Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Dein alter Adam pflegt den Moses auszudeuten/
Und macht des Heylands Wort zu deinen Fleisch beqvem.
Und wenn zwey Lehrer sich um eine Meynung streiten/
Ist der/ so deinen Trieb entfesselt/ angenehm.

6.
Von stoltzem Eigensinn/ dem alles weichen soll/
Von Wahn/ der in der Lufft entfernte Schlösser bauet/
Von Mißgunst/ die allein des Nechsten Fehler schauet/
Und aller Laster-Bruth/ O Seele/ bist du voll.
Du schwebst in einem Schiff/ das auf den wilden Wellen
Bald hie/ bald wieder da/ auf neue Klippen geht/
Und bist doch nicht bemüth die Segel hinzustellen
Nach dem erwündschten Port/ der dir für Augen steht.
7.
Ach Seele weil du siehst die scheußliche Gestalt/
Die dich zum Greuel macht: die Noth in der du schwebest;
Ists müglich daß du nicht in allen Gliedern bebest/
Und suchst dein wahres Heyl mit eusserster Gewalt.
Ists müglich daß du nicht mit bittern Thränen-Bächen
Die Wangen über schwemmst/ und deine That bereust/
Und dann bey deinem GOtt/ den du durch dein Verbrechen/
Zum Zorn gereitzet hast/ um die Vergebung schreyst.
8.
Wie ists? ist über dir ein steter Fluch verhengt/
Du fängst/ ich merck es wol/ ein wenig an zu wancken/
Doch sieh/ wie sich ein Tand der flüchtigen Gedancken/
Ein höllisch Gauckelspiel in deinen Vorsatz mengt.
Noch ist in deinem Thun kein rechter Ernst zu spüren;
Komm JEsu/ dessen Huld die Sünder nicht verstöst/
Komm oder du wirst bald ein irrend Schaaf verlieren/
Das du mit eignem Blut so theuer hast erlöst.
Vergebliche Sorgen.
1.
WEicht eitle Grillen weicht/ ihr kräncket nur die Sinnen/
Ihr schwächet die Vernunft/ und schrecket das
Gesicht/

Den

Dein alter Adam pflegt den Moſes auszudeuten/
Uñ macht des Heylands Wort zu deinẽ Fleiſch beqvem.
Und wenn zwey Lehrer ſich um eine Meynung ſtreiten/
Iſt der/ ſo deinen Trieb entfeſſelt/ angenehm.

6.
Von ſtoltzem Eigenſinn/ dem alles weichen ſoll/
Von Wahn/ der in der Lufft entfernte Schloͤſſer bauet/
Von Mißgunſt/ die allein des Nechſten Fehler ſchauet/
Und aller Laſter-Bruth/ O Seele/ biſt du voll.
Du ſchwebſt in einem Schiff/ das auf den wilden Wellen
Bald hie/ bald wieder da/ auf neue Klippen geht/
Und biſt doch nicht bemuͤth die Segel hinzuſtellen
Nach dem erwuͤndſchten Port/ der dir fuͤr Augen ſteht.
7.
Ach Seele weil du ſiehſt die ſcheußliche Geſtalt/
Die dich zum Greuel macht: die Noth in der du ſchwebeſt;
Iſts muͤglich daß du nicht in allen Gliedern bebeſt/
Und ſuchſt dein wahres Heyl mit euſſerſter Gewalt.
Iſts muͤglich daß du nicht mit bittern Thraͤnen-Baͤchen
Die Wangen uͤber ſchwemmſt/ und deine That bereuſt/
Und dañ bey deinem GOtt/ den du durch dein Verbꝛechen/
Zum Zorn gereitzet haſt/ um die Vergebung ſchreyſt.
8.
Wie iſts? iſt uͤber dir ein ſteter Fluch verhengt/
Du faͤngſt/ ich merck es wol/ ein wenig an zu wancken/
Doch ſieh/ wie ſich ein Tand der fluͤchtigen Gedancken/
Ein hoͤlliſch Gauckelſpiel in deinen Vorſatz mengt.
Noch iſt in deinem Thun kein rechter Ernſt zu ſpuͤren;
Komm JEſu/ deſſen Huld die Suͤnder nicht verſtoͤſt/
Komm oder du wirſt bald ein irrend Schaaf verlieren/
Das du mit eignem Blut ſo theuer haſt erloͤſt.
Vergebliche Sorgen.
1.
WEicht eitle Grillẽ weicht/ ihr kꝛaͤncket nur die Siñen/
Ihr ſchwaͤchet die Vernunft/ und ſchrecket das
Geſicht/

Den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <lg n="5">
          <pb facs="#f0031" n="18"/>
          <l>Dein alter Adam pflegt den Mo&#x017F;es auszudeuten/</l><lb/>
          <l>Un&#x0303; macht des Heylands Wort zu deine&#x0303; Flei&#x017F;ch beqvem.</l><lb/>
          <l>Und wenn zwey Lehrer &#x017F;ich um eine Meynung &#x017F;treiten/</l><lb/>
          <l>I&#x017F;t der/ &#x017F;o deinen Trieb entfe&#x017F;&#x017F;elt/ angenehm.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="6">
          <head> <hi rendition="#c">6.</hi> </head><lb/>
          <l>Von &#x017F;toltzem Eigen&#x017F;inn/ dem alles weichen &#x017F;oll/</l><lb/>
          <l>Von Wahn/ der in der Lufft entfernte Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er bauet/</l><lb/>
          <l>Von Mißgun&#x017F;t/ die allein des Nech&#x017F;ten Fehler &#x017F;chauet/</l><lb/>
          <l>Und aller La&#x017F;ter-Bruth/ O Seele/ bi&#x017F;t du voll.</l><lb/>
          <l>Du &#x017F;chweb&#x017F;t in einem Schiff/ das auf den wilden Wellen</l><lb/>
          <l>Bald hie/ bald wieder da/ auf neue Klippen geht/</l><lb/>
          <l>Und bi&#x017F;t doch nicht bemu&#x0364;th die Segel hinzu&#x017F;tellen</l><lb/>
          <l>Nach dem erwu&#x0364;nd&#x017F;chten Port/ der dir fu&#x0364;r Augen &#x017F;teht.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="7">
          <head> <hi rendition="#c">7.</hi> </head><lb/>
          <l>Ach Seele weil du &#x017F;ieh&#x017F;t die &#x017F;cheußliche Ge&#x017F;talt/</l><lb/>
          <l>Die dich zum Greuel macht: die Noth in der du &#x017F;chwebe&#x017F;t;</l><lb/>
          <l>I&#x017F;ts mu&#x0364;glich daß du nicht in allen Gliedern bebe&#x017F;t/</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;uch&#x017F;t dein wahres Heyl mit eu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ter Gewalt.</l><lb/>
          <l>I&#x017F;ts mu&#x0364;glich daß du nicht mit bittern Thra&#x0364;nen-Ba&#x0364;chen</l><lb/>
          <l>Die Wangen u&#x0364;ber &#x017F;chwemm&#x017F;t/ und deine That bereu&#x017F;t/</l><lb/>
          <l>Und dan&#x0303; bey deinem GOtt/ den du durch dein Verb&#xA75B;echen/</l><lb/>
          <l>Zum Zorn gereitzet ha&#x017F;t/ um die Vergebung &#x017F;chrey&#x017F;t.</l>
        </lg><lb/>
        <lg n="8">
          <head> <hi rendition="#c">8.</hi> </head><lb/>
          <l>Wie i&#x017F;ts? i&#x017F;t u&#x0364;ber dir ein &#x017F;teter Fluch verhengt/</l><lb/>
          <l>Du fa&#x0364;ng&#x017F;t/ ich merck es wol/ ein wenig an zu wancken/</l><lb/>
          <l>Doch &#x017F;ieh/ wie &#x017F;ich ein Tand der flu&#x0364;chtigen Gedancken/</l><lb/>
          <l>Ein ho&#x0364;lli&#x017F;ch Gauckel&#x017F;piel in deinen Vor&#x017F;atz mengt.</l><lb/>
          <l>Noch i&#x017F;t in deinem Thun kein rechter Ern&#x017F;t zu &#x017F;pu&#x0364;ren;</l><lb/>
          <l>Komm JE&#x017F;u/ de&#x017F;&#x017F;en Huld die Su&#x0364;nder nicht ver&#x017F;to&#x0364;&#x017F;t/</l><lb/>
          <l>Komm oder du wir&#x017F;t bald ein irrend Schaaf verlieren/</l><lb/>
          <l>Das du mit eignem Blut &#x017F;o theuer ha&#x017F;t erlo&#x0364;&#x017F;t.</l>
        </lg>
      </lg><lb/>
      <lg type="poem">
        <head> <hi rendition="#b">Vergebliche Sorgen.</hi> </head><lb/>
        <lg n="1">
          <head> <hi rendition="#c">1.</hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">W</hi>Eicht eitle Grille&#x0303; weicht/ ihr k&#xA75B;a&#x0364;ncket nur die Sin&#x0303;en/</l><lb/>
          <l>Ihr &#x017F;chwa&#x0364;chet die Vernunft/ und &#x017F;chrecket das<lb/><hi rendition="#et">Ge&#x017F;icht/</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Den</fw><lb/>
        </lg>
      </lg>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0031] Dein alter Adam pflegt den Moſes auszudeuten/ Uñ macht des Heylands Wort zu deinẽ Fleiſch beqvem. Und wenn zwey Lehrer ſich um eine Meynung ſtreiten/ Iſt der/ ſo deinen Trieb entfeſſelt/ angenehm. 6. Von ſtoltzem Eigenſinn/ dem alles weichen ſoll/ Von Wahn/ der in der Lufft entfernte Schloͤſſer bauet/ Von Mißgunſt/ die allein des Nechſten Fehler ſchauet/ Und aller Laſter-Bruth/ O Seele/ biſt du voll. Du ſchwebſt in einem Schiff/ das auf den wilden Wellen Bald hie/ bald wieder da/ auf neue Klippen geht/ Und biſt doch nicht bemuͤth die Segel hinzuſtellen Nach dem erwuͤndſchten Port/ der dir fuͤr Augen ſteht. 7. Ach Seele weil du ſiehſt die ſcheußliche Geſtalt/ Die dich zum Greuel macht: die Noth in der du ſchwebeſt; Iſts muͤglich daß du nicht in allen Gliedern bebeſt/ Und ſuchſt dein wahres Heyl mit euſſerſter Gewalt. Iſts muͤglich daß du nicht mit bittern Thraͤnen-Baͤchen Die Wangen uͤber ſchwemmſt/ und deine That bereuſt/ Und dañ bey deinem GOtt/ den du durch dein Verbꝛechen/ Zum Zorn gereitzet haſt/ um die Vergebung ſchreyſt. 8. Wie iſts? iſt uͤber dir ein ſteter Fluch verhengt/ Du faͤngſt/ ich merck es wol/ ein wenig an zu wancken/ Doch ſieh/ wie ſich ein Tand der fluͤchtigen Gedancken/ Ein hoͤlliſch Gauckelſpiel in deinen Vorſatz mengt. Noch iſt in deinem Thun kein rechter Ernſt zu ſpuͤren; Komm JEſu/ deſſen Huld die Suͤnder nicht verſtoͤſt/ Komm oder du wirſt bald ein irrend Schaaf verlieren/ Das du mit eignem Blut ſo theuer haſt erloͤſt. Vergebliche Sorgen. 1. WEicht eitle Grillẽ weicht/ ihr kꝛaͤncket nur die Siñen/ Ihr ſchwaͤchet die Vernunft/ und ſchrecket das Geſicht/ Den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/31
Zitationshilfe: [Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/31>, abgerufen am 21.11.2024.