ihrer gewaltigen Empfindungen ihnen oft die Kraft benimt, sich hülfreich zu beweisen! Nur Schade, daß gemeiniglich so wenig Uebereinstim- mung in ihren Empfindungen und Handlungen herscht, und daß z. E. eben die sanfte Sele, die bei dem Unfalle, der eine Mükke trift, ein schmerzhaftes Zukken durch alle ihre Nerven fühlt, oft mit kaltem Blute ihren Gatten quälen, ihr Hausgesinde tirannisiren, oder nothleidenden Handwerksleuten ihren verdienten Lohn vorent- halten kan! Indes sind viele ihrer Handlungen in der That so edel, ihr sanftes, Leiden und Güte verkündigendes Wesen wirklich so ungemein einneh- mend, und ihre Sprache, auch über die gemein- sten Gegenstände, so begeistert, so vol von hohen engelreinen Gesinnungen, daß jeder gutartige Mensch, besonders wenn er selbst noch jung, gefühlvol und unerfahren ist, sich mächtig von ihnen angezogen fühlt. "Allein der Schluß, sagt ein Schriftsteller von ausgebreiteter und tiefer Menschenkentniß, *) den man oft von der Erhabenheit der Begriffe und Empfindungen
einer
*)Wieland.
ihrer gewaltigen Empfindungen ihnen oft die Kraft benimt, ſich huͤlfreich zu beweiſen! Nur Schade, daß gemeiniglich ſo wenig Uebereinſtim- mung in ihren Empfindungen und Handlungen herſcht, und daß z. E. eben die ſanfte Sele, die bei dem Unfalle, der eine Muͤkke trift, ein ſchmerzhaftes Zukken durch alle ihre Nerven fuͤhlt, oft mit kaltem Blute ihren Gatten quaͤlen, ihr Hausgeſinde tiranniſiren, oder nothleidenden Handwerksleuten ihren verdienten Lohn vorent- halten kan! Indes ſind viele ihrer Handlungen in der That ſo edel, ihr ſanftes, Leiden und Guͤte verkuͤndigendes Weſen wirklich ſo ungemein einneh- mend, und ihre Sprache, auch uͤber die gemein- ſten Gegenſtaͤnde, ſo begeiſtert, ſo vol von hohen engelreinen Geſinnungen, daß jeder gutartige Menſch, beſonders wenn er ſelbſt noch jung, gefuͤhlvol und unerfahren iſt, ſich maͤchtig von ihnen angezogen fuͤhlt. “Allein der Schluß, ſagt ein Schriftſteller von ausgebreiteter und tiefer Menſchenkentniß, *) den man oft von der Erhabenheit der Begriffe und Empfindungen
einer
*)Wieland.
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ihrer gewaltigen Empfindungen ihnen oft die
Kraft benimt, ſich huͤlfreich zu beweiſen! Nur
Schade, daß gemeiniglich ſo wenig Uebereinſtim-
mung in ihren Empfindungen und Handlungen
herſcht, und daß z. E. eben die ſanfte Sele,
die bei dem Unfalle, der eine Muͤkke trift, ein
ſchmerzhaftes Zukken durch alle ihre Nerven
fuͤhlt, oft mit kaltem Blute ihren Gatten quaͤlen,
ihr Hausgeſinde tiranniſiren, oder nothleidenden
Handwerksleuten ihren verdienten Lohn vorent-
halten kan! Indes ſind viele ihrer Handlungen
in der That ſo edel, ihr ſanftes, Leiden und Guͤte
verkuͤndigendes Weſen wirklich ſo ungemein einneh-
mend, und ihre Sprache, auch uͤber die gemein-
ſten Gegenſtaͤnde, ſo begeiſtert, ſo vol von hohen
engelreinen Geſinnungen, daß jeder gutartige
Menſch, beſonders wenn er ſelbſt noch jung,
gefuͤhlvol und unerfahren iſt, ſich maͤchtig von
ihnen angezogen fuͤhlt. “Allein der Schluß,
ſagt ein Schriftſteller von ausgebreiteter und
tiefer Menſchenkentniß, *) den man oft von der
Erhabenheit der Begriffe und Empfindungen
einer
*) Wieland.
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/218>, abgerufen am 27.11.2024.
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