Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.Die ihr aus Schutt nun grabet Götterbilder, Mit euch will schwelgen ich im Werk der Musen, Doch ob auch vor dem Donnerer durchfähret Gotthaftes Ahnen der Beschauer Busen, Gotthafter däucht mir, trauter auch und milder Ein lebend Menschenantlitz das verkläret Als Spiegel sich bewähret Der Herrlichkeit die sich vom Kreuz ergossen. Doch ferner Zukunft bleibt, ach! vorbehalten Das Leben zu gestalten, Denn dies Geschlecht hat Flügel nicht noch Flossen. Sie haben nicht und sind auch keine Götter, Und noch die Besten sind fürwahr die Spötter. Sie wenigstens doch zeigen durch ihr Höhnen
Vorhandnen Sinn, Beregniß, zeigen Feindschaft, Und oft ist Feindschaft mißverstand'ne Liebe. Mißbildern kniet der Frömmlinge Gemeinschaft Anstatt der Urbildung, der hohen, schönen, Zerrbildern, wert zermalmungsvollster Hiebe. In seinem dunkeln Triebe Dient da der Gottheit mancher Lästrer Gottes Weit besser als die dumpfigen Gesellen, Die nie die Brust erschwellen Sich fühlten bei dem freien Hauch des Spottes. Wol gilt manch Nein als Ja hoch ob den Sternen. Doch Theilnahmlosigkeit mag nichts erlernen. Die ihr aus Schutt nun grabet Götterbilder, Mit euch will ſchwelgen ich im Werk der Muſen, Doch ob auch vor dem Donnerer durchfähret Gotthaftes Ahnen der Beſchauer Buſen, Gotthafter däucht mir, trauter auch und milder Ein lebend Menſchenantlitz das verkläret Als Spiegel ſich bewähret Der Herrlichkeit die ſich vom Kreuz ergoſſen. Doch ferner Zukunft bleibt, ach! vorbehalten Das Leben zu geſtalten, Denn dies Geſchlecht hat Flügel nicht noch Floſſen. Sie haben nicht und ſind auch keine Götter, Und noch die Beſten ſind fürwahr die Spötter. Sie wenigſtens doch zeigen durch ihr Höhnen
Vorhandnen Sinn, Beregniß, zeigen Feindſchaft, Und oft iſt Feindſchaft mißverſtand'ne Liebe. Mißbildern kniet der Frömmlinge Gemeinſchaft Anſtatt der Urbildung, der hohen, ſchönen, Zerrbildern, wert zermalmungsvollſter Hiebe. In ſeinem dunkeln Triebe Dient da der Gottheit mancher Läſtrer Gottes Weit beſſer als die dumpfigen Geſellen, Die nie die Bruſt erſchwellen Sich fühlten bei dem freien Hauch des Spottes. Wol gilt manch Nein als Ja hoch ob den Sternen. Doch Theilnahmloſigkeit mag nichts erlernen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0019" n="5"/> <lg n="4"> <l>Die ihr aus Schutt nun grabet Götterbilder,</l><lb/> <l>Mit euch will ſchwelgen ich im Werk der Muſen,</l><lb/> <l>Doch ob auch vor dem Donnerer durchfähret</l><lb/> <l>Gotthaftes Ahnen der Beſchauer Buſen,</l><lb/> <l>Gotthafter däucht mir, trauter auch und milder</l><lb/> <l>Ein lebend Menſchenantlitz das verkläret</l><lb/> <l>Als Spiegel ſich bewähret</l><lb/> <l>Der Herrlichkeit die ſich vom Kreuz ergoſſen.</l><lb/> <l>Doch ferner Zukunft bleibt, ach! vorbehalten</l><lb/> <l>Das Leben zu geſtalten,</l><lb/> <l>Denn dies Geſchlecht hat Flügel nicht noch Floſſen.</l><lb/> <l>Sie <hi rendition="#g">haben</hi> nicht und <hi rendition="#g">ſind</hi> auch keine Götter,</l><lb/> <l>Und noch die Beſten ſind fürwahr die Spötter.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Sie wenigſtens doch zeigen durch ihr Höhnen</l><lb/> <l>Vorhandnen Sinn, Beregniß, zeigen Feindſchaft,</l><lb/> <l>Und oft iſt Feindſchaft mißverſtand'ne Liebe.</l><lb/> <l>Mißbildern kniet der Frömmlinge Gemeinſchaft</l><lb/> <l>Anſtatt der Urbildung, der hohen, ſchönen,</l><lb/> <l>Zerrbildern, wert zermalmungsvollſter Hiebe.</l><lb/> <l>In ſeinem dunkeln Triebe</l><lb/> <l>Dient da der Gottheit mancher Läſtrer Gottes</l><lb/> <l>Weit beſſer als die dumpfigen Geſellen,</l><lb/> <l>Die nie die Bruſt erſchwellen</l><lb/> <l>Sich fühlten bei dem freien Hauch des Spottes.</l><lb/> <l>Wol gilt manch Nein als Ja hoch ob den Sternen.</l><lb/> <l>Doch Theilnahmloſigkeit mag nichts erlernen.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0019]
Die ihr aus Schutt nun grabet Götterbilder,
Mit euch will ſchwelgen ich im Werk der Muſen,
Doch ob auch vor dem Donnerer durchfähret
Gotthaftes Ahnen der Beſchauer Buſen,
Gotthafter däucht mir, trauter auch und milder
Ein lebend Menſchenantlitz das verkläret
Als Spiegel ſich bewähret
Der Herrlichkeit die ſich vom Kreuz ergoſſen.
Doch ferner Zukunft bleibt, ach! vorbehalten
Das Leben zu geſtalten,
Denn dies Geſchlecht hat Flügel nicht noch Floſſen.
Sie haben nicht und ſind auch keine Götter,
Und noch die Beſten ſind fürwahr die Spötter.
Sie wenigſtens doch zeigen durch ihr Höhnen
Vorhandnen Sinn, Beregniß, zeigen Feindſchaft,
Und oft iſt Feindſchaft mißverſtand'ne Liebe.
Mißbildern kniet der Frömmlinge Gemeinſchaft
Anſtatt der Urbildung, der hohen, ſchönen,
Zerrbildern, wert zermalmungsvollſter Hiebe.
In ſeinem dunkeln Triebe
Dient da der Gottheit mancher Läſtrer Gottes
Weit beſſer als die dumpfigen Geſellen,
Die nie die Bruſt erſchwellen
Sich fühlten bei dem freien Hauch des Spottes.
Wol gilt manch Nein als Ja hoch ob den Sternen.
Doch Theilnahmloſigkeit mag nichts erlernen.
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Zitationshilfe: | Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/19>, abgerufen am 27.07.2024. |