefahr, vermuthlich eben
ſowol einen Bettler fuͤr einen Koͤnig angenom-
men haͤtten.
Es ſtehet ein fal-
ſcher Muſtaͤfa
auf.
H. 825.
J. C. 1422.
* Theſſalonich.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/193>, abgerufen am 27.11.2024.
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