Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Tropfen dieser Fluten ward gefangen
In ärmlich ird'nem Krüglein. Welch ein Wunder!
Ein Brunnen ward's, der wie er floß und fließet,
Doch nie versieget noch verarmt bei runder
Umlagerung des Volks, das mit Verlangen
Die Flut schöpft, die sich fort und fort ergießet.
Der Born der also schießet
In Kraft und Frische, tiefher, klar und klingend,
Das ist das höchste Schrift gewordne Leben,
Das neustets sich erheben
Und Leben werden will, die Welt durchdringend;
Das ist die Schrift die unter allen Schriften
Bestimmt ist ein Weltschriftenthum zu stiften.
Hier sind in staunenswürdig festen Zügen
So Wissenschaft wie Glauben uns begründet
Und im Unendlich-Endlichen gesetzet,
Als wo sich Denken und Gefühl entzündet
Und Jegliches Bestand hat und Genügen,
Wenn außerhalb sich Alles morsch zerfetzet.
Von Himmelsthau benetzet
Grünt hier ein Musterbild den schönen Künsten
Im Sprößling Isai's. Hier geußt die Liebe
Der sittlich reinen Triebe
Stromurne silberblinkend her aus Dünsten.
Der Gottmenschheit Gesammterscheinungsformen
Blüh'n hier in unvergänglich hohen Normen.
Ein Tropfen dieſer Fluten ward gefangen
In ärmlich ird'nem Krüglein. Welch ein Wunder!
Ein Brunnen ward's, der wie er floß und fließet,
Doch nie verſieget noch verarmt bei runder
Umlagerung des Volks, das mit Verlangen
Die Flut ſchöpft, die ſich fort und fort ergießet.
Der Born der alſo ſchießet
In Kraft und Friſche, tiefher, klar und klingend,
Das iſt das höchſte Schrift gewordne Leben,
Das neuſtets ſich erheben
Und Leben werden will, die Welt durchdringend;
Das iſt die Schrift die unter allen Schriften
Beſtimmt iſt ein Weltſchriftenthum zu ſtiften.
Hier ſind in ſtaunenswürdig feſten Zügen
So Wiſſenſchaft wie Glauben uns begründet
Und im Unendlich-Endlichen geſetzet,
Als wo ſich Denken und Gefühl entzündet
Und Jegliches Beſtand hat und Genügen,
Wenn außerhalb ſich Alles morſch zerfetzet.
Von Himmelsthau benetzet
Grünt hier ein Muſterbild den ſchönen Künſten
Im Sprößling Iſai's. Hier geußt die Liebe
Der ſittlich reinen Triebe
Stromurne ſilberblinkend her aus Dünſten.
Der Gottmenſchheit Geſammterſcheinungsformen
Blüh'n hier in unvergänglich hohen Normen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0052" n="38"/>
            <lg n="4">
              <l>Ein Tropfen die&#x017F;er Fluten ward gefangen</l><lb/>
              <l>In ärmlich ird'nem Krüglein. Welch ein Wunder!</l><lb/>
              <l>Ein Brunnen ward's, der wie er floß und fließet,</l><lb/>
              <l>Doch nie ver&#x017F;ieget noch verarmt bei runder</l><lb/>
              <l>Umlagerung des Volks, das mit Verlangen</l><lb/>
              <l>Die Flut &#x017F;chöpft, die &#x017F;ich fort und fort ergießet.</l><lb/>
              <l>Der Born der al&#x017F;o &#x017F;chießet</l><lb/>
              <l>In Kraft und Fri&#x017F;che, tiefher, klar und klingend,</l><lb/>
              <l>Das i&#x017F;t das höch&#x017F;te Schrift gewordne Leben,</l><lb/>
              <l>Das neu&#x017F;tets &#x017F;ich erheben</l><lb/>
              <l>Und Leben werden will, die Welt durchdringend;</l><lb/>
              <l>Das i&#x017F;t die Schrift die unter allen Schriften</l><lb/>
              <l>Be&#x017F;timmt i&#x017F;t ein Welt&#x017F;chriftenthum zu &#x017F;tiften.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Hier &#x017F;ind in &#x017F;taunenswürdig fe&#x017F;ten Zügen</l><lb/>
              <l>So Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft wie Glauben uns begründet</l><lb/>
              <l>Und im Unendlich-Endlichen ge&#x017F;etzet,</l><lb/>
              <l>Als wo &#x017F;ich Denken und Gefühl entzündet</l><lb/>
              <l>Und Jegliches Be&#x017F;tand hat und Genügen,</l><lb/>
              <l>Wenn außerhalb &#x017F;ich Alles mor&#x017F;ch zerfetzet.</l><lb/>
              <l>Von Himmelsthau benetzet</l><lb/>
              <l>Grünt hier ein Mu&#x017F;terbild den &#x017F;chönen Kün&#x017F;ten</l><lb/>
              <l>Im Sprößling I&#x017F;ai's. Hier geußt die Liebe</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;ittlich reinen Triebe</l><lb/>
              <l>Stromurne &#x017F;ilberblinkend her aus Dün&#x017F;ten.</l><lb/>
              <l>Der Gottmen&#x017F;chheit Ge&#x017F;ammter&#x017F;cheinungsformen</l><lb/>
              <l>Blüh'n hier in unvergänglich hohen Normen.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0052] Ein Tropfen dieſer Fluten ward gefangen In ärmlich ird'nem Krüglein. Welch ein Wunder! Ein Brunnen ward's, der wie er floß und fließet, Doch nie verſieget noch verarmt bei runder Umlagerung des Volks, das mit Verlangen Die Flut ſchöpft, die ſich fort und fort ergießet. Der Born der alſo ſchießet In Kraft und Friſche, tiefher, klar und klingend, Das iſt das höchſte Schrift gewordne Leben, Das neuſtets ſich erheben Und Leben werden will, die Welt durchdringend; Das iſt die Schrift die unter allen Schriften Beſtimmt iſt ein Weltſchriftenthum zu ſtiften. Hier ſind in ſtaunenswürdig feſten Zügen So Wiſſenſchaft wie Glauben uns begründet Und im Unendlich-Endlichen geſetzet, Als wo ſich Denken und Gefühl entzündet Und Jegliches Beſtand hat und Genügen, Wenn außerhalb ſich Alles morſch zerfetzet. Von Himmelsthau benetzet Grünt hier ein Muſterbild den ſchönen Künſten Im Sprößling Iſai's. Hier geußt die Liebe Der ſittlich reinen Triebe Stromurne ſilberblinkend her aus Dünſten. Der Gottmenſchheit Geſammterſcheinungsformen Blüh'n hier in unvergänglich hohen Normen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/52
Zitationshilfe: Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/52>, abgerufen am 01.05.2024.