Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.zum Untersuchen geben, nicht die gehörige Auf- Um nur ein Beispiel unter Tausenden zu be- Das *) Freilich, wenn man Künste und Wissenschaf-
ten in der eingeschränkten Bedeutung nimt, worin der Verfasser sie genommen hat, wie aus dem Folgenden erhellet, so mag diese Mei- nung ein Vorurtheil sein; aber wenn man wahre Aufklärung des menschlichen Gei- stes über diejenigen Gegenstände, welche ihm die wichtigsten sind, darunter versteht: so ist nichts gewisser, als daß der Despotis- mus, besonders wenn er von Hierarchie begleitet wird, einer solchen Aufklärung grade entgegenarbeitet. C. zum Unterſuchen geben, nicht die gehoͤrige Auf- Um nur ein Beiſpiel unter Tauſenden zu be- Das *) Freilich, wenn man Kuͤnſte und Wiſſenſchaf-
ten in der eingeſchraͤnkten Bedeutung nimt, worin der Verfaſſer ſie genommen hat, wie aus dem Folgenden erhellet, ſo mag dieſe Mei- nung ein Vorurtheil ſein; aber wenn man wahre Aufklaͤrung des menſchlichen Gei- ſtes uͤber diejenigen Gegenſtaͤnde, welche ihm die wichtigſten ſind, darunter verſteht: ſo iſt nichts gewiſſer, als daß der Despotis- mus, beſonders wenn er von Hierarchie begleitet wird, einer ſolchen Aufklaͤrung grade entgegenarbeitet. C. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0158" n="152"/> zum Unterſuchen geben, nicht die gehoͤrige Auf-<lb/> merkſamkeit zum Nachforſchen, noch die zur Un-<lb/> terſcheidung der Wahrheit erforderliche Scharfſich-<lb/> tigkeit anwenden. Das ſind Vorurtheile, vor<lb/> denen du dich durch maͤnliche Anſtrengung und<lb/> Uebung deiner denkenden Kraft verwahren ſolſt.</p><lb/> <p>Um nur ein Beiſpiel unter Tauſenden zu be-<lb/> ruͤhren, die ich dir angeben koͤnte! Es iſt ein alge-<lb/> meines, ſeit ſechzehnhundert Jahren fortgepflanz-<lb/> tes Vorurtheil, Kuͤnſte und Wiſſenſchaften koͤnten<lb/> unter einer unumſchraͤnkten Regierung nicht in<lb/> bluͤhendem Stande ſein; der Geiſt muͤßte noth-<lb/> wendig gefeſſelt werden, wo die Freiheit einge-<lb/> ſchraͤnkt wird. <note place="foot" n="*)">Freilich, wenn man Kuͤnſte und Wiſſenſchaf-<lb/> ten in der eingeſchraͤnkten Bedeutung nimt,<lb/> worin der Verfaſſer ſie genommen hat, wie<lb/> aus dem Folgenden erhellet, ſo mag dieſe Mei-<lb/> nung ein Vorurtheil ſein; aber wenn man<lb/><hi rendition="#fr">wahre Aufklaͤrung des menſchlichen Gei-<lb/> ſtes uͤber diejenigen Gegenſtaͤnde, welche<lb/> ihm die wichtigſten ſind</hi>, darunter verſteht:<lb/> ſo iſt nichts gewiſſer, als daß der Despotis-<lb/> mus, beſonders wenn er von Hierarchie<lb/> begleitet wird, einer ſolchen Aufklaͤrung grade<lb/> entgegenarbeitet. <hi rendition="#et">C.</hi></note></p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [152/0158]
zum Unterſuchen geben, nicht die gehoͤrige Auf-
merkſamkeit zum Nachforſchen, noch die zur Un-
terſcheidung der Wahrheit erforderliche Scharfſich-
tigkeit anwenden. Das ſind Vorurtheile, vor
denen du dich durch maͤnliche Anſtrengung und
Uebung deiner denkenden Kraft verwahren ſolſt.
Um nur ein Beiſpiel unter Tauſenden zu be-
ruͤhren, die ich dir angeben koͤnte! Es iſt ein alge-
meines, ſeit ſechzehnhundert Jahren fortgepflanz-
tes Vorurtheil, Kuͤnſte und Wiſſenſchaften koͤnten
unter einer unumſchraͤnkten Regierung nicht in
bluͤhendem Stande ſein; der Geiſt muͤßte noth-
wendig gefeſſelt werden, wo die Freiheit einge-
ſchraͤnkt wird. *)
Das
*) Freilich, wenn man Kuͤnſte und Wiſſenſchaf-
ten in der eingeſchraͤnkten Bedeutung nimt,
worin der Verfaſſer ſie genommen hat, wie
aus dem Folgenden erhellet, ſo mag dieſe Mei-
nung ein Vorurtheil ſein; aber wenn man
wahre Aufklaͤrung des menſchlichen Gei-
ſtes uͤber diejenigen Gegenſtaͤnde, welche
ihm die wichtigſten ſind, darunter verſteht:
ſo iſt nichts gewiſſer, als daß der Despotis-
mus, beſonders wenn er von Hierarchie
begleitet wird, einer ſolchen Aufklaͤrung grade
entgegenarbeitet. C.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/158 |
Zitationshilfe: | Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/158>, abgerufen am 27.07.2024. |