Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.Frei ist der Geist, doch ist bestimmt sein Wirken, Ist -- also will er's -- strengem Maß verfallen, Und weil er Liebe sein will, himmelsglutig Erwählend demutvolles Erdenwallen, Muß er in ihm entfremdeten Bezirken Gesammte Schuld der Erde sühnen blutig. So nahmen auf sich mutig Ihr Kreuz der Menschheit Helden und Befreier, Die mit dem Griffel, die mit frommen Thaten, Die mit dem Pflug und Spaten, Die mit des Schwertes Wucht, die mit der Leier, Denn alle sind des Mittlers, wie sie kamen, Die, ihn verklärend, von dem Seinen nahmen. Und sein sind, durch sein Lieben, alle Schmerzen
Der Welt, von Blute Abels des Gerechten Bis zu der Weltgeschichte letzten Plagen, Daß eine Dornenkrone mochte flechten Der Heilige daraus in seinem Herzen, Weit blutiger als die sein Haubt getragen. Er klagte unsre Klagen Und weinte unsre Thränen eh' wir waren, Damit hinfort wir seine Thränen weinen, Erhebend so zur reinen Natur des Mitgefühls den rohen, baaren, Unfrommen Schmerz, wo seiner Liebe Walten Alsbald uns trösten mag und neugestalten. Frei iſt der Geiſt, doch iſt beſtimmt ſein Wirken, Iſt — alſo will er's — ſtrengem Maß verfallen‚ Und weil er Liebe ſein will, himmelsglutig Erwählend demutvolles Erdenwallen, Muß er in ihm entfremdeten Bezirken Geſammte Schuld der Erde ſühnen blutig. So nahmen auf ſich mutig Ihr Kreuz der Menſchheit Helden und Befreier, Die mit dem Griffel, die mit frommen Thaten, Die mit dem Pflug und Spaten, Die mit des Schwertes Wucht, die mit der Leier, Denn alle ſind des Mittlers, wie ſie kamen, Die, ihn verklärend, von dem Seinen nahmen. Und ſein ſind, durch ſein Lieben, alle Schmerzen
Der Welt, von Blute Abels des Gerechten Bis zu der Weltgeſchichte letzten Plagen‚ Daß eine Dornenkrone mochte flechten Der Heilige daraus in ſeinem Herzen, Weit blutiger als die ſein Haubt getragen. Er klagte unſre Klagen Und weinte unſre Thränen eh' wir waren‚ Damit hinfort wir ſeine Thränen weinen, Erhebend ſo zur reinen Natur des Mitgefühls den rohen, baaren, Unfrommen Schmerz, wo ſeiner Liebe Walten Alsbald uns tröſten mag und neugeſtalten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0068" n="54"/> <lg n="2"> <l>Frei iſt der Geiſt, doch iſt beſtimmt ſein Wirken,</l><lb/> <l>Iſt — alſo will er's — ſtrengem Maß verfallen‚</l><lb/> <l>Und weil er Liebe ſein will, himmelsglutig</l><lb/> <l>Erwählend demutvolles Erdenwallen,</l><lb/> <l>Muß er in ihm entfremdeten Bezirken</l><lb/> <l>Geſammte Schuld der Erde ſühnen blutig.</l><lb/> <l>So nahmen auf ſich mutig</l><lb/> <l>Ihr Kreuz der Menſchheit Helden und Befreier,</l><lb/> <l>Die mit dem Griffel, die mit frommen Thaten,</l><lb/> <l>Die mit dem Pflug und Spaten,</l><lb/> <l>Die mit des Schwertes Wucht, die mit der Leier,</l><lb/> <l>Denn alle ſind des Mittlers, wie ſie kamen,</l><lb/> <l>Die, ihn verklärend, von dem Seinen nahmen.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Und ſein ſind, durch ſein Lieben, alle Schmerzen</l><lb/> <l>Der Welt, von Blute Abels des Gerechten</l><lb/> <l>Bis zu der Weltgeſchichte letzten Plagen‚</l><lb/> <l>Daß eine Dornenkrone mochte flechten</l><lb/> <l>Der Heilige daraus in ſeinem Herzen,</l><lb/> <l>Weit blutiger als die ſein Haubt getragen.</l><lb/> <l>Er klagte unſre Klagen</l><lb/> <l>Und weinte unſre Thränen eh' wir waren‚</l><lb/> <l>Damit hinfort wir <hi rendition="#g">ſeine</hi> Thränen weinen,</l><lb/> <l>Erhebend ſo zur reinen</l><lb/> <l>Natur des Mitgefühls den rohen, baaren,</l><lb/> <l>Unfrommen Schmerz, wo ſeiner Liebe Walten</l><lb/> <l>Alsbald uns tröſten mag und neugeſtalten.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0068]
Frei iſt der Geiſt, doch iſt beſtimmt ſein Wirken,
Iſt — alſo will er's — ſtrengem Maß verfallen‚
Und weil er Liebe ſein will, himmelsglutig
Erwählend demutvolles Erdenwallen,
Muß er in ihm entfremdeten Bezirken
Geſammte Schuld der Erde ſühnen blutig.
So nahmen auf ſich mutig
Ihr Kreuz der Menſchheit Helden und Befreier,
Die mit dem Griffel, die mit frommen Thaten,
Die mit dem Pflug und Spaten,
Die mit des Schwertes Wucht, die mit der Leier,
Denn alle ſind des Mittlers, wie ſie kamen,
Die, ihn verklärend, von dem Seinen nahmen.
Und ſein ſind, durch ſein Lieben, alle Schmerzen
Der Welt, von Blute Abels des Gerechten
Bis zu der Weltgeſchichte letzten Plagen‚
Daß eine Dornenkrone mochte flechten
Der Heilige daraus in ſeinem Herzen,
Weit blutiger als die ſein Haubt getragen.
Er klagte unſre Klagen
Und weinte unſre Thränen eh' wir waren‚
Damit hinfort wir ſeine Thränen weinen,
Erhebend ſo zur reinen
Natur des Mitgefühls den rohen, baaren,
Unfrommen Schmerz, wo ſeiner Liebe Walten
Alsbald uns tröſten mag und neugeſtalten.
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