sers Lebens, selbst unserer Freiheit, geltend zu machen. Alsdan muß das große Beispiel des Themistokles uns vor Augen stehen, der, wie du weißt, durch nichts, sogar nicht durch den aufgehobenen Stok des spartanischen Feldherrn, sich abschrekken ließ, dasjenige zu behaupten, wo- von er wußte, daß es seinem Vaterlande nüzlich sein würde. Schlag zu, sagt' er, aber sprich, daß ich Recht habe!
Eben so kühn und entschlossen rede und handle auch du, mein Sohn, so oft es darauf ankomt, etwas durchzusezen, was das gemeine Beste er- fodert, oder wozu Pflicht und Gewissen dich ein- mahl aufgerufen haben. In allen andern Fällen aber, welche nicht auf Thaten, sondern auf bloße Rechthaberei hinauslaufen, sei du jedesmahl der nachgebende Theil, und erlaube dir nie einen Widerspruch, welcher Unwillen und Erbitterung verursachen kan, gesezt, daß du deiner Sache auch noch so gewiß wärest. Denn jeder Widerspruch verursachet eine Stokkung in dem Ideenablaufe desjenigen, den er trift, und es ist der Natur der menschlichen Sele angemessen, daß sie jede Hem-
mung
ſers Lebens, ſelbſt unſerer Freiheit, geltend zu machen. Alsdan muß das große Beiſpiel des Themiſtokles uns vor Augen ſtehen, der, wie du weißt, durch nichts, ſogar nicht durch den aufgehobenen Stok des ſpartaniſchen Feldherrn, ſich abſchrekken ließ, dasjenige zu behaupten, wo- von er wußte, daß es ſeinem Vaterlande nuͤzlich ſein wuͤrde. Schlag zu, ſagt’ er, aber ſprich, daß ich Recht habe!
Eben ſo kuͤhn und entſchloſſen rede und handle auch du, mein Sohn, ſo oft es darauf ankomt, etwas durchzuſezen, was das gemeine Beſte er- fodert, oder wozu Pflicht und Gewiſſen dich ein- mahl aufgerufen haben. In allen andern Faͤllen aber, welche nicht auf Thaten, ſondern auf bloße Rechthaberei hinauslaufen, ſei du jedesmahl der nachgebende Theil, und erlaube dir nie einen Widerſpruch, welcher Unwillen und Erbitterung verurſachen kan, geſezt, daß du deiner Sache auch noch ſo gewiß waͤreſt. Denn jeder Widerſpruch verurſachet eine Stokkung in dem Ideenablaufe desjenigen, den er trift, und es iſt der Natur der menſchlichen Sele angemeſſen, daß ſie jede Hem-
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[173/0203]
ſers Lebens, ſelbſt unſerer Freiheit, geltend zu
machen. Alsdan muß das große Beiſpiel des
Themiſtokles uns vor Augen ſtehen, der, wie
du weißt, durch nichts, ſogar nicht durch den
aufgehobenen Stok des ſpartaniſchen Feldherrn,
ſich abſchrekken ließ, dasjenige zu behaupten, wo-
von er wußte, daß es ſeinem Vaterlande nuͤzlich
ſein wuͤrde. Schlag zu, ſagt’ er, aber ſprich,
daß ich Recht habe!
Eben ſo kuͤhn und entſchloſſen rede und handle
auch du, mein Sohn, ſo oft es darauf ankomt,
etwas durchzuſezen, was das gemeine Beſte er-
fodert, oder wozu Pflicht und Gewiſſen dich ein-
mahl aufgerufen haben. In allen andern Faͤllen
aber, welche nicht auf Thaten, ſondern auf bloße
Rechthaberei hinauslaufen, ſei du jedesmahl der
nachgebende Theil, und erlaube dir nie einen
Widerſpruch, welcher Unwillen und Erbitterung
verurſachen kan, geſezt, daß du deiner Sache auch
noch ſo gewiß waͤreſt. Denn jeder Widerſpruch
verurſachet eine Stokkung in dem Ideenablaufe
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/203>, abgerufen am 19.05.2024.
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