Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte bitten ließen, sich nach Constantinopel zu begeben: so vergönnete ihnen Orchannoch über dieses auf recht großmüthige Weise, daß sie auch so viel Güter mit- nehmen möchten, als sie fortbringen könnten. Diese besondere Gnade rührete die Leute zu Nicäa dergestalt, daß sie sich freywillig dem osmanischen Reiche als tributbar unterwarfen und in ihrem Eigenthume und Wohnungen ungestö- H. 730. J. C. 1330.ret verblieben. Orchan zog also im Jahre 730 mit seinen Völkern in die Stadt, und als die Weiber derer Griechen, die durch Hunger und Krieg umge- kommen waren, in seiner Gegenwart ihren Witwenstand beweineten: so befahl er den osmanischen Hofbedienten und Edlen, daß sie dieselben heiraten und so gut, als die müsülmanischen Weiber, achten und halten sollten. Auf diese Weise kamen viele Weiber, sowol von edler Geburt als geringerem Stande, auf einmal zu Männern, und zugleich zu dem muhämmedischen Glauben. Nach der Eroberung von Nicäa breitete sich das Gerüchte von Orchans gnädi- gem Bezeigen gegen seine Unterthanen wie ein Pfeil in die benachbarten Reiche aus: daher nicht nur die Nicäer, von denen eine große Menge, der Belage- rung zu entgehen, anderswohin geflüchtet waren, sondern auch unzählige Ein- wohner von andern großen und kleinen Städten, die die osmanischen Waf- fen noch nicht bezwungen hatten, haufenweise nach Nicäa zogen. Durch die- ses Mittel wurde Nicäa in Zeit von einem Jahre so volkreich und so stark mit Einwohnern besetzet, daß es der Stadt Constantinopel den Vorzug streitig zu machen schiene. Schloß Kemluk, und leget Schu-len an. 5. Im Jahre 734 nahm Orchan das Schloß Kemluk, das von Natur chan die Griechen in Asien geschwä- chet hat: so brin- get er die müsül- manischen Für- sten mit List un-ter seine Gewalt. 6. Nachdem Orchan durch seine Waffen die vorhingedachten Städte und sten * Moschee.
Osmaniſche Geſchichte bitten ließen, ſich nach Conſtantinopel zu begeben: ſo vergoͤnnete ihnen Orchannoch uͤber dieſes auf recht großmuͤthige Weiſe, daß ſie auch ſo viel Guͤter mit- nehmen moͤchten, als ſie fortbringen koͤnnten. Dieſe beſondere Gnade ruͤhrete die Leute zu Nicaͤa dergeſtalt, daß ſie ſich freywillig dem osmaniſchen Reiche als tributbar unterwarfen und in ihrem Eigenthume und Wohnungen ungeſtoͤ- H. 730. J. C. 1330.ret verblieben. Orchan zog alſo im Jahre 730 mit ſeinen Voͤlkern in die Stadt, und als die Weiber derer Griechen, die durch Hunger und Krieg umge- kommen waren, in ſeiner Gegenwart ihren Witwenſtand beweineten: ſo befahl er den osmaniſchen Hofbedienten und Edlen, daß ſie dieſelben heiraten und ſo gut, als die muͤſuͤlmaniſchen Weiber, achten und halten ſollten. Auf dieſe Weiſe kamen viele Weiber, ſowol von edler Geburt als geringerem Stande, auf einmal zu Maͤnnern, und zugleich zu dem muhaͤmmediſchen Glauben. Nach der Eroberung von Nicaͤa breitete ſich das Geruͤchte von Orchans gnaͤdi- gem Bezeigen gegen ſeine Unterthanen wie ein Pfeil in die benachbarten Reiche aus: daher nicht nur die Nicaͤer, von denen eine große Menge, der Belage- rung zu entgehen, anderswohin gefluͤchtet waren, ſondern auch unzaͤhlige Ein- wohner von andern großen und kleinen Staͤdten, die die osmaniſchen Waf- fen noch nicht bezwungen hatten, haufenweiſe nach Nicaͤa zogen. Durch die- ſes Mittel wurde Nicaͤa in Zeit von einem Jahre ſo volkreich und ſo ſtark mit Einwohnern beſetzet, daß es der Stadt Conſtantinopel den Vorzug ſtreitig zu machen ſchiene. Schloß Kemluk, und leget Schu-len an. 5. Im Jahre 734 nahm Orchan das Schloß Kemluk, das von Natur chan die Griechen in Aſien geſchwaͤ- chet hat: ſo brin- get er die muͤſuͤl- maniſchen Fuͤr- ſten mit Liſt un-ter ſeine Gewalt. 6. Nachdem Orchan durch ſeine Waffen die vorhingedachten Staͤdte und ſten * Moſchee.
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Osmaniſche Geſchichte
bitten ließen, ſich nach Conſtantinopel zu begeben: ſo vergoͤnnete ihnen Orchan
noch uͤber dieſes auf recht großmuͤthige Weiſe, daß ſie auch ſo viel Guͤter mit-
nehmen moͤchten, als ſie fortbringen koͤnnten. Dieſe beſondere Gnade ruͤhrete
die Leute zu Nicaͤa dergeſtalt, daß ſie ſich freywillig dem osmaniſchen Reiche
als tributbar unterwarfen und in ihrem Eigenthume und Wohnungen ungeſtoͤ-
ret verblieben. Orchan zog alſo im Jahre 730 mit ſeinen Voͤlkern in die Stadt,
und als die Weiber derer Griechen, die durch Hunger und Krieg umge-
kommen waren, in ſeiner Gegenwart ihren Witwenſtand beweineten: ſo befahl
er den osmaniſchen Hofbedienten und Edlen, daß ſie dieſelben heiraten und ſo
gut, als die muͤſuͤlmaniſchen Weiber, achten und halten ſollten. Auf dieſe
Weiſe kamen viele Weiber, ſowol von edler Geburt als geringerem Stande,
auf einmal zu Maͤnnern, und zugleich zu dem muhaͤmmediſchen Glauben.
Nach der Eroberung von Nicaͤa breitete ſich das Geruͤchte von Orchans gnaͤdi-
gem Bezeigen gegen ſeine Unterthanen wie ein Pfeil in die benachbarten Reiche
aus: daher nicht nur die Nicaͤer, von denen eine große Menge, der Belage-
rung zu entgehen, anderswohin gefluͤchtet waren, ſondern auch unzaͤhlige Ein-
wohner von andern großen und kleinen Staͤdten, die die osmaniſchen Waf-
fen noch nicht bezwungen hatten, haufenweiſe nach Nicaͤa zogen. Durch die-
ſes Mittel wurde Nicaͤa in Zeit von einem Jahre ſo volkreich und ſo ſtark mit
Einwohnern beſetzet, daß es der Stadt Conſtantinopel den Vorzug ſtreitig zu
machen ſchiene.
H. 730.
J. C. 1330.
5. Im Jahre 734 nahm Orchan das Schloß Kemluk, das von Natur
und Kunſt wohl befeſtiget war, mit Bedingung ein, nachdem er es ein voͤlliges
Jahr genau eingeſchloſſen gehalten hatte. Die Osmanen hatten bisher die
Eroberung dieſes Schloſſes zwar oft, aber vergeblich, verſuchet. Im Jahre
736 zierete Orchan die Stadt Pruſa mit einer neuen Mestſchid *, hohen Schule
und Spital aus: alles recht koͤnigliche Gebaͤude. Sonderlich wurde die hohe
Schule, die in einem Kloſter angeleget war, dergeſtalt beruͤhmt und kam durch
ihre Lehrer der freyen Kuͤnſte in ſolches Anſehen, daß ſo gar aus Arabien und
Perſien, deren Gelehrten bisher als allgemeine Lehrer der Welt waren angeſe-
hen worden, ihrer eine große Menge, ihre Studien fortzuſetzen, hieher zogen,
und recht unwillig waren, daß ſie nicht von Jugend auf Schuͤler der Osmanen
geweſen ſeyen.
H. 734.
J. C. 1334.
H. 736.
J. C. 1336.
6. Nachdem Orchan durch ſeine Waffen die vorhingedachten Staͤdte und
Laͤnder unter ſeine Gewalt gebracht hatte: ſo ſann er nunmehr darauf (nach
ſeiner beſondern Schlauigkeit und Statsliſt, deswegen er ſonderlich beruͤhmt
war), wie er auch die uͤbrigen Laͤnder in Aſien, die einige muͤſuͤlmaniſche Fuͤr-
ſten
* Moſchee.
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