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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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5. Muhämmed der I
gab ihm dieser wegen seiner Bundbrüchigkeit folgenden Verweis. "Ich,"
sagte derselbe, "als ein Monarch, der eben so gerecht als siegreich ist, will und
"befehle hiemit wegen deiner, du Ungerechter und Ueberwundener, daß du
"sicher und frey seyn sollst: denn es kann nicht mit der Ehre eines Kaisers be-
"stehen, bösen und ruchlosen Leuten gleiches mit gleichem zu vergelten. Für
"einen Menschen, wie du bist, schickte es sich, eine solche Untreue, wie sie dir
"dein Gemüth eingab, zu begehen: und mir gebühret es, meiner Majestät
"und Großmuth 5 gemäß zu handeln." Mit diesem Verweise ließ er ihn los
und gab ihm seine Länder wieder: nur daß er in die Städte Siwrihisar,
Nüktejdak, Jeng-ischehri, Sejdischehri, Numad, Sajdül und Ajn Besatzung
legte.

7.

Als Karaman solchergestalt ein Zaum angeleget war: so hielte esIsfendijarbegj
wird überwun-
den und umge-
bracht.

Muhämmed für rathsam, den Fürsten von Kastamoni, Isfendijarbegj, den
Mitverbundenen desselben in dem Verrathe, zu züchtigen, und nahm die vor-
nehmsten und bestbefestigten Städte der Landschaften Kastamoni und Dschanik
ein. Im folgenden Jahre stellete er noch ein größeres Kriegsheer ins Feld,
brachte damit die Städte Buri, Dschiga, Tosia, Bakirkuresi, nebst Tschan-
giri, da Isfendijarbegj seinen Sitz hatte, unter seine Gewalt, und theilte die
großen Schätze dieses Fürsten unter seine Soldaten 6 aus. Um eben diese Zeit
bauete er zu Amasia 7 einen herrlichen Dschami.

[Spaltenumbruch]
gezogen werden, welches bey ihnen für eine
Todsünde geachtet wird.
5 Großmuth] Man wird vielleicht er-
staunen, daß so große Gnade und ein solches
recht königliches Gemüth bey einem barbari-
schen Fürsten zu finden seyn solle. Allein,
man hat es längst zum Sprichworte gemacht:
Griechenland sey nicht mehr in Griechenland
anzutreffen; imgleichen, eben so viel Barbarn
seyen Griechen, als Griechen Barbarn gewor-
den seyen. Denn diejenigen sind bey mir
keine Griechen, die in Griechenland geboren
sind: sondern diejenigen, die die Wissenschaf-
ten und Lebensregeln der Griechen sich selbst
eigen gemacht haben. Isokrates saget mit
[Spaltenumbruch]
Recht in einer seiner Lobreden: "Ich hätte
"vielmehr diejenigen Griechen nennen sollen,
"die unsere Lehren angenommen haben, als
"diejenigen, die bloß dasselbe Vaterland und
"dieselbe Natur mit uns gemein haben."
6 unter seine Soldaten] Bey den
türkischen Kaisern ist es gewöhnlich, daß sie
ihren Soldaten alle und iede Güter des Fein-
des versprechen (außer wenn die Stadt durch
Uebergabe gewonnen wird), und sich selbst
nichts, als die Stadtmauren und die Regie-
rung, vorbehalten. Es ist kaum zu beschrei-
ben, was für feurigen Muth dieses Leuten
machet, die schon von Natur auf Beute und
Raub begierig sind.
8. Nachdem

5. Muhaͤmmed der I
gab ihm dieſer wegen ſeiner Bundbruͤchigkeit folgenden Verweis. “Ich,„
ſagte derſelbe, “als ein Monarch, der eben ſo gerecht als ſiegreich iſt, will und
“befehle hiemit wegen deiner, du Ungerechter und Ueberwundener, daß du
“ſicher und frey ſeyn ſollſt: denn es kann nicht mit der Ehre eines Kaiſers be-
“ſtehen, boͤſen und ruchloſen Leuten gleiches mit gleichem zu vergelten. Fuͤr
“einen Menſchen, wie du biſt, ſchickte es ſich, eine ſolche Untreue, wie ſie dir
“dein Gemuͤth eingab, zu begehen: und mir gebuͤhret es, meiner Majeſtaͤt
“und Großmuth 5 gemaͤß zu handeln.„ Mit dieſem Verweiſe ließ er ihn los
und gab ihm ſeine Laͤnder wieder: nur daß er in die Staͤdte Siwrihiſar,
Nuͤktejdak, Jeng-iſchehri, Sejdiſchehri, Numad, Sajduͤl und Ajn Beſatzung
legte.

7.

Als Karaman ſolchergeſtalt ein Zaum angeleget war: ſo hielte esIsfendijarbegj
wird uͤberwun-
den und umge-
bracht.

Muhaͤmmed fuͤr rathſam, den Fuͤrſten von Kaſtamoni, Isfendijarbegj, den
Mitverbundenen deſſelben in dem Verrathe, zu zuͤchtigen, und nahm die vor-
nehmſten und beſtbefeſtigten Staͤdte der Landſchaften Kaſtamoni und Dſchanik
ein. Im folgenden Jahre ſtellete er noch ein groͤßeres Kriegsheer ins Feld,
brachte damit die Staͤdte Buri, Dſchiga, Toſia, Bakirkureſi, nebſt Tſchan-
giri, da Isfendijarbegj ſeinen Sitz hatte, unter ſeine Gewalt, und theilte die
großen Schaͤtze dieſes Fuͤrſten unter ſeine Soldaten 6 aus. Um eben dieſe Zeit
bauete er zu Amaſia 7 einen herrlichen Dſchami.

[Spaltenumbruch]
gezogen werden, welches bey ihnen fuͤr eine
Todſuͤnde geachtet wird.
5 Großmuth] Man wird vielleicht er-
ſtaunen, daß ſo große Gnade und ein ſolches
recht koͤnigliches Gemuͤth bey einem barbari-
ſchen Fuͤrſten zu finden ſeyn ſolle. Allein,
man hat es laͤngſt zum Sprichworte gemacht:
Griechenland ſey nicht mehr in Griechenland
anzutreffen; imgleichen, eben ſo viel Barbarn
ſeyen Griechen, als Griechen Barbarn gewor-
den ſeyen. Denn diejenigen ſind bey mir
keine Griechen, die in Griechenland geboren
ſind: ſondern diejenigen, die die Wiſſenſchaf-
ten und Lebensregeln der Griechen ſich ſelbſt
eigen gemacht haben. Iſokrates ſaget mit
[Spaltenumbruch]
Recht in einer ſeiner Lobreden: “Ich haͤtte
“vielmehr diejenigen Griechen nennen ſollen,
“die unſere Lehren angenommen haben, als
“diejenigen, die bloß daſſelbe Vaterland und
“dieſelbe Natur mit uns gemein haben.„
6 unter ſeine Soldaten] Bey den
tuͤrkiſchen Kaiſern iſt es gewoͤhnlich, daß ſie
ihren Soldaten alle und iede Guͤter des Fein-
des verſprechen (außer wenn die Stadt durch
Uebergabe gewonnen wird), und ſich ſelbſt
nichts, als die Stadtmauren und die Regie-
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Raub begierig ſind.
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[103/0183] 5. Muhaͤmmed der I gab ihm dieſer wegen ſeiner Bundbruͤchigkeit folgenden Verweis. “Ich,„ ſagte derſelbe, “als ein Monarch, der eben ſo gerecht als ſiegreich iſt, will und “befehle hiemit wegen deiner, du Ungerechter und Ueberwundener, daß du “ſicher und frey ſeyn ſollſt: denn es kann nicht mit der Ehre eines Kaiſers be- “ſtehen, boͤſen und ruchloſen Leuten gleiches mit gleichem zu vergelten. Fuͤr “einen Menſchen, wie du biſt, ſchickte es ſich, eine ſolche Untreue, wie ſie dir “dein Gemuͤth eingab, zu begehen: und mir gebuͤhret es, meiner Majeſtaͤt “und Großmuth ⁵ gemaͤß zu handeln.„ Mit dieſem Verweiſe ließ er ihn los und gab ihm ſeine Laͤnder wieder: nur daß er in die Staͤdte Siwrihiſar, Nuͤktejdak, Jeng-iſchehri, Sejdiſchehri, Numad, Sajduͤl und Ajn Beſatzung legte. 7. Als Karaman ſolchergeſtalt ein Zaum angeleget war: ſo hielte es Muhaͤmmed fuͤr rathſam, den Fuͤrſten von Kaſtamoni, Isfendijarbegj, den Mitverbundenen deſſelben in dem Verrathe, zu zuͤchtigen, und nahm die vor- nehmſten und beſtbefeſtigten Staͤdte der Landſchaften Kaſtamoni und Dſchanik ein. Im folgenden Jahre ſtellete er noch ein groͤßeres Kriegsheer ins Feld, brachte damit die Staͤdte Buri, Dſchiga, Toſia, Bakirkureſi, nebſt Tſchan- giri, da Isfendijarbegj ſeinen Sitz hatte, unter ſeine Gewalt, und theilte die großen Schaͤtze dieſes Fuͤrſten unter ſeine Soldaten ⁶ aus. Um eben dieſe Zeit bauete er zu Amaſia ⁷ einen herrlichen Dſchami. Isfendijarbegj wird uͤberwun- den und umge- bracht. 8. Nachdem gezogen werden, welches bey ihnen fuͤr eine Todſuͤnde geachtet wird. ⁵ Großmuth] Man wird vielleicht er- ſtaunen, daß ſo große Gnade und ein ſolches recht koͤnigliches Gemuͤth bey einem barbari- ſchen Fuͤrſten zu finden ſeyn ſolle. Allein, man hat es laͤngſt zum Sprichworte gemacht: Griechenland ſey nicht mehr in Griechenland anzutreffen; imgleichen, eben ſo viel Barbarn ſeyen Griechen, als Griechen Barbarn gewor- den ſeyen. Denn diejenigen ſind bey mir keine Griechen, die in Griechenland geboren ſind: ſondern diejenigen, die die Wiſſenſchaf- ten und Lebensregeln der Griechen ſich ſelbſt eigen gemacht haben. Iſokrates ſaget mit Recht in einer ſeiner Lobreden: “Ich haͤtte “vielmehr diejenigen Griechen nennen ſollen, “die unſere Lehren angenommen haben, als “diejenigen, die bloß daſſelbe Vaterland und “dieſelbe Natur mit uns gemein haben.„ ⁶ unter ſeine Soldaten] Bey den tuͤrkiſchen Kaiſern iſt es gewoͤhnlich, daß ſie ihren Soldaten alle und iede Guͤter des Fein- des verſprechen (außer wenn die Stadt durch Uebergabe gewonnen wird), und ſich ſelbſt nichts, als die Stadtmauren und die Regie- rung, vorbehalten. Es iſt kaum zu beſchrei- ben, was fuͤr feurigen Muth dieſes Leuten machet, die ſchon von Natur auf Beute und Raub begierig ſind.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/183>, abgerufen am 23.11.2024.