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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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dich um einige Linien weniger tief vor ihm neig-
test, als die Etikette es erfodert.

4. Laß dich von keinem Großen für keinen
Preis zum Beförderer unsitlicher Vergnügungen
brauchen, und solte deine Weigerung dir auch
seine ganze Ungnade zuziehen. Denn zu ge-
schweigen, daß man Gott mehr gehorchen muß,
als den Menschen, so ist es besser, einmahl wie
ein braver Man gefallen, als tagtäglich wie ein
Schurke kriechen zu müssen, und sich mit Füßen
treten zu lassen. Das würde aber über kurz
oder lang zuverlässig die Folge sein, wenn du dich
dazu hergäbest, der Vertraute und der Beförderer
seiner Lüste zu sein. Denn auch der ärgste Wol-
lüstling unter den Großen verachtet in seinem
Herzen jeden, der ihm zur Befriedigung seiner
Leidenschaften die Hand reicht, und er sucht des
Niederträchtigen los zu werden, sobald er ihn
entbehren kan.

5. Fügt es sich, daß du klüger, einsichtsvoller
und edler, als der Große, bist, und dazu gehört
zuweilen so viel nun eben nicht: hüte dich, es
ihn merken zu lassen, so lange dir an seiner

Gunst

dich um einige Linien weniger tief vor ihm neig-
teſt, als die Etikette es erfodert.

4. Laß dich von keinem Großen fuͤr keinen
Preis zum Befoͤrderer unſitlicher Vergnuͤgungen
brauchen, und ſolte deine Weigerung dir auch
ſeine ganze Ungnade zuziehen. Denn zu ge-
ſchweigen, daß man Gott mehr gehorchen muß,
als den Menſchen, ſo iſt es beſſer, einmahl wie
ein braver Man gefallen, als tagtaͤglich wie ein
Schurke kriechen zu muͤſſen, und ſich mit Fuͤßen
treten zu laſſen. Das wuͤrde aber uͤber kurz
oder lang zuverlaͤſſig die Folge ſein, wenn du dich
dazu hergaͤbeſt, der Vertraute und der Befoͤrderer
ſeiner Luͤſte zu ſein. Denn auch der aͤrgſte Wol-
luͤſtling unter den Großen verachtet in ſeinem
Herzen jeden, der ihm zur Befriedigung ſeiner
Leidenſchaften die Hand reicht, und er ſucht des
Niedertraͤchtigen los zu werden, ſobald er ihn
entbehren kan.

5. Fuͤgt es ſich, daß du kluͤger, einſichtsvoller
und edler, als der Große, biſt, und dazu gehoͤrt
zuweilen ſo viel nun eben nicht: huͤte dich, es
ihn merken zu laſſen, ſo lange dir an ſeiner

Gunſt
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[220/0250] dich um einige Linien weniger tief vor ihm neig- teſt, als die Etikette es erfodert. 4. Laß dich von keinem Großen fuͤr keinen Preis zum Befoͤrderer unſitlicher Vergnuͤgungen brauchen, und ſolte deine Weigerung dir auch ſeine ganze Ungnade zuziehen. Denn zu ge- ſchweigen, daß man Gott mehr gehorchen muß, als den Menſchen, ſo iſt es beſſer, einmahl wie ein braver Man gefallen, als tagtaͤglich wie ein Schurke kriechen zu muͤſſen, und ſich mit Fuͤßen treten zu laſſen. Das wuͤrde aber uͤber kurz oder lang zuverlaͤſſig die Folge ſein, wenn du dich dazu hergaͤbeſt, der Vertraute und der Befoͤrderer ſeiner Luͤſte zu ſein. Denn auch der aͤrgſte Wol- luͤſtling unter den Großen verachtet in ſeinem Herzen jeden, der ihm zur Befriedigung ſeiner Leidenſchaften die Hand reicht, und er ſucht des Niedertraͤchtigen los zu werden, ſobald er ihn entbehren kan. 5. Fuͤgt es ſich, daß du kluͤger, einſichtsvoller und edler, als der Große, biſt, und dazu gehoͤrt zuweilen ſo viel nun eben nicht: huͤte dich, es ihn merken zu laſſen, ſo lange dir an ſeiner Gunſt

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/250>, abgerufen am 25.11.2024.