[Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700.Das Neue Jahr. Sonnet. SO bleibt auf ewig nun das alte Jahr zurücke; Wie theilt der Sonnen-Lauf so schnell die Zeiten ab! Wie schleppet uns so bald das Alter in das Grab! Das heißt wol schlecht gelebt; Die wenig Augenblicke/ In welchen viel Verdruß vermischt mit schlechtem Glücke/ Und lauter Unbestand sich zu erkennen gab; Das heißt wol schlecht gewohnt/ wenn uns der Wan- der-Stab Nie aus den Händen kömmt; Wenn wir durch List und Stricke Hinstraucheln in der Nacht/ da wenig Licht zu sehn/ Und Licht dem allemahl nicht sicher nachzugehn. Denn so der Höchste nicht ein eignes Licht wil weisen/ Das/ wenn wir uns verwirrt/ uns Sinn und Auge rührt/ Ist alles Licht ein Licht das zur Verdamniß führt: O gar zu kurtze Zeit! O gar zu schweres Reisen! Der Sünden-Schlaff. Sonnet. O GOtt! ich bin nicht werth/ daß du mir so viel Güte/ Von Kindes-Beinen an biß diesen Tag gezeigt. Wie kömmts denn daß mein Mund von deinem Lobe schweigt/ Da ich doch ohne dich in tausend Noth geriethe? Wie kömmts daß öfter nicht aus feurigem Gemüthe Mein Weyrauch voller Danck zu deinem Throne steigt? Ich habe leyder mich zum Sünden-Schlaaf geneigt! Der Wollust süsser Traum entgeistert mein Geblüte/ HErr wecke du mich auf/ der du mein Retter bist; Ich weiß daß in dem Schlaaf mein Tod verborgen ist; Daß
Das Neue Jahr. Sonnet. SO bleibt auf ewig nun das alte Jahr zuruͤcke; Wie theilt der Soñen-Lauf ſo ſchnell die Zeiten ab! Wie ſchleppet uns ſo bald das Alter in das Grab! Das heißt wol ſchlecht gelebt; Die wenig Augenblicke/ In welchẽ viel Verdruß vermiſcht mit ſchlechtem Gluͤcke/ Und lauter Unbeſtand ſich zu erkennen gab; Das heißt wol ſchlecht gewohnt/ wenn uns der Wan- der-Stab Nie aus den Haͤnden koͤmmt; Wenn wir durch Liſt und Stricke Hinſtraucheln in der Nacht/ da wenig Licht zu ſehn/ Und Licht dem allemahl nicht ſicher nachzugehn. Denn ſo der Hoͤchſte nicht ein eignes Licht wil weiſen/ Das/ wenn wir uns verwirrt/ uns Sinn und Auge ruͤhrt/ Iſt alles Licht ein Licht das zur Verdamniß fuͤhrt: O gar zu kurtze Zeit! O gar zu ſchweres Reiſen! Der Suͤnden-Schlaff. Sonnet. O GOtt! ich bin nicht werth/ daß du mir ſo viel Guͤte/ Von Kindes-Beinen an biß dieſen Tag gezeigt. Wie koͤmmts denn daß mein Mund von deinem Lobe ſchweigt/ Da ich doch ohne dich in tauſend Noth geriethe? Wie koͤmmts daß oͤfter nicht aus feurigem Gemuͤthe Mein Weyrauch voller Danck zu deinem Throne ſteigt? Ich habe leyder mich zum Suͤnden-Schlaaf geneigt! Der Wolluſt ſuͤſſer Traum entgeiſtert mein Gebluͤte/ HErr wecke du mich auf/ der du mein Retter biſt; Ich weiß daß in dem Schlaaf mein Tod verborgen iſt; Daß
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Das Neue Jahr.
Sonnet.
SO bleibt auf ewig nun das alte Jahr zuruͤcke;
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Wie ſchleppet uns ſo bald das Alter in das Grab!
Das heißt wol ſchlecht gelebt; Die wenig Augenblicke/
In welchẽ viel Verdruß vermiſcht mit ſchlechtem Gluͤcke/
Und lauter Unbeſtand ſich zu erkennen gab;
Das heißt wol ſchlecht gewohnt/ wenn uns der Wan-
der-Stab
Nie aus den Haͤnden koͤmmt; Wenn wir durch Liſt und
Stricke
Hinſtraucheln in der Nacht/ da wenig Licht zu ſehn/
Und Licht dem allemahl nicht ſicher nachzugehn.
Denn ſo der Hoͤchſte nicht ein eignes Licht wil weiſen/
Das/ wenn wir uns verwirrt/ uns Sinn und Auge
ruͤhrt/
Iſt alles Licht ein Licht das zur Verdamniß fuͤhrt:
O gar zu kurtze Zeit! O gar zu ſchweres Reiſen!
Der Suͤnden-Schlaff.
Sonnet.
O GOtt! ich bin nicht werth/ daß du mir ſo viel Guͤte/
Von Kindes-Beinen an biß dieſen Tag gezeigt.
Wie koͤmmts denn daß mein Mund von deinem
Lobe ſchweigt/
Da ich doch ohne dich in tauſend Noth geriethe?
Wie koͤmmts daß oͤfter nicht aus feurigem Gemuͤthe
Mein Weyrauch voller Danck zu deinem Throne ſteigt?
Ich habe leyder mich zum Suͤnden-Schlaaf geneigt!
Der Wolluſt ſuͤſſer Traum entgeiſtert mein Gebluͤte/
HErr wecke du mich auf/ der du mein Retter biſt;
Ich weiß daß in dem Schlaaf mein Tod verborgen iſt;
Daß
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