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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
welcher gefan-
gen und aufge-henket wird.
10.

Weil dieser Aufstand sich täglich vermehrete: so schiene es, als wenn
derselbe dem osmanischen Reiche große Zerrüttung drohete; sonderlich als man
sahe, daß Peder Uelledin, um die andern in dem Betruge zu stärken, seinen
vormaligen Knecht als seinen Herrn verehrete. Daher erachtete der Kaiser es
als eine Sache von der äußersten Wichtigkeit für die Osmanen, daß dieser
Aufruhr in seiner Geburt ersticket würde, und führete seine Völker ungesäumt
von Adrianopel nach Asien, da er den Betrieger noch über der Belagerung von
Nicäa antraf. Der verstellte Mustäfa hatte die Frechheit, daß er die Belage-
rung aufhob und mit seinen Anhängern Muhämmed entgegen ging: er wurde
aber gleich bey dem ersten Angriffe von dem kaiserlichen Kriegsheere überwun-
den und in die Flucht getrieben. Ein Theil seiner Leute wurde erschlagen und
[Spaltenumbruch]

14 Semidine Ogli] Ein Geschlechts-
name des vorhin gedachten Peder Uelledins,
der so viel heißet, als Semidines Sohn.
15 Eskji Gjeliboli] Das alte Kallipolis
scheinet eine Festung an der Meerenge der
Dardanellen gewesen zu seyn, die itzo entwe-
der zerstöret ist, oder sich unter einem neuen
und barbarischen Namen verloren hat.
16 Rumilien] Die Bedeutung dieses Wor-
tes bey den Türken ist bereits oben im 2 Haupt-
stücke (30 S. 20 Anm.), imgleichen im 4
Hauptstücke (49 S. 5 Anm.) erkläret wor-
den. Hier aber wird es nicht undienlich seyn,
noch eine genauere Nachricht von diesem Na-
men zu geben. So lange die Chalifen der
Araber (oder, wie sie insgemein von den
Christen genennet werden, der Saracenen)
sich um den Euphrat herum aufhielten, und
ihre Herrschaft noch nicht durch Natolien aus-
gebreitet hatten: so hießen dieselben alle die-
jenigen Länder, die zu dem römisch- griechi-
schen Reiche gehöreten, Rum-ili, das ist, das
Land der Römer; vermuthlich weil die Besit-
zer davon sich selbst [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] oder Römer
nenneten, wie ihre Nachfolger noch bis auf
den heutigen Tag thun. Diese meine Mei-
[Spaltenumbruch]
nung bekommt, außer der Beystimmung und
dem Zeugnisse der einheimischen Schriftsteller,
noch einen bestärkenden Beweis von dem Na-
men der Stadt Erßirum (in Großarmenien
gelegen), die als eine Vormauer dem Ein-
bruche der Unglaubigen lange Zeit widerstan-
den, und ihre Wut von den übrigen asiati-
schen Ländern viele Jahre hindurch abgehalten
hat. Denn derselbe ist zusammengesetzet von
dem arabischen Worte Erß, Land, und Rum,
Rom; als wenn man sagte: das Land oder
Gebiet der Römer. Nachdem aber die Ara-
ber ganz Natolien unter ihre Gewalt gebracht
hatten (dazu sie bequeme Gelegenheit fanden,
als die griechischen Kaiser mit den lateinischen
Krieg führeten): so wurde mit der Vermin-
derung des römischen Reiches die Benennung
desselben ebenfals eingeschränket, und endlich
nur auf denjenigen Theil von Europa gezo-
gen, der dem osmanischen Reiche unterworfen
ist. Inzwischen ist es doch bey den türki-
schen Erdbeschreibern gewöhnlich, ganz Eu-
ropa unter dem Namen Rum zu begreifen:
daher heißet zum Beyspiele Rumden Anado-
lije gjetschmekj; aus Europa nach Asien hin-
über gehen: gleichwie Anadolden Rume; aus
Asien in Europa. Hieraus ist nun eine fünf-
fache Bedeutung des Wortes Rum-ili, oder,

der
Osmaniſche Geſchichte
welcher gefan-
gen und aufge-henket wird.
10.

Weil dieſer Aufſtand ſich taͤglich vermehrete: ſo ſchiene es, als wenn
derſelbe dem osmaniſchen Reiche große Zerruͤttung drohete; ſonderlich als man
ſahe, daß Peder Uelledin, um die andern in dem Betruge zu ſtaͤrken, ſeinen
vormaligen Knecht als ſeinen Herrn verehrete. Daher erachtete der Kaiſer es
als eine Sache von der aͤußerſten Wichtigkeit fuͤr die Osmanen, daß dieſer
Aufruhr in ſeiner Geburt erſticket wuͤrde, und fuͤhrete ſeine Voͤlker ungeſaͤumt
von Adrianopel nach Aſien, da er den Betrieger noch uͤber der Belagerung von
Nicaͤa antraf. Der verſtellte Muſtaͤfa hatte die Frechheit, daß er die Belage-
rung aufhob und mit ſeinen Anhaͤngern Muhaͤmmed entgegen ging: er wurde
aber gleich bey dem erſten Angriffe von dem kaiſerlichen Kriegsheere uͤberwun-
den und in die Flucht getrieben. Ein Theil ſeiner Leute wurde erſchlagen und
[Spaltenumbruch]

14 Semidine Ogli] Ein Geſchlechts-
name des vorhin gedachten Peder Uelledins,
der ſo viel heißet, als Semidines Sohn.
15 Eskji Gjeliboli] Das alte Kallipolis
ſcheinet eine Feſtung an der Meerenge der
Dardanellen geweſen zu ſeyn, die itzo entwe-
der zerſtoͤret iſt, oder ſich unter einem neuen
und barbariſchen Namen verloren hat.
16 Rumilien] Die Bedeutung dieſes Wor-
tes bey den Tuͤrken iſt bereits oben im 2 Haupt-
ſtuͤcke (30 S. 20 Anm.), imgleichen im 4
Hauptſtuͤcke (49 S. 5 Anm.) erklaͤret wor-
den. Hier aber wird es nicht undienlich ſeyn,
noch eine genauere Nachricht von dieſem Na-
men zu geben. So lange die Chalifen der
Araber (oder, wie ſie insgemein von den
Chriſten genennet werden, der Saracenen)
ſich um den Euphrat herum aufhielten, und
ihre Herrſchaft noch nicht durch Natolien aus-
gebreitet hatten: ſo hießen dieſelben alle die-
jenigen Laͤnder, die zu dem roͤmiſch- griechi-
ſchen Reiche gehoͤreten, Rum-ili, das iſt, das
Land der Roͤmer; vermuthlich weil die Beſit-
zer davon ſich ſelbſt [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] oder Roͤmer
nenneten, wie ihre Nachfolger noch bis auf
den heutigen Tag thun. Dieſe meine Mei-
[Spaltenumbruch]
nung bekommt, außer der Beyſtimmung und
dem Zeugniſſe der einheimiſchen Schriftſteller,
noch einen beſtaͤrkenden Beweis von dem Na-
men der Stadt Erßirum (in Großarmenien
gelegen), die als eine Vormauer dem Ein-
bruche der Unglaubigen lange Zeit widerſtan-
den, und ihre Wut von den uͤbrigen aſiati-
ſchen Laͤndern viele Jahre hindurch abgehalten
hat. Denn derſelbe iſt zuſammengeſetzet von
dem arabiſchen Worte Erß, Land, und Rum,
Rom; als wenn man ſagte: das Land oder
Gebiet der Roͤmer. Nachdem aber die Ara-
ber ganz Natolien unter ihre Gewalt gebracht
hatten (dazu ſie bequeme Gelegenheit fanden,
als die griechiſchen Kaiſer mit den lateiniſchen
Krieg fuͤhreten): ſo wurde mit der Vermin-
derung des roͤmiſchen Reiches die Benennung
deſſelben ebenfals eingeſchraͤnket, und endlich
nur auf denjenigen Theil von Europa gezo-
gen, der dem osmaniſchen Reiche unterworfen
iſt. Inzwiſchen iſt es doch bey den tuͤrki-
ſchen Erdbeſchreibern gewoͤhnlich, ganz Eu-
ropa unter dem Namen Rum zu begreifen:
daher heißet zum Beyſpiele Rumden Anado-
lije gjetſchmekj; aus Europa nach Aſien hin-
uͤber gehen: gleichwie Anadolden Rume; aus
Aſien in Europa. Hieraus iſt nun eine fuͤnf-
fache Bedeutung des Wortes Rum-ili, oder,

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[106/0186] Osmaniſche Geſchichte 10. Weil dieſer Aufſtand ſich taͤglich vermehrete: ſo ſchiene es, als wenn derſelbe dem osmaniſchen Reiche große Zerruͤttung drohete; ſonderlich als man ſahe, daß Peder Uelledin, um die andern in dem Betruge zu ſtaͤrken, ſeinen vormaligen Knecht als ſeinen Herrn verehrete. Daher erachtete der Kaiſer es als eine Sache von der aͤußerſten Wichtigkeit fuͤr die Osmanen, daß dieſer Aufruhr in ſeiner Geburt erſticket wuͤrde, und fuͤhrete ſeine Voͤlker ungeſaͤumt von Adrianopel nach Aſien, da er den Betrieger noch uͤber der Belagerung von Nicaͤa antraf. Der verſtellte Muſtaͤfa hatte die Frechheit, daß er die Belage- rung aufhob und mit ſeinen Anhaͤngern Muhaͤmmed entgegen ging: er wurde aber gleich bey dem erſten Angriffe von dem kaiſerlichen Kriegsheere uͤberwun- den und in die Flucht getrieben. Ein Theil ſeiner Leute wurde erſchlagen und der ¹⁴ Semidine Ogli] Ein Geſchlechts- name des vorhin gedachten Peder Uelledins, der ſo viel heißet, als Semidines Sohn. ¹⁵ Eskji Gjeliboli] Das alte Kallipolis ſcheinet eine Feſtung an der Meerenge der Dardanellen geweſen zu ſeyn, die itzo entwe- der zerſtoͤret iſt, oder ſich unter einem neuen und barbariſchen Namen verloren hat. ¹⁶ Rumilien] Die Bedeutung dieſes Wor- tes bey den Tuͤrken iſt bereits oben im 2 Haupt- ſtuͤcke (30 S. 20 Anm.), imgleichen im 4 Hauptſtuͤcke (49 S. 5 Anm.) erklaͤret wor- den. Hier aber wird es nicht undienlich ſeyn, noch eine genauere Nachricht von dieſem Na- men zu geben. So lange die Chalifen der Araber (oder, wie ſie insgemein von den Chriſten genennet werden, der Saracenen) ſich um den Euphrat herum aufhielten, und ihre Herrſchaft noch nicht durch Natolien aus- gebreitet hatten: ſo hießen dieſelben alle die- jenigen Laͤnder, die zu dem roͤmiſch- griechi- ſchen Reiche gehoͤreten, Rum-ili, das iſt, das Land der Roͤmer; vermuthlich weil die Beſit- zer davon ſich ſelbſt _ oder Roͤmer nenneten, wie ihre Nachfolger noch bis auf den heutigen Tag thun. Dieſe meine Mei- nung bekommt, außer der Beyſtimmung und dem Zeugniſſe der einheimiſchen Schriftſteller, noch einen beſtaͤrkenden Beweis von dem Na- men der Stadt Erßirum (in Großarmenien gelegen), die als eine Vormauer dem Ein- bruche der Unglaubigen lange Zeit widerſtan- den, und ihre Wut von den uͤbrigen aſiati- ſchen Laͤndern viele Jahre hindurch abgehalten hat. Denn derſelbe iſt zuſammengeſetzet von dem arabiſchen Worte Erß, Land, und Rum, Rom; als wenn man ſagte: das Land oder Gebiet der Roͤmer. Nachdem aber die Ara- ber ganz Natolien unter ihre Gewalt gebracht hatten (dazu ſie bequeme Gelegenheit fanden, als die griechiſchen Kaiſer mit den lateiniſchen Krieg fuͤhreten): ſo wurde mit der Vermin- derung des roͤmiſchen Reiches die Benennung deſſelben ebenfals eingeſchraͤnket, und endlich nur auf denjenigen Theil von Europa gezo- gen, der dem osmaniſchen Reiche unterworfen iſt. Inzwiſchen iſt es doch bey den tuͤrki- ſchen Erdbeſchreibern gewoͤhnlich, ganz Eu- ropa unter dem Namen Rum zu begreifen: daher heißet zum Beyſpiele Rumden Anado- lije gjetſchmekj; aus Europa nach Aſien hin- uͤber gehen: gleichwie Anadolden Rume; aus Aſien in Europa. Hieraus iſt nun eine fuͤnf- fache Bedeutung des Wortes Rum-ili, oder, wie

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/186>, abgerufen am 23.11.2024.