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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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aus ihrer Trägheit erwachen, wenn sie einmahl
eine ernsthafte Ueberlegung über den unendlich
mannigfaltigen Nuzen anstellen wolten, den das
Bestreben zu gefallen ihnen gewähren würde.

Dieser Nuzen aber ist, dünkt mich, von selbst
klar, und braucht keines Beweises. Ich werde
mich daher auch nicht dabei aufhalten; ein Wink
darüber mag genug sein. Derjenige, welcher sich
unabläßig bestrebt, zu gefallen, leihet sein vielleicht
nur kleines Kapital von Verdienst auf hohe Zinsen
aus. Welchen Gewin wird nun nicht erst ächtes
Verdienst unausbleiblich bringen, wenn es auch
noch in diesem Schmuk erscheint! Mit Freuden
würde ein kluger Wucherer auf so beträchtliche
Zinsen und gegen eine solche Sicherheit seinen
lezten Schilling austhun.

Derjenige, welcher die Kunst versteht, sich
Liebe zu erwerben
, macht sich beinahe so viel
Freunde, als er Bekantschaften macht; Freunde
nemlich, im gangbaren Sin des Worts; nicht
eben solche innige Herzensfreunde, als Pylades
und Orestes, Nifus und Euryalus, u. s. w.

einan-

aus ihrer Traͤgheit erwachen, wenn ſie einmahl
eine ernſthafte Ueberlegung uͤber den unendlich
mannigfaltigen Nuzen anſtellen wolten, den das
Beſtreben zu gefallen ihnen gewaͤhren wuͤrde.

Dieſer Nuzen aber iſt, duͤnkt mich, von ſelbſt
klar, und braucht keines Beweiſes. Ich werde
mich daher auch nicht dabei aufhalten; ein Wink
daruͤber mag genug ſein. Derjenige, welcher ſich
unablaͤßig beſtrebt, zu gefallen, leihet ſein vielleicht
nur kleines Kapital von Verdienſt auf hohe Zinſen
aus. Welchen Gewin wird nun nicht erſt aͤchtes
Verdienſt unausbleiblich bringen, wenn es auch
noch in dieſem Schmuk erſcheint! Mit Freuden
wuͤrde ein kluger Wucherer auf ſo betraͤchtliche
Zinſen und gegen eine ſolche Sicherheit ſeinen
lezten Schilling austhun.

Derjenige, welcher die Kunſt verſteht, ſich
Liebe zu erwerben
, macht ſich beinahe ſo viel
Freunde, als er Bekantſchaften macht; Freunde
nemlich, im gangbaren Sin des Worts; nicht
eben ſolche innige Herzensfreunde, als Pylades
und Oreſtes, Nifus und Euryalus, u. ſ. w.

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[8/0014] aus ihrer Traͤgheit erwachen, wenn ſie einmahl eine ernſthafte Ueberlegung uͤber den unendlich mannigfaltigen Nuzen anſtellen wolten, den das Beſtreben zu gefallen ihnen gewaͤhren wuͤrde. Dieſer Nuzen aber iſt, duͤnkt mich, von ſelbſt klar, und braucht keines Beweiſes. Ich werde mich daher auch nicht dabei aufhalten; ein Wink daruͤber mag genug ſein. Derjenige, welcher ſich unablaͤßig beſtrebt, zu gefallen, leihet ſein vielleicht nur kleines Kapital von Verdienſt auf hohe Zinſen aus. Welchen Gewin wird nun nicht erſt aͤchtes Verdienſt unausbleiblich bringen, wenn es auch noch in dieſem Schmuk erſcheint! Mit Freuden wuͤrde ein kluger Wucherer auf ſo betraͤchtliche Zinſen und gegen eine ſolche Sicherheit ſeinen lezten Schilling austhun. Derjenige, welcher die Kunſt verſteht, ſich Liebe zu erwerben, macht ſich beinahe ſo viel Freunde, als er Bekantſchaften macht; Freunde nemlich, im gangbaren Sin des Worts; nicht eben ſolche innige Herzensfreunde, als Pylades und Oreſtes, Nifus und Euryalus, u. ſ. w. einan-

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/14>, abgerufen am 28.03.2024.