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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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Ton auf der hohen Schule aufzuwerfen. Bis
dahin hatt' er sich mit geringfügigen Lustbarkeiten
begnügt, die aber unschuldig, und dem Stande
eines studirenden Jünglings angemessen waren.
Allein nunmehr erweiterten sich seine Verbindun-
gen, folglich auch seine Absichten.

Um den Man völlig auszubilden, fand er,
daß es nöthig wäre, sich durch Thaten hervorzu-
thun, die über eines schwachen Schulknaben Kräfte
hinausgingen. Alsbald ward er, ohne Antrieb
der Leidenschaft, ein Wollüstling, ohne Liebe zum
Weine, ein Trunkenbold.

Was war aber die Folge dieser plözlichen Ver-
änderung? -- An die Stelle unschuldiger Lustig-
keit, und einer natürlichen Heiterkeit trat erzwung-
nes Lächeln und erkünstelter Leichtsin. Wiewohl
ihm seine Aufführung leid war, hatt' er doch nicht
Standhaftigkeit genug, sie zu bessern. Mit Wi-
derstreben kehrt' er zu Vergnügungen zurük, die
er in seinem Herzen verabscheute, um den zudrin-
genden Gedanken Einhalt zu thun, und sein sit-
liches Gefühl immer mehr und mehr abzustumpfen.
Erfahrung hatte ihm nunmehr schon genug vom

Laster

Ton auf der hohen Schule aufzuwerfen. Bis
dahin hatt’ er ſich mit geringfuͤgigen Luſtbarkeiten
begnuͤgt, die aber unſchuldig, und dem Stande
eines ſtudirenden Juͤnglings angemeſſen waren.
Allein nunmehr erweiterten ſich ſeine Verbindun-
gen, folglich auch ſeine Abſichten.

Um den Man voͤllig auszubilden, fand er,
daß es noͤthig waͤre, ſich durch Thaten hervorzu-
thun, die uͤber eines ſchwachen Schulknaben Kraͤfte
hinausgingen. Alsbald ward er, ohne Antrieb
der Leidenſchaft, ein Wolluͤſtling, ohne Liebe zum
Weine, ein Trunkenbold.

Was war aber die Folge dieſer ploͤzlichen Ver-
aͤnderung? — An die Stelle unſchuldiger Luſtig-
keit, und einer natuͤrlichen Heiterkeit trat erzwung-
nes Laͤcheln und erkuͤnſtelter Leichtſin. Wiewohl
ihm ſeine Auffuͤhrung leid war, hatt’ er doch nicht
Standhaftigkeit genug, ſie zu beſſern. Mit Wi-
derſtreben kehrt’ er zu Vergnuͤgungen zuruͤk, die
er in ſeinem Herzen verabſcheute, um den zudrin-
genden Gedanken Einhalt zu thun, und ſein ſit-
liches Gefuͤhl immer mehr und mehr abzuſtumpfen.
Erfahrung hatte ihm nunmehr ſchon genug vom

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[178/0184] Ton auf der hohen Schule aufzuwerfen. Bis dahin hatt’ er ſich mit geringfuͤgigen Luſtbarkeiten begnuͤgt, die aber unſchuldig, und dem Stande eines ſtudirenden Juͤnglings angemeſſen waren. Allein nunmehr erweiterten ſich ſeine Verbindun- gen, folglich auch ſeine Abſichten. Um den Man voͤllig auszubilden, fand er, daß es noͤthig waͤre, ſich durch Thaten hervorzu- thun, die uͤber eines ſchwachen Schulknaben Kraͤfte hinausgingen. Alsbald ward er, ohne Antrieb der Leidenſchaft, ein Wolluͤſtling, ohne Liebe zum Weine, ein Trunkenbold. Was war aber die Folge dieſer ploͤzlichen Ver- aͤnderung? — An die Stelle unſchuldiger Luſtig- keit, und einer natuͤrlichen Heiterkeit trat erzwung- nes Laͤcheln und erkuͤnſtelter Leichtſin. Wiewohl ihm ſeine Auffuͤhrung leid war, hatt’ er doch nicht Standhaftigkeit genug, ſie zu beſſern. Mit Wi- derſtreben kehrt’ er zu Vergnuͤgungen zuruͤk, die er in ſeinem Herzen verabſcheute, um den zudrin- genden Gedanken Einhalt zu thun, und ſein ſit- liches Gefuͤhl immer mehr und mehr abzuſtumpfen. Erfahrung hatte ihm nunmehr ſchon genug vom Laſter

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/184>, abgerufen am 07.05.2024.