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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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achtung; und angethanes Unrecht wird eher ver-
gessen, als Beschimpfung. Wilst du daher lieber
gefallen als beleidigen, wilst du lieber wohl als
übel von dir geredet haben, wilst du lieber geliebt
als gehaßt sein: so bedenke fein, daß du beständig
diejenige Aufmerksamkeit haben mußt, die jedes
Menschen kleiner Eitelkeit schmeichelt, und deren
Abwesenheit, indem sie seinen Stolz kränkt, nie-
mahls ermangelt, seine Rachgier, wenigstens seine
Ungunst, rege zu machen.)

(Zum Beispiel! Die meisten Leute, ich könte
sagen, alle, haben ihre Schwachheiten, ihre be-
sondre Abneigung oder ihr besonderes Wohlge-
fallen in Ansehung dieser oder jener Dinge. Wol-
test du also einen Menschen wegen seiner Abnei-
gung vor Kazen oder Käse (und diese ist sehr ge-
wöhnlich) auslachen, oder sie aus Muthwillen
oder Nachlässigkeit ihm in den Weg kommen lassen,
wenn du es doch verhüten köntest: so würd' er
im ersten Falle sich für beleidigt, im zweiten für
geringgeschäzt halten, und beides ahnden. Hin-
gegen deine Sorgfalt, ihm das, was ihm gefält,
zu verschaffen, und das, was er haßt, von ihm

zu

achtung; und angethanes Unrecht wird eher ver-
geſſen, als Beſchimpfung. Wilſt du daher lieber
gefallen als beleidigen, wilſt du lieber wohl als
uͤbel von dir geredet haben, wilſt du lieber geliebt
als gehaßt ſein: ſo bedenke fein, daß du beſtaͤndig
diejenige Aufmerkſamkeit haben mußt, die jedes
Menſchen kleiner Eitelkeit ſchmeichelt, und deren
Abweſenheit, indem ſie ſeinen Stolz kraͤnkt, nie-
mahls ermangelt, ſeine Rachgier, wenigſtens ſeine
Ungunſt, rege zu machen.)

(Zum Beiſpiel! Die meiſten Leute, ich koͤnte
ſagen, alle, haben ihre Schwachheiten, ihre be-
ſondre Abneigung oder ihr beſonderes Wohlge-
fallen in Anſehung dieſer oder jener Dinge. Wol-
teſt du alſo einen Menſchen wegen ſeiner Abnei-
gung vor Kazen oder Kaͤſe (und dieſe iſt ſehr ge-
woͤhnlich) auslachen, oder ſie aus Muthwillen
oder Nachlaͤſſigkeit ihm in den Weg kommen laſſen,
wenn du es doch verhuͤten koͤnteſt: ſo wuͤrd’ er
im erſten Falle ſich fuͤr beleidigt, im zweiten fuͤr
geringgeſchaͤzt halten, und beides ahnden. Hin-
gegen deine Sorgfalt, ihm das, was ihm gefaͤlt,
zu verſchaffen, und das, was er haßt, von ihm

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[15/0021] achtung; und angethanes Unrecht wird eher ver- geſſen, als Beſchimpfung. Wilſt du daher lieber gefallen als beleidigen, wilſt du lieber wohl als uͤbel von dir geredet haben, wilſt du lieber geliebt als gehaßt ſein: ſo bedenke fein, daß du beſtaͤndig diejenige Aufmerkſamkeit haben mußt, die jedes Menſchen kleiner Eitelkeit ſchmeichelt, und deren Abweſenheit, indem ſie ſeinen Stolz kraͤnkt, nie- mahls ermangelt, ſeine Rachgier, wenigſtens ſeine Ungunſt, rege zu machen.) (Zum Beiſpiel! Die meiſten Leute, ich koͤnte ſagen, alle, haben ihre Schwachheiten, ihre be- ſondre Abneigung oder ihr beſonderes Wohlge- fallen in Anſehung dieſer oder jener Dinge. Wol- teſt du alſo einen Menſchen wegen ſeiner Abnei- gung vor Kazen oder Kaͤſe (und dieſe iſt ſehr ge- woͤhnlich) auslachen, oder ſie aus Muthwillen oder Nachlaͤſſigkeit ihm in den Weg kommen laſſen, wenn du es doch verhuͤten koͤnteſt: ſo wuͤrd’ er im erſten Falle ſich fuͤr beleidigt, im zweiten fuͤr geringgeſchaͤzt halten, und beides ahnden. Hin- gegen deine Sorgfalt, ihm das, was ihm gefaͤlt, zu verſchaffen, und das, was er haßt, von ihm zu

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/21>, abgerufen am 24.04.2024.