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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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genöthigt, diese Zeit mit deinem Hofmeister,
Herrn Harte, zuzubringen; ich, dein Vater,
wolt' es so haben; und du dürftest nicht anders
verfahren. Schieb nur die ganze Schuld auf
mich; wiewohl ich überzeugt bin, daß es eben
sowohl deine, als meine Neigung ist. Solchen
albernen müßigen Leuten, denen ihre Zeit zu lang
wird, und die gern auch andre um die ihrige
bringen wolten, darf man nicht erst Gründe vor-
legen; damit würde man ihnen wirklich zu viel
Ehre erweisen. Die kürzeste, höflichste Antwort
ist die beste. Ich kan nicht, ich darf nicht; nicht
aber, ich wil nicht. Denn woltest du dich mit ihnen
auf die Nothwendigkeit des Lernens und auf die
Nüzlichkeit der Wissenschaften einlassen, das gäbe
blos Stof zu ihren einfältigen Scherzreden, die
du zwar, wie ich verlange, nicht achten, jedoch
auch nicht veranlassen solst.

Ich wil einmahl annehmen, du befändest dich
zu Rom, studiertest jeden Vormittag sechs Stun-
den nach einander mit Herrn Harte, brächtest
deine Abende in der besten Geselschaft zu, beobach-
tetest deren Sitten, und bildetest dich nach ihnen.

Ferner
Theophron 2 Th. L

genoͤthigt, dieſe Zeit mit deinem Hofmeiſter,
Herrn Harte, zuzubringen; ich, dein Vater,
wolt’ es ſo haben; und du duͤrfteſt nicht anders
verfahren. Schieb nur die ganze Schuld auf
mich; wiewohl ich uͤberzeugt bin, daß es eben
ſowohl deine, als meine Neigung iſt. Solchen
albernen muͤßigen Leuten, denen ihre Zeit zu lang
wird, und die gern auch andre um die ihrige
bringen wolten, darf man nicht erſt Gruͤnde vor-
legen; damit wuͤrde man ihnen wirklich zu viel
Ehre erweiſen. Die kuͤrzeſte, hoͤflichſte Antwort
iſt die beſte. Ich kan nicht, ich darf nicht; nicht
aber, ich wil nicht. Denn wolteſt du dich mit ihnen
auf die Nothwendigkeit des Lernens und auf die
Nuͤzlichkeit der Wiſſenſchaften einlaſſen, das gaͤbe
blos Stof zu ihren einfaͤltigen Scherzreden, die
du zwar, wie ich verlange, nicht achten, jedoch
auch nicht veranlaſſen ſolſt.

Ich wil einmahl annehmen, du befaͤndeſt dich
zu Rom, ſtudierteſt jeden Vormittag ſechs Stun-
den nach einander mit Herrn Harte, braͤchteſt
deine Abende in der beſten Geſelſchaft zu, beobach-
teteſt deren Sitten, und bildeteſt dich nach ihnen.

Ferner
Theophron 2 Th. L
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[161/0167] genoͤthigt, dieſe Zeit mit deinem Hofmeiſter, Herrn Harte, zuzubringen; ich, dein Vater, wolt’ es ſo haben; und du duͤrfteſt nicht anders verfahren. Schieb nur die ganze Schuld auf mich; wiewohl ich uͤberzeugt bin, daß es eben ſowohl deine, als meine Neigung iſt. Solchen albernen muͤßigen Leuten, denen ihre Zeit zu lang wird, und die gern auch andre um die ihrige bringen wolten, darf man nicht erſt Gruͤnde vor- legen; damit wuͤrde man ihnen wirklich zu viel Ehre erweiſen. Die kuͤrzeſte, hoͤflichſte Antwort iſt die beſte. Ich kan nicht, ich darf nicht; nicht aber, ich wil nicht. Denn wolteſt du dich mit ihnen auf die Nothwendigkeit des Lernens und auf die Nuͤzlichkeit der Wiſſenſchaften einlaſſen, das gaͤbe blos Stof zu ihren einfaͤltigen Scherzreden, die du zwar, wie ich verlange, nicht achten, jedoch auch nicht veranlaſſen ſolſt. Ich wil einmahl annehmen, du befaͤndeſt dich zu Rom, ſtudierteſt jeden Vormittag ſechs Stun- den nach einander mit Herrn Harte, braͤchteſt deine Abende in der beſten Geſelſchaft zu, beobach- teteſt deren Sitten, und bildeteſt dich nach ihnen. Ferner Theophron 2 Th. L

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/167>, abgerufen am 07.05.2024.