genfreier, gesunder und froher, als andere, durch dis Leben einherzugehen wünschest; wenn du vor der traurigen Nothwendigkeit, vielvermögenden Thoren zu schmeicheln, und vor mächtigen Schur- ken zu kriechen, dich auf immer verwahren wilst; wenn du die Pflicht, niemandem zu nahe zu tre- ten, dir erleichtern, die Gelegenheiten zu verdries- lichen Kollisionen mit andern vermindern, und dich selbst in den Stand sezen wilst, bei allen dei- nen Unternehmungen auf grader Straße, und mit festen zuversichtlichen Tritten ruhig einherzugehn: o so laß es doch ja dein vorzüglichstes Geschäft sein, deine ganze Lebensart, alle deine Triebe und Bedürfnisse noch mehr zu vereinfachen, immer mehrerer Dinge zu deiner Glükseeligkeit entbehren zu lernen, und dich immer mehr und mehr an dem zu halten, was der unverderbten menschli- chen Natur genüget, und was jeder gesunde und arbeitsame Mensch sich in jedem Stande leicht erwerben kan. Dan, mein Sohn, wirst du we- niger empfänglich gegen Beleidigungen und Krän- kungen sein; dan wirst du auf die Thorheiten der Menschen und auf die kleinen endlosen Kriege
ihrer
genfreier, geſunder und froher, als andere, durch dis Leben einherzugehen wuͤnſcheſt; wenn du vor der traurigen Nothwendigkeit, vielvermoͤgenden Thoren zu ſchmeicheln, und vor maͤchtigen Schur- ken zu kriechen, dich auf immer verwahren wilſt; wenn du die Pflicht, niemandem zu nahe zu tre- ten, dir erleichtern, die Gelegenheiten zu verdries- lichen Kolliſionen mit andern vermindern, und dich ſelbſt in den Stand ſezen wilſt, bei allen dei- nen Unternehmungen auf grader Straße, und mit feſten zuverſichtlichen Tritten ruhig einherzugehn: o ſo laß es doch ja dein vorzuͤglichſtes Geſchaͤft ſein, deine ganze Lebensart, alle deine Triebe und Beduͤrfniſſe noch mehr zu vereinfachen, immer mehrerer Dinge zu deiner Gluͤkſeeligkeit entbehren zu lernen, und dich immer mehr und mehr an dem zu halten, was der unverderbten menſchli- chen Natur genuͤget, und was jeder geſunde und arbeitſame Menſch ſich in jedem Stande leicht erwerben kan. Dan, mein Sohn, wirſt du we- niger empfaͤnglich gegen Beleidigungen und Kraͤn- kungen ſein; dan wirſt du auf die Thorheiten der Menſchen und auf die kleinen endloſen Kriege
ihrer
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genfreier, geſunder und froher, als andere, durch
dis Leben einherzugehen wuͤnſcheſt; wenn du vor
der traurigen Nothwendigkeit, vielvermoͤgenden
Thoren zu ſchmeicheln, und vor maͤchtigen Schur-
ken zu kriechen, dich auf immer verwahren wilſt;
wenn du die Pflicht, niemandem zu nahe zu tre-
ten, dir erleichtern, die Gelegenheiten zu verdries-
lichen Kolliſionen mit andern vermindern, und
dich ſelbſt in den Stand ſezen wilſt, bei allen dei-
nen Unternehmungen auf grader Straße, und mit
feſten zuverſichtlichen Tritten ruhig einherzugehn:
o ſo laß es doch ja dein vorzuͤglichſtes Geſchaͤft
ſein, deine ganze Lebensart, alle deine Triebe und
Beduͤrfniſſe noch mehr zu vereinfachen, immer
mehrerer Dinge zu deiner Gluͤkſeeligkeit entbehren
zu lernen, und dich immer mehr und mehr an
dem zu halten, was der unverderbten menſchli-
chen Natur genuͤget, und was jeder geſunde und
arbeitſame Menſch ſich in jedem Stande leicht
erwerben kan. Dan, mein Sohn, wirſt du we-
niger empfaͤnglich gegen Beleidigungen und Kraͤn-
kungen ſein; dan wirſt du auf die Thorheiten der
Menſchen und auf die kleinen endloſen Kriege
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/130>, abgerufen am 27.11.2024.
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