ruhige, kaltblütige Festigkeit eigen zu machen; die Vortheile davon sind unzählbar, und es würde zu weitläuftig sein, sie dir vorzurechnen. Durch Sorgfalt und Ueberlegung kan man sich zu dieser glüklichen Fassung gewöhnen; könte man das nicht, so wäre wahrlich die Vernunft, welche den Menschen vom Thiere unterscheidet, uns ohne Zwek gegeben. Auch kan das einen Beweis hievon abgeben: ich habe nie einen Quäker in Affekt gesehen, und ich besinne mich kaum, von einem gehört zu haben. In Wahr- heit, es herscht in dieser Sekte eine so genaue Beobachtung des Wohlstandes und eine so lie- benswürdige Einfalt, als ich noch bei keiner an- dern gefunden habe.
(Wer sich nicht selbst genug in seiner Gewalt hat, um unangenehme Dinge ohne sichtbare Merk- male des Zorns oder Veränderung der Miene, ingleichen angenehme ohne plözliche Ausbrüche der Freude und Aufheiterung des Gesichts anzu- hören, der steht in der Gewalt jedes listigen Betrügers oder unverschämten Gekken. Der erste wird ihn mit Absicht reizen, oder ihm schmei-
cheln,
ruhige, kaltbluͤtige Feſtigkeit eigen zu machen; die Vortheile davon ſind unzaͤhlbar, und es wuͤrde zu weitlaͤuftig ſein, ſie dir vorzurechnen. Durch Sorgfalt und Ueberlegung kan man ſich zu dieſer gluͤklichen Faſſung gewoͤhnen; koͤnte man das nicht, ſo waͤre wahrlich die Vernunft, welche den Menſchen vom Thiere unterſcheidet, uns ohne Zwek gegeben. Auch kan das einen Beweis hievon abgeben: ich habe nie einen Quaͤker in Affekt geſehen, und ich beſinne mich kaum, von einem gehoͤrt zu haben. In Wahr- heit, es herſcht in dieſer Sekte eine ſo genaue Beobachtung des Wohlſtandes und eine ſo lie- benswuͤrdige Einfalt, als ich noch bei keiner an- dern gefunden habe.
(Wer ſich nicht ſelbſt genug in ſeiner Gewalt hat, um unangenehme Dinge ohne ſichtbare Merk- male des Zorns oder Veraͤnderung der Miene, ingleichen angenehme ohne ploͤzliche Ausbruͤche der Freude und Aufheiterung des Geſichts anzu- hoͤren, der ſteht in der Gewalt jedes liſtigen Betruͤgers oder unverſchaͤmten Gekken. Der erſte wird ihn mit Abſicht reizen, oder ihm ſchmei-
cheln,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0067"n="61"/>
ruhige, kaltbluͤtige Feſtigkeit eigen zu machen;<lb/>
die Vortheile davon ſind unzaͤhlbar, und es<lb/>
wuͤrde zu weitlaͤuftig ſein, ſie dir vorzurechnen.<lb/>
Durch Sorgfalt und Ueberlegung kan man ſich<lb/>
zu dieſer gluͤklichen Faſſung gewoͤhnen; koͤnte<lb/>
man das nicht, ſo waͤre wahrlich die Vernunft,<lb/>
welche den Menſchen vom Thiere unterſcheidet,<lb/>
uns ohne Zwek gegeben. Auch kan das einen<lb/>
Beweis hievon abgeben: ich habe nie einen<lb/>
Quaͤker in Affekt geſehen, und ich beſinne mich<lb/>
kaum, von einem gehoͤrt zu haben. In Wahr-<lb/>
heit, es herſcht in dieſer Sekte eine ſo genaue<lb/>
Beobachtung des Wohlſtandes und eine ſo lie-<lb/>
benswuͤrdige Einfalt, als ich noch bei keiner an-<lb/>
dern gefunden habe.</p><lb/><p>(Wer ſich nicht ſelbſt genug in ſeiner Gewalt<lb/>
hat, um unangenehme Dinge ohne ſichtbare Merk-<lb/>
male des Zorns oder Veraͤnderung der Miene,<lb/>
ingleichen angenehme ohne ploͤzliche Ausbruͤche<lb/>
der Freude und Aufheiterung des Geſichts anzu-<lb/>
hoͤren, der ſteht in der Gewalt jedes liſtigen<lb/>
Betruͤgers oder unverſchaͤmten Gekken. Der<lb/>
erſte wird ihn mit Abſicht reizen, oder ihm ſchmei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">cheln,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[61/0067]
ruhige, kaltbluͤtige Feſtigkeit eigen zu machen;
die Vortheile davon ſind unzaͤhlbar, und es
wuͤrde zu weitlaͤuftig ſein, ſie dir vorzurechnen.
Durch Sorgfalt und Ueberlegung kan man ſich
zu dieſer gluͤklichen Faſſung gewoͤhnen; koͤnte
man das nicht, ſo waͤre wahrlich die Vernunft,
welche den Menſchen vom Thiere unterſcheidet,
uns ohne Zwek gegeben. Auch kan das einen
Beweis hievon abgeben: ich habe nie einen
Quaͤker in Affekt geſehen, und ich beſinne mich
kaum, von einem gehoͤrt zu haben. In Wahr-
heit, es herſcht in dieſer Sekte eine ſo genaue
Beobachtung des Wohlſtandes und eine ſo lie-
benswuͤrdige Einfalt, als ich noch bei keiner an-
dern gefunden habe.
(Wer ſich nicht ſelbſt genug in ſeiner Gewalt
hat, um unangenehme Dinge ohne ſichtbare Merk-
male des Zorns oder Veraͤnderung der Miene,
ingleichen angenehme ohne ploͤzliche Ausbruͤche
der Freude und Aufheiterung des Geſichts anzu-
hoͤren, der ſteht in der Gewalt jedes liſtigen
Betruͤgers oder unverſchaͤmten Gekken. Der
erſte wird ihn mit Abſicht reizen, oder ihm ſchmei-
cheln,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/67>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.