[Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700.Und wo er noch zuletzt die Lebens-Krafft verlohren/ 6. Drum ließ der Brennen-Fürst/ dem er allein zu Ehren/Nechst GOtt verblichen ist/ so tieffe Seuffer hören; Er und sein gantzes Hauß begriffen den Verlust/ Die sie mit ihm gethan. Die hohen Anverwandten Erstaunten/ und die ihn als ihren Freund erkandten/ Was/ ach! was fühlten die in ihrer treuen Brust! Ja die ihn nur gekandt/ befeuchteten die Wangen/ Als wenn der Ihrigen selbst jemand abgegangen. 7. Verhängniß! stehet es allein in deinen Händen/Den Zeiger auf die Zahl des Todes hinzuwenden? Und schaffest du was uns hierunten wiederfährt; Wilst du denn nicht gerecht in deiner Satzung heissen? Wie liessest du sobald den Held zu Boden schmeissen? Er war für tausenden ein graues Alter werth/ Wie bist du so erzürnt/ und forderst von der Erden/ Daß dir das reineste sol auffgeopffert werden. 8. War die Vollkommenheit zwey gleichgesinnter Brüder/Das Kunst-stück der Natur/ nur dir allein zu wider? Wie/ oder irr' ich mich? schien dir es gar zu viel/ Der schon verderbten Zeit/ dis schöne Paar zu lassen? So muste ja vorhin der tapffre Carl erblassen; Ein wiederholtes Ach dient dir zum Freuden-Spiel. Du reißt die Wunden auf/ uns schärffer zu betrüben/ Warum ist Theodor uns nicht zum Trost geblieben? 9. Doch
Und wo er noch zuletzt die Lebens-Krafft verlohren/ 6. Drum ließ der Brennen-Fuͤrſt/ dem er allein zu Ehren/Nechſt GOtt verblichen iſt/ ſo tieffe Seuffer hoͤren; Er und ſein gantzes Hauß begriffen den Verluſt/ Die ſie mit ihm gethan. Die hohen Anverwandten Erſtaunten/ und die ihn als ihren Freund erkandten/ Was/ ach! was fuͤhlten die in ihrer treuen Bruſt! Ja die ihn nur gekandt/ befeuchteten die Wangen/ Als wenn der Ihrigen ſelbſt jemand abgegangen. 7. Verhaͤngniß! ſtehet es allein in deinen Haͤnden/Den Zeiger auf die Zahl des Todes hinzuwenden? Und ſchaffeſt du was uns hierunten wiederfaͤhrt; Wilſt du denn nicht gerecht in deiner Satzung heiſſen? Wie lieſſeſt du ſobald den Held zu Boden ſchmeiſſen? Er war fuͤr tauſenden ein graues Alter werth/ Wie biſt du ſo erzuͤrnt/ und forderſt von der Erden/ Daß dir das reineſte ſol auffgeopffert werden. 8. War die Vollkommenheit zwey gleichgeſinnter Bruͤder/Das Kunſt-ſtuͤck der Natur/ nur dir allein zu wider? Wie/ oder irr’ ich mich? ſchien dir es gar zu viel/ Der ſchon verderbten Zeit/ dis ſchoͤne Paar zu laſſen? So muſte ja vorhin der tapffre Carl erblaſſen; Ein wiederholtes Ach dient dir zum Freuden-Spiel. Du reißt die Wunden auf/ uns ſchaͤrffer zu betruͤben/ Warum iſt Theodor uns nicht zum Troſt geblieben? 9. Doch
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="5"> <pb facs="#f0071" n="58"/> <l>Und wo er noch zuletzt die Lebens-Krafft verlohren/</l><lb/> <l>Der meynte daß er bloß zu Waffen ſey gebohren.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <head> <hi rendition="#c">6.</hi> </head><lb/> <l>Drum ließ der Brennen-Fuͤrſt/ dem er allein zu Ehren/</l><lb/> <l>Nechſt GOtt verblichen iſt/ ſo tieffe Seuffer hoͤren;</l><lb/> <l>Er und ſein gantzes Hauß begriffen den Verluſt/</l><lb/> <l>Die ſie mit ihm gethan. Die hohen Anverwandten</l><lb/> <l>Erſtaunten/ und die ihn als ihren Freund erkandten/</l><lb/> <l>Was/ ach! was fuͤhlten die in ihrer treuen Bruſt!</l><lb/> <l>Ja die ihn nur gekandt/ befeuchteten die Wangen/</l><lb/> <l>Als wenn der Ihrigen ſelbſt jemand abgegangen.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <head> <hi rendition="#c">7.</hi> </head><lb/> <l>Verhaͤngniß! ſtehet es allein in deinen Haͤnden/</l><lb/> <l>Den Zeiger auf die Zahl des Todes hinzuwenden?</l><lb/> <l>Und ſchaffeſt du was uns hierunten wiederfaͤhrt;</l><lb/> <l>Wilſt du denn nicht gerecht in deiner Satzung heiſſen?</l><lb/> <l>Wie lieſſeſt du ſobald den Held zu Boden ſchmeiſſen?</l><lb/> <l>Er war fuͤr tauſenden ein graues Alter werth/</l><lb/> <l>Wie biſt du ſo erzuͤrnt/ und forderſt von der Erden/</l><lb/> <l>Daß dir das reineſte ſol auffgeopffert werden.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <head> <hi rendition="#c">8.</hi> </head><lb/> <l>War die Vollkommenheit zwey gleichgeſinnter Bruͤder/</l><lb/> <l>Das Kunſt-ſtuͤck der Natur/ nur dir allein zu wider?</l><lb/> <l>Wie/ oder irr’ ich mich? ſchien dir es gar zu viel/</l><lb/> <l>Der ſchon verderbten Zeit/ dis ſchoͤne Paar zu laſſen?</l><lb/> <l>So muſte ja vorhin der tapffre Carl erblaſſen;</l><lb/> <l>Ein wiederholtes Ach dient dir zum Freuden-Spiel.</l><lb/> <l>Du reißt die Wunden auf/ uns ſchaͤrffer zu betruͤben/</l><lb/> <l>Warum iſt Theodor uns nicht zum Troſt geblieben?</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">9. Doch</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [58/0071]
Und wo er noch zuletzt die Lebens-Krafft verlohren/
Der meynte daß er bloß zu Waffen ſey gebohren.
6.
Drum ließ der Brennen-Fuͤrſt/ dem er allein zu Ehren/
Nechſt GOtt verblichen iſt/ ſo tieffe Seuffer hoͤren;
Er und ſein gantzes Hauß begriffen den Verluſt/
Die ſie mit ihm gethan. Die hohen Anverwandten
Erſtaunten/ und die ihn als ihren Freund erkandten/
Was/ ach! was fuͤhlten die in ihrer treuen Bruſt!
Ja die ihn nur gekandt/ befeuchteten die Wangen/
Als wenn der Ihrigen ſelbſt jemand abgegangen.
7.
Verhaͤngniß! ſtehet es allein in deinen Haͤnden/
Den Zeiger auf die Zahl des Todes hinzuwenden?
Und ſchaffeſt du was uns hierunten wiederfaͤhrt;
Wilſt du denn nicht gerecht in deiner Satzung heiſſen?
Wie lieſſeſt du ſobald den Held zu Boden ſchmeiſſen?
Er war fuͤr tauſenden ein graues Alter werth/
Wie biſt du ſo erzuͤrnt/ und forderſt von der Erden/
Daß dir das reineſte ſol auffgeopffert werden.
8.
War die Vollkommenheit zwey gleichgeſinnter Bruͤder/
Das Kunſt-ſtuͤck der Natur/ nur dir allein zu wider?
Wie/ oder irr’ ich mich? ſchien dir es gar zu viel/
Der ſchon verderbten Zeit/ dis ſchoͤne Paar zu laſſen?
So muſte ja vorhin der tapffre Carl erblaſſen;
Ein wiederholtes Ach dient dir zum Freuden-Spiel.
Du reißt die Wunden auf/ uns ſchaͤrffer zu betruͤben/
Warum iſt Theodor uns nicht zum Troſt geblieben?
9. Doch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/71 |
Zitationshilfe: | [Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/71>, abgerufen am 28.07.2024. |