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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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und sein Gedächtniß zusehends geschwächt, seine
Einbildungskraft verunreiniget, sein Muth ge-
lähmt, seine ganze Sele entmant, und die Zufrie-
denheit seines ganzen Lebens auf immer zernichtet
wird. Das sind schrekliche Folgen, mein Sohn!
Wer kan davon benachrichtiget sein, ohne davor
zurükzuschaudern?

Und doch -- vergib, du Theurer, wenn dein
Herz durch meine vielleicht zu weit getriebene Be-
sorgniß sich beleidiget fühlt! Und doch, wenn ich
alle die Reizungen und Versuchungen zur Unzucht,
denen du entgegen gehst, wenn ich die Macht des
algemeinen Beispiels, die Zügellosigkeit der heutigen
Sitten, den unbegreiflichen Leichtsin, mit welchem
man über Schandthaten dieser Art selbst in der
bessern Geselschaft zu scherzen pflegt, wenn ich
die Wirkungen reizender Speisen und Getränke,
die Ueberraschungen unvorhergesehener starker
Versuchungen, und alle die teuflischen Versüh-

rungs-

und ſein Gedaͤchtniß zuſehends geſchwaͤcht, ſeine
Einbildungskraft verunreiniget, ſein Muth ge-
laͤhmt, ſeine ganze Sele entmant, und die Zufrie-
denheit ſeines ganzen Lebens auf immer zernichtet
wird. Das ſind ſchrekliche Folgen, mein Sohn!
Wer kan davon benachrichtiget ſein, ohne davor
zuruͤkzuſchaudern?

Und doch — vergib, du Theurer, wenn dein
Herz durch meine vielleicht zu weit getriebene Be-
ſorgniß ſich beleidiget fuͤhlt! Und doch, wenn ich
alle die Reizungen und Verſuchungen zur Unzucht,
denen du entgegen gehſt, wenn ich die Macht des
algemeinen Beiſpiels, die Zuͤgelloſigkeit der heutigen
Sitten, den unbegreiflichen Leichtſin, mit welchem
man uͤber Schandthaten dieſer Art ſelbſt in der
beſſern Geſelſchaft zu ſcherzen pflegt, wenn ich
die Wirkungen reizender Speiſen und Getraͤnke,
die Ueberraſchungen unvorhergeſehener ſtarker
Verſuchungen, und alle die teufliſchen Verſuͤh-

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[260/0290] und ſein Gedaͤchtniß zuſehends geſchwaͤcht, ſeine Einbildungskraft verunreiniget, ſein Muth ge- laͤhmt, ſeine ganze Sele entmant, und die Zufrie- denheit ſeines ganzen Lebens auf immer zernichtet wird. Das ſind ſchrekliche Folgen, mein Sohn! Wer kan davon benachrichtiget ſein, ohne davor zuruͤkzuſchaudern? Und doch — vergib, du Theurer, wenn dein Herz durch meine vielleicht zu weit getriebene Be- ſorgniß ſich beleidiget fuͤhlt! Und doch, wenn ich alle die Reizungen und Verſuchungen zur Unzucht, denen du entgegen gehſt, wenn ich die Macht des algemeinen Beiſpiels, die Zuͤgelloſigkeit der heutigen Sitten, den unbegreiflichen Leichtſin, mit welchem man uͤber Schandthaten dieſer Art ſelbſt in der beſſern Geſelſchaft zu ſcherzen pflegt, wenn ich die Wirkungen reizender Speiſen und Getraͤnke, die Ueberraſchungen unvorhergeſehener ſtarker Verſuchungen, und alle die teufliſchen Verſuͤh- rungs-

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/290>, abgerufen am 11.06.2024.