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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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langte Auskramung der Wissenschaft macht, daß
die Geselschaft deiner müde wird.

Merke dir überhaupt: die Gelehrsamkeit, ich
meine die griechische und römische, ist ein sehr
nüzlicher und nothwendiger Zierrath, und sie
nicht wissen, wird bei einem Menschen, der eine
gelehrte Erziehung gehabt hat, für eine Schande
gehalten. Vermeide aber sorgfältig die angeführ-
ten Irthümer und Misbräuche, die sie nur zu
oft begleiten! Auch merke dir, daß große neuere
Gelehrsamkeit viel nöthiger ist, als die alte, und
daß es besser wäre, du wüßtest den gegenwärti-
gen, als den alten Zustand von Europa; wiewohl
ich lieber sähe, du kentest beide.


Du bist nun zu einem Alter gekommen, das
der Ueberlegung fähig ist, und ich hoffe, du wirst
das thun, was von wenigen in deinen Jahren
geschieht, das ist, deine Zeit um deiner selbst willen
zur Aufsuchung der Wahrheit und einer gesunden
Wissenschaft anwenden. Ich wil gestehen, (denn
ich bin nicht abgeneigt, dir meine Geheimnisse zu
entdekken) daß es nicht seit vielen Jahren ist, da

ich

langte Auskramung der Wiſſenſchaft macht, daß
die Geſelſchaft deiner muͤde wird.

Merke dir uͤberhaupt: die Gelehrſamkeit, ich
meine die griechiſche und roͤmiſche, iſt ein ſehr
nuͤzlicher und nothwendiger Zierrath, und ſie
nicht wiſſen, wird bei einem Menſchen, der eine
gelehrte Erziehung gehabt hat, fuͤr eine Schande
gehalten. Vermeide aber ſorgfaͤltig die angefuͤhr-
ten Irthuͤmer und Misbraͤuche, die ſie nur zu
oft begleiten! Auch merke dir, daß große neuere
Gelehrſamkeit viel noͤthiger iſt, als die alte, und
daß es beſſer waͤre, du wuͤßteſt den gegenwaͤrti-
gen, als den alten Zuſtand von Europa; wiewohl
ich lieber ſaͤhe, du kenteſt beide.


Du biſt nun zu einem Alter gekommen, das
der Ueberlegung faͤhig iſt, und ich hoffe, du wirſt
das thun, was von wenigen in deinen Jahren
geſchieht, das iſt, deine Zeit um deiner ſelbſt willen
zur Aufſuchung der Wahrheit und einer geſunden
Wiſſenſchaft anwenden. Ich wil geſtehen, (denn
ich bin nicht abgeneigt, dir meine Geheimniſſe zu
entdekken) daß es nicht ſeit vielen Jahren iſt, da

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[141/0147] langte Auskramung der Wiſſenſchaft macht, daß die Geſelſchaft deiner muͤde wird. Merke dir uͤberhaupt: die Gelehrſamkeit, ich meine die griechiſche und roͤmiſche, iſt ein ſehr nuͤzlicher und nothwendiger Zierrath, und ſie nicht wiſſen, wird bei einem Menſchen, der eine gelehrte Erziehung gehabt hat, fuͤr eine Schande gehalten. Vermeide aber ſorgfaͤltig die angefuͤhr- ten Irthuͤmer und Misbraͤuche, die ſie nur zu oft begleiten! Auch merke dir, daß große neuere Gelehrſamkeit viel noͤthiger iſt, als die alte, und daß es beſſer waͤre, du wuͤßteſt den gegenwaͤrti- gen, als den alten Zuſtand von Europa; wiewohl ich lieber ſaͤhe, du kenteſt beide. Du biſt nun zu einem Alter gekommen, das der Ueberlegung faͤhig iſt, und ich hoffe, du wirſt das thun, was von wenigen in deinen Jahren geſchieht, das iſt, deine Zeit um deiner ſelbſt willen zur Aufſuchung der Wahrheit und einer geſunden Wiſſenſchaft anwenden. Ich wil geſtehen, (denn ich bin nicht abgeneigt, dir meine Geheimniſſe zu entdekken) daß es nicht ſeit vielen Jahren iſt, da ich

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/147>, abgerufen am 08.05.2024.