Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Thür seines Herzens auf lange Zeit von neuem
verschlossen sein.

Die zweite: harre auf Gelegenheit, einen
solchen Menschen in irgend einer heftigen
Leidenschaft zu sehen
. Feuer und Kälte,
Sturm und Ruhe, Leidenschaft und Verstellung
können nicht wohl beisammen sein; und steht ein
Haus in Flammen, so springt auch der heraus,
der am meisten Ursache hatte, sich darin ver-
borgen zu halten. So die verstekte Sele, wenn
ihr Wohnhaus, der Körper, in leidenschaftlichem
Brande steht! Sie springt unangekleidet, unge-
schminkt und unverlarvt hervor, und du siehst sie,
wie sie ist, nicht wie sie sonst in erborgten Prunk-
gesinnungen sich öffentlich zu zeigen pflegte. Das ist
abermahls ein Augenblik, den ungenuzt der ver-
ständige Beobachter nicht verfliegen läßt.

Die dritte: wilst du die wahren Gesin-
nungen eines solchen Menschen gegen dich
und die Art, wie er abwesend über dich zu
urtheilen pflege, mit großer Zuverlässigkeit
erfahren, gib acht, wie er es mit andern
treibt, die in eben dem Verhältniß mit ihm

stehen,

Thuͤr ſeines Herzens auf lange Zeit von neuem
verſchloſſen ſein.

Die zweite: harre auf Gelegenheit, einen
ſolchen Menſchen in irgend einer heftigen
Leidenſchaft zu ſehen
. Feuer und Kaͤlte,
Sturm und Ruhe, Leidenſchaft und Verſtellung
koͤnnen nicht wohl beiſammen ſein; und ſteht ein
Haus in Flammen, ſo ſpringt auch der heraus,
der am meiſten Urſache hatte, ſich darin ver-
borgen zu halten. So die verſtekte Sele, wenn
ihr Wohnhaus, der Koͤrper, in leidenſchaftlichem
Brande ſteht! Sie ſpringt unangekleidet, unge-
ſchminkt und unverlarvt hervor, und du ſiehſt ſie,
wie ſie iſt, nicht wie ſie ſonſt in erborgten Prunk-
geſinnungen ſich oͤffentlich zu zeigen pflegte. Das iſt
abermahls ein Augenblik, den ungenuzt der ver-
ſtaͤndige Beobachter nicht verfliegen laͤßt.

Die dritte: wilſt du die wahren Geſin-
nungen eines ſolchen Menſchen gegen dich
und die Art, wie er abweſend uͤber dich zu
urtheilen pflege, mit großer Zuverlaͤſſigkeit
erfahren, gib acht, wie er es mit andern
treibt, die in eben dem Verhaͤltniß mit ihm

ſtehen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0180" n="150"/>
Thu&#x0364;r &#x017F;eines Herzens auf lange Zeit von neuem<lb/>
ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein.</p><lb/>
        <p>Die zweite: <hi rendition="#fr">harre auf Gelegenheit, einen<lb/>
&#x017F;olchen Men&#x017F;chen in irgend einer heftigen<lb/>
Leiden&#x017F;chaft zu &#x017F;ehen</hi>. Feuer und Ka&#x0364;lte,<lb/>
Sturm und Ruhe, Leiden&#x017F;chaft und Ver&#x017F;tellung<lb/>
ko&#x0364;nnen nicht wohl bei&#x017F;ammen &#x017F;ein; und &#x017F;teht ein<lb/>
Haus in Flammen, &#x017F;o &#x017F;pringt auch der heraus,<lb/>
der am mei&#x017F;ten Ur&#x017F;ache hatte, &#x017F;ich darin ver-<lb/>
borgen zu halten. So die ver&#x017F;tekte Sele, wenn<lb/>
ihr Wohnhaus, der Ko&#x0364;rper, in leiden&#x017F;chaftlichem<lb/>
Brande &#x017F;teht! Sie &#x017F;pringt unangekleidet, unge-<lb/>
&#x017F;chminkt und unverlarvt hervor, und du &#x017F;ieh&#x017F;t &#x017F;ie,<lb/>
wie &#x017F;ie i&#x017F;t, nicht wie &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t in erborgten Prunk-<lb/>
ge&#x017F;innungen &#x017F;ich o&#x0364;ffentlich zu zeigen pflegte. Das i&#x017F;t<lb/>
abermahls ein Augenblik, den ungenuzt der ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndige Beobachter nicht verfliegen la&#x0364;ßt.</p><lb/>
        <p>Die dritte: <hi rendition="#fr">wil&#x017F;t du die wahren Ge&#x017F;in-<lb/>
nungen eines &#x017F;olchen Men&#x017F;chen gegen dich<lb/>
und die Art, wie er abwe&#x017F;end u&#x0364;ber dich zu<lb/>
urtheilen pflege, mit großer Zuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit<lb/>
erfahren, gib acht, wie er es mit andern<lb/>
treibt, die in eben dem Verha&#x0364;ltniß mit ihm</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">&#x017F;tehen,</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0180] Thuͤr ſeines Herzens auf lange Zeit von neuem verſchloſſen ſein. Die zweite: harre auf Gelegenheit, einen ſolchen Menſchen in irgend einer heftigen Leidenſchaft zu ſehen. Feuer und Kaͤlte, Sturm und Ruhe, Leidenſchaft und Verſtellung koͤnnen nicht wohl beiſammen ſein; und ſteht ein Haus in Flammen, ſo ſpringt auch der heraus, der am meiſten Urſache hatte, ſich darin ver- borgen zu halten. So die verſtekte Sele, wenn ihr Wohnhaus, der Koͤrper, in leidenſchaftlichem Brande ſteht! Sie ſpringt unangekleidet, unge- ſchminkt und unverlarvt hervor, und du ſiehſt ſie, wie ſie iſt, nicht wie ſie ſonſt in erborgten Prunk- geſinnungen ſich oͤffentlich zu zeigen pflegte. Das iſt abermahls ein Augenblik, den ungenuzt der ver- ſtaͤndige Beobachter nicht verfliegen laͤßt. Die dritte: wilſt du die wahren Geſin- nungen eines ſolchen Menſchen gegen dich und die Art, wie er abweſend uͤber dich zu urtheilen pflege, mit großer Zuverlaͤſſigkeit erfahren, gib acht, wie er es mit andern treibt, die in eben dem Verhaͤltniß mit ihm ſtehen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/180
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/180>, abgerufen am 25.11.2024.