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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
stund, demselben abtrünnig, wegen gewisser Beleidigungen, die er von ihm
empfangen hatte, und wendete sich zu Bajeßid. Dieser reißet unter seiner An-
führung die Landschaften Ilbistan, Malatia, Dijürge und Nehbi von dem
ägyptischen Reiche ab, und verknüpfet sie an das seinige. Bey seiner Rück-
kunft von diesem Feldzuge fället er in das Land Oßerbedschan 19 ein, das Tah-
rinbegj 20 unterworfen war, überwindet den Satrap oder Statthalter dieser
Landschaft, und leget ihm einen schweren jährlichen Tribut auf. Dessen unge-
achtet giebt Jildirim Bajeßid, entweder aus Gnade, oder in Ansehung des
schweren Tributs, die Landschaft Tahrinbegj wieder zurück. Kurz hierauf
bekommt Bajeßid gegen die Treue dieses Fürsten einen Verdacht, ob er gleich
den Tribut auf dasselbe Jahr bezahlete, und führet seine Gemalinn und zweene
[Spaltenumbruch]
19 Oßerbedschan] Man sehe oben die
11 Anmerkung, auf der 9 Seite.
20 Tahrinbegj] Dieses war auch einer
von den persischen Statthaltern, der das
Joch des persischen Reiches, als dasselbe durch
die häufigen Einfälle der Tatarn geschwächet
war, abschüttelte.
21 nicht weit von Prusa] Die meisten
unter den christlichen Schriftstellern berichten
uns, daß dieses Treffen an dem Ufer des Eu-
phrats vorgegangen sey. Allein, das ein-
hällige Zeugniß aller türkischen Geschichtschrei-
ber, daß Temurlenkj gleich nach dem Treffen
in Prusa, die Hauptstadt in Bithynien, ein-
gezogen sey, beweiset klar und deutlich, daß es
in der Ebene dieser Stadt ist gehalten worden.
Nun ist aber den Erdbeschreibern wohl be-
kannt, wie weit dieselbe von Mesopotamien
gelegen ist. Diese unsere Meinung wird
noch weiter dadurch bestätiget, daß die ge-
dachten Geschichtschreiber hinzufügen: Te-
murlenkj sey vor Anhebung der Schlacht mit
seinem Lager bey Jeng-ischehir oder Neapolis
in Kleinasien gestanden, und habe daselbst
drey Tage mit dem türkischen Aesop, Naser-
üddin Chodsche, zugebracht, der ihn mit sei-
[Spaltenumbruch]
nen Fabeln dergestalt vergnüget, daß er die
Stadt frey und unangefochten gelassen habe.
Den Begierigen zu Gefallen will ich hier eine
Ausschweifung machen, und aus einem Bu-
che, das in türkischer Sprache geschrieben ist,
einige besondern Umstände von diesem Manne
mittheilen. Die Bürger zu Jeng-ischehir
(da Naserüddin sich aufhielte) schickten sich
an, ihre Stadt zu vertheidigen, als sie höreten,
daß Temurlenkj gegen dieselbe anrückte. Na-
serüddin widerräth ihnen dieses ernstlich, und
erbietet sich, sich selbst als Abgeordneten zu
Temurlenkj gebrauchen zu lassen. Als er
von Hause weggehen will: so stehet er einiger
maßen bey sich an, was für ein Geschenke
das schicklichste seyn möchte, den Feind zu
besänftigen, und dessen Gewogenheit sowol
für sich selbst als für seine Mitbürger zu er-
werben. Endlich wird er schlüssig, daß es
Früchte seyn müßten. Doch, saget er, Rath
zur Zeit der Noth ist eine gute Sache: ich
will also meine Frau vorher um Rath fragen.
"Was sollte wol," saget er zu ihr, "Te-
"murlenkj am angenehmsten seyn, Feigen
"oder Quitten? Quitten," antwortete
sie; "denn diese sind größer und schöner,
"und also ist es meiner Meinung nach glaub-
"lich, daß sie auch angenehmer seyn wer-

Söhne

Osmaniſche Geſchichte
ſtund, demſelben abtruͤnnig, wegen gewiſſer Beleidigungen, die er von ihm
empfangen hatte, und wendete ſich zu Bajeßid. Dieſer reißet unter ſeiner An-
fuͤhrung die Landſchaften Ilbiſtan, Malatia, Dijuͤrge und Nehbi von dem
aͤgyptiſchen Reiche ab, und verknuͤpfet ſie an das ſeinige. Bey ſeiner Ruͤck-
kunft von dieſem Feldzuge faͤllet er in das Land Oßerbedſchan 19 ein, das Tah-
rinbegj 20 unterworfen war, uͤberwindet den Satrap oder Statthalter dieſer
Landſchaft, und leget ihm einen ſchweren jaͤhrlichen Tribut auf. Deſſen unge-
achtet giebt Jildirim Bajeßid, entweder aus Gnade, oder in Anſehung des
ſchweren Tributs, die Landſchaft Tahrinbegj wieder zuruͤck. Kurz hierauf
bekommt Bajeßid gegen die Treue dieſes Fuͤrſten einen Verdacht, ob er gleich
den Tribut auf daſſelbe Jahr bezahlete, und fuͤhret ſeine Gemalinn und zweene
[Spaltenumbruch]
19 Oßerbedſchan] Man ſehe oben die
11 Anmerkung, auf der 9 Seite.
20 Tahrinbegj] Dieſes war auch einer
von den perſiſchen Statthaltern, der das
Joch des perſiſchen Reiches, als daſſelbe durch
die haͤufigen Einfaͤlle der Tatarn geſchwaͤchet
war, abſchuͤttelte.
21 nicht weit von Pruſa] Die meiſten
unter den chriſtlichen Schriftſtellern berichten
uns, daß dieſes Treffen an dem Ufer des Eu-
phrats vorgegangen ſey. Allein, das ein-
haͤllige Zeugniß aller tuͤrkiſchen Geſchichtſchrei-
ber, daß Temurlenkj gleich nach dem Treffen
in Pruſa, die Hauptſtadt in Bithynien, ein-
gezogen ſey, beweiſet klar und deutlich, daß es
in der Ebene dieſer Stadt iſt gehalten worden.
Nun iſt aber den Erdbeſchreibern wohl be-
kannt, wie weit dieſelbe von Meſopotamien
gelegen iſt. Dieſe unſere Meinung wird
noch weiter dadurch beſtaͤtiget, daß die ge-
dachten Geſchichtſchreiber hinzufuͤgen: Te-
murlenkj ſey vor Anhebung der Schlacht mit
ſeinem Lager bey Jeng-iſchehir oder Neapolis
in Kleinaſien geſtanden, und habe daſelbſt
drey Tage mit dem tuͤrkiſchen Aeſop, Naſer-
uͤddin Chodſche, zugebracht, der ihn mit ſei-
[Spaltenumbruch]
nen Fabeln dergeſtalt vergnuͤget, daß er die
Stadt frey und unangefochten gelaſſen habe.
Den Begierigen zu Gefallen will ich hier eine
Ausſchweifung machen, und aus einem Bu-
che, das in tuͤrkiſcher Sprache geſchrieben iſt,
einige beſondern Umſtaͤnde von dieſem Manne
mittheilen. Die Buͤrger zu Jeng-iſchehir
(da Naſeruͤddin ſich aufhielte) ſchickten ſich
an, ihre Stadt zu vertheidigen, als ſie hoͤreten,
daß Temurlenkj gegen dieſelbe anruͤckte. Na-
ſeruͤddin widerraͤth ihnen dieſes ernſtlich, und
erbietet ſich, ſich ſelbſt als Abgeordneten zu
Temurlenkj gebrauchen zu laſſen. Als er
von Hauſe weggehen will: ſo ſtehet er einiger
maßen bey ſich an, was fuͤr ein Geſchenke
das ſchicklichſte ſeyn moͤchte, den Feind zu
beſaͤnftigen, und deſſen Gewogenheit ſowol
fuͤr ſich ſelbſt als fuͤr ſeine Mitbuͤrger zu er-
werben. Endlich wird er ſchluͤſſig, daß es
Fruͤchte ſeyn muͤßten. Doch, ſaget er, Rath
zur Zeit der Noth iſt eine gute Sache: ich
will alſo meine Frau vorher um Rath fragen.
“Was ſollte wol,„ ſaget er zu ihr, “Te-
“murlenkj am angenehmſten ſeyn, Feigen
“oder Quitten? Quitten,„ antwortete
ſie; “denn dieſe ſind groͤßer und ſchoͤner,
“und alſo iſt es meiner Meinung nach glaub-
“lich, daß ſie auch angenehmer ſeyn wer-

Soͤhne
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[76/0154] Osmaniſche Geſchichte ſtund, demſelben abtruͤnnig, wegen gewiſſer Beleidigungen, die er von ihm empfangen hatte, und wendete ſich zu Bajeßid. Dieſer reißet unter ſeiner An- fuͤhrung die Landſchaften Ilbiſtan, Malatia, Dijuͤrge und Nehbi von dem aͤgyptiſchen Reiche ab, und verknuͤpfet ſie an das ſeinige. Bey ſeiner Ruͤck- kunft von dieſem Feldzuge faͤllet er in das Land Oßerbedſchan ¹⁹ ein, das Tah- rinbegj ²⁰ unterworfen war, uͤberwindet den Satrap oder Statthalter dieſer Landſchaft, und leget ihm einen ſchweren jaͤhrlichen Tribut auf. Deſſen unge- achtet giebt Jildirim Bajeßid, entweder aus Gnade, oder in Anſehung des ſchweren Tributs, die Landſchaft Tahrinbegj wieder zuruͤck. Kurz hierauf bekommt Bajeßid gegen die Treue dieſes Fuͤrſten einen Verdacht, ob er gleich den Tribut auf daſſelbe Jahr bezahlete, und fuͤhret ſeine Gemalinn und zweene Soͤhne ¹⁹ Oßerbedſchan] Man ſehe oben die 11 Anmerkung, auf der 9 Seite. ²⁰ Tahrinbegj] Dieſes war auch einer von den perſiſchen Statthaltern, der das Joch des perſiſchen Reiches, als daſſelbe durch die haͤufigen Einfaͤlle der Tatarn geſchwaͤchet war, abſchuͤttelte. ²¹ nicht weit von Pruſa] Die meiſten unter den chriſtlichen Schriftſtellern berichten uns, daß dieſes Treffen an dem Ufer des Eu- phrats vorgegangen ſey. Allein, das ein- haͤllige Zeugniß aller tuͤrkiſchen Geſchichtſchrei- ber, daß Temurlenkj gleich nach dem Treffen in Pruſa, die Hauptſtadt in Bithynien, ein- gezogen ſey, beweiſet klar und deutlich, daß es in der Ebene dieſer Stadt iſt gehalten worden. Nun iſt aber den Erdbeſchreibern wohl be- kannt, wie weit dieſelbe von Meſopotamien gelegen iſt. Dieſe unſere Meinung wird noch weiter dadurch beſtaͤtiget, daß die ge- dachten Geſchichtſchreiber hinzufuͤgen: Te- murlenkj ſey vor Anhebung der Schlacht mit ſeinem Lager bey Jeng-iſchehir oder Neapolis in Kleinaſien geſtanden, und habe daſelbſt drey Tage mit dem tuͤrkiſchen Aeſop, Naſer- uͤddin Chodſche, zugebracht, der ihn mit ſei- nen Fabeln dergeſtalt vergnuͤget, daß er die Stadt frey und unangefochten gelaſſen habe. Den Begierigen zu Gefallen will ich hier eine Ausſchweifung machen, und aus einem Bu- che, das in tuͤrkiſcher Sprache geſchrieben iſt, einige beſondern Umſtaͤnde von dieſem Manne mittheilen. Die Buͤrger zu Jeng-iſchehir (da Naſeruͤddin ſich aufhielte) ſchickten ſich an, ihre Stadt zu vertheidigen, als ſie hoͤreten, daß Temurlenkj gegen dieſelbe anruͤckte. Na- ſeruͤddin widerraͤth ihnen dieſes ernſtlich, und erbietet ſich, ſich ſelbſt als Abgeordneten zu Temurlenkj gebrauchen zu laſſen. Als er von Hauſe weggehen will: ſo ſtehet er einiger maßen bey ſich an, was fuͤr ein Geſchenke das ſchicklichſte ſeyn moͤchte, den Feind zu beſaͤnftigen, und deſſen Gewogenheit ſowol fuͤr ſich ſelbſt als fuͤr ſeine Mitbuͤrger zu er- werben. Endlich wird er ſchluͤſſig, daß es Fruͤchte ſeyn muͤßten. Doch, ſaget er, Rath zur Zeit der Noth iſt eine gute Sache: ich will alſo meine Frau vorher um Rath fragen. “Was ſollte wol,„ ſaget er zu ihr, “Te- “murlenkj am angenehmſten ſeyn, Feigen “oder Quitten? Quitten,„ antwortete ſie; “denn dieſe ſind groͤßer und ſchoͤner, “und alſo iſt es meiner Meinung nach glaub- “lich, daß ſie auch angenehmer ſeyn wer- “den.„

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/154>, abgerufen am 27.11.2024.