Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.Dein Geist ist deine Weise Gott zu haben, Ist deine Demut und dein Selbstbewußtsein, Denn weil du endlich, ist der Vater größer, Doch gleichermaßen mußt' in deiner Brust sein Ein Selbstgefühl unnennbar, hehr, erhaben, Eins ja mit Gotte warst du, mein Erlöser! Wenn du mich nun, Entblößer Von allen Mosisdecken, mir bewährest Als tief von deiner Herrlichkeit durchdrungen, Und wie durch Spiegelungen Mich in ein dir verwandtes Bild verklärest, Ja mich zur Brudergleichheit willst erwählen, Muß Demut nicht und Stolz auch mich beseelen? Du wolltest niemals gut geheißen werden,
"Nur Gott ist gut," so sprachst du groß bescheiden, Doch warst du Eins mit Gott, weil nur als nichtig Du dich von Gotte konntest unterscheiden, Und ob du als ein Mensch zwar an Geberden Und mannichfacher Schwachheit warst ersichtig, Warst du doch nimmer pflichtig Noch unterworfen dem Gesetz der Sünden, Denn über die persönlich enge Schranke Hinaus war dein Gedanke, Gott mochtest du als wahres Selbst verkünden. Zu gleicher Reinheit drängst du nun die Geister. So wardst du dienend unser Aller Meister. Dein Geiſt iſt deine Weiſe Gott zu haben, Iſt deine Demut und dein Selbſtbewußtſein, Denn weil du endlich, iſt der Vater größer, Doch gleichermaßen mußt' in deiner Bruſt ſein Ein Selbſtgefühl unnennbar, hehr, erhaben, Eins ja mit Gotte warſt du, mein Erlöſer! Wenn du mich nun, Entblößer Von allen Moſisdecken, mir bewähreſt Als tief von deiner Herrlichkeit durchdrungen, Und wie durch Spiegelungen Mich in ein dir verwandtes Bild verkläreſt, Ja mich zur Brudergleichheit willſt erwählen, Muß Demut nicht und Stolz auch mich beſeelen? Du wollteſt niemals gut geheißen werden,
„Nur Gott iſt gut,“ ſo ſprachſt du groß beſcheiden, Doch warſt du Eins mit Gott, weil nur als nichtig Du dich von Gotte konnteſt unterſcheiden, Und ob du als ein Menſch zwar an Geberden Und mannichfacher Schwachheit warſt erſichtig, Warſt du doch nimmer pflichtig Noch unterworfen dem Geſetz der Sünden, Denn über die perſönlich enge Schranke Hinaus war dein Gedanke, Gott mochteſt du als wahres Selbſt verkünden. Zu gleicher Reinheit drängſt du nun die Geiſter. So wardſt du dienend unſer Aller Meiſter. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0027" n="13"/> <lg n="2"> <l>Dein Geiſt iſt deine Weiſe Gott zu haben,</l><lb/> <l>Iſt deine Demut und dein Selbſtbewußtſein,</l><lb/> <l>Denn weil du <hi rendition="#g">endlich</hi>, iſt der Vater größer,</l><lb/> <l>Doch gleichermaßen mußt' in deiner Bruſt ſein</l><lb/> <l>Ein Selbſtgefühl unnennbar, hehr, erhaben,</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Eins</hi> ja mit Gotte warſt du, mein Erlöſer!</l><lb/> <l>Wenn du mich nun, Entblößer</l><lb/> <l>Von allen Moſisdecken, mir bewähreſt</l><lb/> <l>Als tief von deiner Herrlichkeit durchdrungen,</l><lb/> <l>Und wie durch Spiegelungen</l><lb/> <l>Mich in ein dir verwandtes Bild verkläreſt,</l><lb/> <l>Ja mich zur Brudergleichheit willſt erwählen,</l><lb/> <l>Muß Demut nicht und Stolz <hi rendition="#g">auch mich</hi> beſeelen?</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Du wollteſt niemals <hi rendition="#g">gut</hi> geheißen werden,</l><lb/> <l>„Nur Gott iſt gut,“ ſo ſprachſt du groß beſcheiden,</l><lb/> <l>Doch warſt du Eins mit Gott, weil nur als nichtig</l><lb/> <l>Du dich von Gotte konnteſt unterſcheiden,</l><lb/> <l>Und ob du als ein Menſch zwar an Geberden</l><lb/> <l>Und mannichfacher Schwachheit warſt erſichtig,</l><lb/> <l>Warſt du doch nimmer pflichtig</l><lb/> <l>Noch unterworfen dem Geſetz der Sünden,</l><lb/> <l>Denn über die perſönlich enge Schranke</l><lb/> <l>Hinaus war dein Gedanke,</l><lb/> <l>Gott mochteſt du als wahres Selbſt verkünden.</l><lb/> <l>Zu gleicher Reinheit drängſt du nun die Geiſter.</l><lb/> <l>So wardſt du dienend unſer Aller Meiſter.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0027]
Dein Geiſt iſt deine Weiſe Gott zu haben,
Iſt deine Demut und dein Selbſtbewußtſein,
Denn weil du endlich, iſt der Vater größer,
Doch gleichermaßen mußt' in deiner Bruſt ſein
Ein Selbſtgefühl unnennbar, hehr, erhaben,
Eins ja mit Gotte warſt du, mein Erlöſer!
Wenn du mich nun, Entblößer
Von allen Moſisdecken, mir bewähreſt
Als tief von deiner Herrlichkeit durchdrungen,
Und wie durch Spiegelungen
Mich in ein dir verwandtes Bild verkläreſt,
Ja mich zur Brudergleichheit willſt erwählen,
Muß Demut nicht und Stolz auch mich beſeelen?
Du wollteſt niemals gut geheißen werden,
„Nur Gott iſt gut,“ ſo ſprachſt du groß beſcheiden,
Doch warſt du Eins mit Gott, weil nur als nichtig
Du dich von Gotte konnteſt unterſcheiden,
Und ob du als ein Menſch zwar an Geberden
Und mannichfacher Schwachheit warſt erſichtig,
Warſt du doch nimmer pflichtig
Noch unterworfen dem Geſetz der Sünden,
Denn über die perſönlich enge Schranke
Hinaus war dein Gedanke,
Gott mochteſt du als wahres Selbſt verkünden.
Zu gleicher Reinheit drängſt du nun die Geiſter.
So wardſt du dienend unſer Aller Meiſter.
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Zitationshilfe: | Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/27>, abgerufen am 05.07.2024. |