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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
schlossen und ein Heer von hundert tausend Mann zusammen gebracht habe:
mit diesen sey derselbe in das türkische Reich eingedrungen, und belagere itzo
Nikopolis. Bajeßid, der glaubte, daß der mindeste Verzug seinen Sachen
schädlich sey, lässet in der größten Eilfertigkeit seine asiatischen und europäischen
Völker zusammen kommen; und ungeachtet er nicht über sechszig tausend Mann
bey einander hat: so gehet er doch ungesäumt mit denselben nach Europa.
Hier fället er die Christen in ihrem Lager mit solcher Hitze an, daß sie gleich
bey dem ersten Angriffe geschlagen werden und eine große Niederlage erleiden.
Siegmunds Bundesgenossen wurden insgesamt entweder gefangen, oder sie
waren in der Schlacht geblieben: er selbst entwischte allein erstlich nach Con-
stantinopel 7, und hernach zur See in sein Königreich. Nach erhaltenem Siege
findet Bajeßid in des Feindes Lager eine Menge Kriegeswerkzeuge, und einen
sehr großen Schatz an Gelde: mit diesem bauet er sowol zu Adrianopel, als zu
Prusa, einen vortrefflichen Dschami und Medrese, lässet auch noch über dieses
ein weitläuftiges Darüsch-Schifa 8 aufrichten.

Bajeßid befesti-
get die Küste an
der Meerengevon Nikomedia.
6.

Weil Bajeßid nunmehr von den westlichen Fürsten nichts mehr zu be-
fürchten hatte: so wendete er alle seine Macht gegen Thracien an, da er ein
Schloß an dem schwarzen Meere eroberte, ungefähr sechszig Meilen* von Con-
H. 797.



J. C. 1395.stantinopel gelegen. Damit er auch den Christen alle Gelegenheit, in Asien zu
kommen, abschneiden möchte: so bauete er eine neue Stadt an einem Orte,
[Spaltenumbruch]
"der Sekte des Messias, dem Vornehmsten*
"unter denen Völkern, die an Jesus glauben."
Sonst bekommen alle Christen den Schimpfna-
men Gjawr, Unglaubiger; imgleichen Kjafir
oder Gotteslästerer, und Kjefere, ein gotteslä-
sterliches Volk; gleichwie in der mehrern Zahl
Kjüffar, gotteslästerliche Menschen; ferner Näs-
rani, Nazarener: so wie die Griechen Ju-
nani, und die Jüden oder Ebräer Ibrani
genennet werden.
7 Constantinopel] Es ist eine gemeine
Sage bey allen christlichen Schriftstellern,
sonderlich aber führet es Philipp Lonicer an,
[Spaltenumbruch]
der die türkischen Sachen fleißig zusammen-
getragen hat, daß Siegmund nach dieser
schimpflichen Niederlage nach Constantinopel
geflüchtet, und nach mancherley Abwechslun-
gen seines Schicksals endlich wiederum in
seinem Reiche angelanget sey.
8 Darüsch-Schifa] heißet auf Deutsch,
eine Wohnung der Gesundheit: von Dar, ein
Haus, und Schifa, Arzneymittel. Es sind
dieses schöne Spitäler nahe an den Dschami
gebauet, welche die Kaiser aufführen lassen
und Aufseher darüber gesetzet haben. Die
Gelder zur Verpflegung der Kranken sind ih-

Bogaß
* 15 deutsche Meilen.
* der Stütze der Großen.

Osmaniſche Geſchichte
ſchloſſen und ein Heer von hundert tauſend Mann zuſammen gebracht habe:
mit dieſen ſey derſelbe in das tuͤrkiſche Reich eingedrungen, und belagere itzo
Nikopolis. Bajeßid, der glaubte, daß der mindeſte Verzug ſeinen Sachen
ſchaͤdlich ſey, laͤſſet in der groͤßten Eilfertigkeit ſeine aſiatiſchen und europaͤiſchen
Voͤlker zuſammen kommen; und ungeachtet er nicht uͤber ſechszig tauſend Mann
bey einander hat: ſo gehet er doch ungeſaͤumt mit denſelben nach Europa.
Hier faͤllet er die Chriſten in ihrem Lager mit ſolcher Hitze an, daß ſie gleich
bey dem erſten Angriffe geſchlagen werden und eine große Niederlage erleiden.
Siegmunds Bundesgenoſſen wurden insgeſamt entweder gefangen, oder ſie
waren in der Schlacht geblieben: er ſelbſt entwiſchte allein erſtlich nach Con-
ſtantinopel 7, und hernach zur See in ſein Koͤnigreich. Nach erhaltenem Siege
findet Bajeßid in des Feindes Lager eine Menge Kriegeswerkzeuge, und einen
ſehr großen Schatz an Gelde: mit dieſem bauet er ſowol zu Adrianopel, als zu
Pruſa, einen vortrefflichen Dſchami und Medreſe, laͤſſet auch noch uͤber dieſes
ein weitlaͤuftiges Daruͤſch-Schifa 8 aufrichten.

Bajeßid befeſti-
get die Kuͤſte an
der Meerengevon Nikomedia.
6.

Weil Bajeßid nunmehr von den weſtlichen Fuͤrſten nichts mehr zu be-
fuͤrchten hatte: ſo wendete er alle ſeine Macht gegen Thracien an, da er ein
Schloß an dem ſchwarzen Meere eroberte, ungefaͤhr ſechszig Meilen* von Con-
H. 797.



J. C. 1395.ſtantinopel gelegen. Damit er auch den Chriſten alle Gelegenheit, in Aſien zu
kommen, abſchneiden moͤchte: ſo bauete er eine neue Stadt an einem Orte,
[Spaltenumbruch]
“der Sekte des Meſſias, dem Vornehmſten*
“unter denen Voͤlkern, die an Jeſus glauben.„
Sonſt bekommen alle Chriſten den Schimpfna-
men Gjawr, Unglaubiger; imgleichen Kjafir
oder Gotteslaͤſterer, und Kjefere, ein gotteslaͤ-
ſterliches Volk; gleichwie in der mehrern Zahl
Kjuͤffar, gotteslaͤſterliche Menſchen; ferner Naͤs-
rani, Nazarener: ſo wie die Griechen Ju-
nani, und die Juͤden oder Ebraͤer Ibrani
genennet werden.
7 Conſtantinopel] Es iſt eine gemeine
Sage bey allen chriſtlichen Schriftſtellern,
ſonderlich aber fuͤhret es Philipp Lonicer an,
[Spaltenumbruch]
der die tuͤrkiſchen Sachen fleißig zuſammen-
getragen hat, daß Siegmund nach dieſer
ſchimpflichen Niederlage nach Conſtantinopel
gefluͤchtet, und nach mancherley Abwechslun-
gen ſeines Schickſals endlich wiederum in
ſeinem Reiche angelanget ſey.
8 Daruͤſch-Schifa] heißet auf Deutſch,
eine Wohnung der Geſundheit: von Dar, ein
Haus, und Schifa, Arzneymittel. Es ſind
dieſes ſchoͤne Spitaͤler nahe an den Dſchami
gebauet, welche die Kaiſer auffuͤhren laſſen
und Aufſeher daruͤber geſetzet haben. Die
Gelder zur Verpflegung der Kranken ſind ih-

Bogaß
* 15 deutſche Meilen.
* der Stuͤtze der Großen.
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[70/0148] Osmaniſche Geſchichte ſchloſſen und ein Heer von hundert tauſend Mann zuſammen gebracht habe: mit dieſen ſey derſelbe in das tuͤrkiſche Reich eingedrungen, und belagere itzo Nikopolis. Bajeßid, der glaubte, daß der mindeſte Verzug ſeinen Sachen ſchaͤdlich ſey, laͤſſet in der groͤßten Eilfertigkeit ſeine aſiatiſchen und europaͤiſchen Voͤlker zuſammen kommen; und ungeachtet er nicht uͤber ſechszig tauſend Mann bey einander hat: ſo gehet er doch ungeſaͤumt mit denſelben nach Europa. Hier faͤllet er die Chriſten in ihrem Lager mit ſolcher Hitze an, daß ſie gleich bey dem erſten Angriffe geſchlagen werden und eine große Niederlage erleiden. Siegmunds Bundesgenoſſen wurden insgeſamt entweder gefangen, oder ſie waren in der Schlacht geblieben: er ſelbſt entwiſchte allein erſtlich nach Con- ſtantinopel ⁷ , und hernach zur See in ſein Koͤnigreich. Nach erhaltenem Siege findet Bajeßid in des Feindes Lager eine Menge Kriegeswerkzeuge, und einen ſehr großen Schatz an Gelde: mit dieſem bauet er ſowol zu Adrianopel, als zu Pruſa, einen vortrefflichen Dſchami und Medreſe, laͤſſet auch noch uͤber dieſes ein weitlaͤuftiges Daruͤſch-Schifa ⁸ aufrichten. 6. Weil Bajeßid nunmehr von den weſtlichen Fuͤrſten nichts mehr zu be- fuͤrchten hatte: ſo wendete er alle ſeine Macht gegen Thracien an, da er ein Schloß an dem ſchwarzen Meere eroberte, ungefaͤhr ſechszig Meilen * von Con- ſtantinopel gelegen. Damit er auch den Chriſten alle Gelegenheit, in Aſien zu kommen, abſchneiden moͤchte: ſo bauete er eine neue Stadt an einem Orte, Bogaß “der Sekte des Meſſias, dem Vornehmſten * “unter denen Voͤlkern, die an Jeſus glauben.„ Sonſt bekommen alle Chriſten den Schimpfna- men Gjawr, Unglaubiger; imgleichen Kjafir oder Gotteslaͤſterer, und Kjefere, ein gotteslaͤ- ſterliches Volk; gleichwie in der mehrern Zahl Kjuͤffar, gotteslaͤſterliche Menſchen; ferner Naͤs- rani, Nazarener: ſo wie die Griechen Ju- nani, und die Juͤden oder Ebraͤer Ibrani genennet werden. ⁷ Conſtantinopel] Es iſt eine gemeine Sage bey allen chriſtlichen Schriftſtellern, ſonderlich aber fuͤhret es Philipp Lonicer an, der die tuͤrkiſchen Sachen fleißig zuſammen- getragen hat, daß Siegmund nach dieſer ſchimpflichen Niederlage nach Conſtantinopel gefluͤchtet, und nach mancherley Abwechslun- gen ſeines Schickſals endlich wiederum in ſeinem Reiche angelanget ſey. ⁸ Daruͤſch-Schifa] heißet auf Deutſch, eine Wohnung der Geſundheit: von Dar, ein Haus, und Schifa, Arzneymittel. Es ſind dieſes ſchoͤne Spitaͤler nahe an den Dſchami gebauet, welche die Kaiſer auffuͤhren laſſen und Aufſeher daruͤber geſetzet haben. Die Gelder zur Verpflegung der Kranken ſind ih- nen H. 797. J. C. 1395. * 15 deutſche Meilen. * der Stuͤtze der Großen.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/148>, abgerufen am 23.11.2024.