handhabt; aber er würde sich höchstlächerlich machen, wenn er dabei die Mine und die feinen Manieren des Weltmans affektiren wolte. Du hast tanzen gelernt; aber das geschah nicht, damit du tanzen köntest, sondern es geschah, um deinen Minen und Bewegungen diejenige Grazie wieder- zugeben, die sie gehabt haben würden, wenn die Natur sich in ihnen hätte entwikkeln können, und sie nicht durch schlimme Beispiele und durch un- geschikte Nachahmung andrer jungen Leute wären verdreht worden.
Natur kan entwikkelt und ausgebildet werden am Körper so wie an der Sele, aber sie kan nicht durch die Kunst vertilgt werden; und alle Bemü- hungen dieser Art sind abgeschmakt, und dienen blos dazu, einen ergiebigen Stof zum Lachen zu gewähren. Deine Sele und dein Körper müssen ganz frei von Zwang sein, wenn sie einen gefäl- ligen Eindruk machen sollen; jede Affektazion aber ist ein so gewaltiger Zwang, daß keiner dabei mit Anstand handeln, oder auf eine gefällige Weise unterhalten kan. Glaubst du wohl, daß deine Bewegungen mehr Leichtigkeit und Grazie haben
würden,
handhabt; aber er wuͤrde ſich hoͤchſtlaͤcherlich machen, wenn er dabei die Mine und die feinen Manieren des Weltmans affektiren wolte. Du haſt tanzen gelernt; aber das geſchah nicht, damit du tanzen koͤnteſt, ſondern es geſchah, um deinen Minen und Bewegungen diejenige Grazie wieder- zugeben, die ſie gehabt haben wuͤrden, wenn die Natur ſich in ihnen haͤtte entwikkeln koͤnnen, und ſie nicht durch ſchlimme Beiſpiele und durch un- geſchikte Nachahmung andrer jungen Leute waͤren verdreht worden.
Natur kan entwikkelt und ausgebildet werden am Koͤrper ſo wie an der Sele, aber ſie kan nicht durch die Kunſt vertilgt werden; und alle Bemuͤ- hungen dieſer Art ſind abgeſchmakt, und dienen blos dazu, einen ergiebigen Stof zum Lachen zu gewaͤhren. Deine Sele und dein Koͤrper muͤſſen ganz frei von Zwang ſein, wenn ſie einen gefaͤl- ligen Eindruk machen ſollen; jede Affektazion aber iſt ein ſo gewaltiger Zwang, daß keiner dabei mit Anſtand handeln, oder auf eine gefaͤllige Weiſe unterhalten kan. Glaubſt du wohl, daß deine Bewegungen mehr Leichtigkeit und Grazie haben
wuͤrden,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0104"n="98"/>
handhabt; aber er wuͤrde ſich hoͤchſtlaͤcherlich<lb/>
machen, wenn er dabei die Mine und die feinen<lb/>
Manieren des Weltmans affektiren wolte. Du<lb/>
haſt tanzen gelernt; aber das geſchah nicht, damit<lb/>
du tanzen koͤnteſt, ſondern es geſchah, um deinen<lb/>
Minen und Bewegungen diejenige Grazie wieder-<lb/>
zugeben, die ſie gehabt haben wuͤrden, wenn die<lb/>
Natur ſich in ihnen haͤtte entwikkeln koͤnnen, und<lb/>ſie nicht durch ſchlimme Beiſpiele und durch un-<lb/>
geſchikte Nachahmung andrer jungen Leute waͤren<lb/>
verdreht worden.</p><lb/><p>Natur kan entwikkelt und ausgebildet werden<lb/>
am Koͤrper ſo wie an der Sele, aber ſie kan nicht<lb/>
durch die Kunſt vertilgt werden; und alle Bemuͤ-<lb/>
hungen dieſer Art ſind abgeſchmakt, und dienen<lb/>
blos dazu, einen ergiebigen Stof zum Lachen zu<lb/>
gewaͤhren. Deine Sele und dein Koͤrper muͤſſen<lb/>
ganz frei von Zwang ſein, wenn ſie einen gefaͤl-<lb/>
ligen Eindruk machen ſollen; jede Affektazion aber<lb/>
iſt ein ſo gewaltiger Zwang, daß keiner dabei mit<lb/>
Anſtand handeln, oder auf eine gefaͤllige Weiſe<lb/>
unterhalten kan. Glaubſt du wohl, daß deine<lb/>
Bewegungen mehr Leichtigkeit und Grazie haben<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wuͤrden,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[98/0104]
handhabt; aber er wuͤrde ſich hoͤchſtlaͤcherlich
machen, wenn er dabei die Mine und die feinen
Manieren des Weltmans affektiren wolte. Du
haſt tanzen gelernt; aber das geſchah nicht, damit
du tanzen koͤnteſt, ſondern es geſchah, um deinen
Minen und Bewegungen diejenige Grazie wieder-
zugeben, die ſie gehabt haben wuͤrden, wenn die
Natur ſich in ihnen haͤtte entwikkeln koͤnnen, und
ſie nicht durch ſchlimme Beiſpiele und durch un-
geſchikte Nachahmung andrer jungen Leute waͤren
verdreht worden.
Natur kan entwikkelt und ausgebildet werden
am Koͤrper ſo wie an der Sele, aber ſie kan nicht
durch die Kunſt vertilgt werden; und alle Bemuͤ-
hungen dieſer Art ſind abgeſchmakt, und dienen
blos dazu, einen ergiebigen Stof zum Lachen zu
gewaͤhren. Deine Sele und dein Koͤrper muͤſſen
ganz frei von Zwang ſein, wenn ſie einen gefaͤl-
ligen Eindruk machen ſollen; jede Affektazion aber
iſt ein ſo gewaltiger Zwang, daß keiner dabei mit
Anſtand handeln, oder auf eine gefaͤllige Weiſe
unterhalten kan. Glaubſt du wohl, daß deine
Bewegungen mehr Leichtigkeit und Grazie haben
wuͤrden,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/104>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.