"Nun, sagt' er ferner, bin ich nicht in demselben Falle? Ist es nicht wahrscheinlich, daß ich durch anhaltenden Fleiß endlich damit zu Stande kommen werde, aus dem alten Baume einen Kahn zu machen? Und wenn mir dieses glükken solte, hab' ich dan nicht Hofnung, mich damit aus dieser traurigen Einöde befreien zu können?"
Der Gedanke an seine Befreiung wurde in diesem Augenblikke so lebhaft in seiner Se- le, daß er plötzlich aufsprang, sein steinernes Beil ergrif, und spornstreichs nach dem Bau- me hinlief, um das große Werk sogleich an- zufangen.
Aber hatt' er jemahls ein mühseeliges und langwieriges Geschäft unternommen, so war es dieses! Tausend andere Menschen würden nach dem ersten Hiebe den Arm muthlos wieder haben sinken lassen, und die Sache für unmög- lich gehalten haben. Aber Robinson hatte sich nun einmahl, wie wir wissen, zum Gesez gemacht, sich durch keine Schwierigkeit von ir- gend einem vernünftigen Vorhaben abschrekken zu
lassen;
„Nun, ſagt' er ferner, bin ich nicht in demſelben Falle? Iſt es nicht wahrſcheinlich, daß ich durch anhaltenden Fleiß endlich damit zu Stande kommen werde, aus dem alten Baume einen Kahn zu machen? Und wenn mir dieſes gluͤkken ſolte, hab' ich dan nicht Hofnung, mich damit aus dieſer traurigen Einoͤde befreien zu koͤnnen?„
Der Gedanke an ſeine Befreiung wurde in dieſem Augenblikke ſo lebhaft in ſeiner Se- le, daß er ploͤtzlich aufſprang, ſein ſteinernes Beil ergrif, und ſpornſtreichs nach dem Bau- me hinlief, um das große Werk ſogleich an- zufangen.
Aber hatt' er jemahls ein muͤhſeeliges und langwieriges Geſchaͤft unternommen, ſo war es dieſes! Tauſend andere Menſchen wuͤrden nach dem erſten Hiebe den Arm muthlos wieder haben ſinken laſſen, und die Sache fuͤr unmoͤg- lich gehalten haben. Aber Robinſon hatte ſich nun einmahl, wie wir wiſſen, zum Geſez gemacht, ſich durch keine Schwierigkeit von ir- gend einem vernuͤnftigen Vorhaben abſchrekken zu
laſſen;
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„Nun, ſagt' er ferner, bin ich nicht in
demſelben Falle? Iſt es nicht wahrſcheinlich,
daß ich durch anhaltenden Fleiß endlich damit
zu Stande kommen werde, aus dem alten
Baume einen Kahn zu machen? Und wenn
mir dieſes gluͤkken ſolte, hab' ich dan nicht
Hofnung, mich damit aus dieſer traurigen
Einoͤde befreien zu koͤnnen?„
Der Gedanke an ſeine Befreiung wurde
in dieſem Augenblikke ſo lebhaft in ſeiner Se-
le, daß er ploͤtzlich aufſprang, ſein ſteinernes
Beil ergrif, und ſpornſtreichs nach dem Bau-
me hinlief, um das große Werk ſogleich an-
zufangen.
Aber hatt' er jemahls ein muͤhſeeliges und
langwieriges Geſchaͤft unternommen, ſo war es
dieſes! Tauſend andere Menſchen wuͤrden nach
dem erſten Hiebe den Arm muthlos wieder
haben ſinken laſſen, und die Sache fuͤr unmoͤg-
lich gehalten haben. Aber Robinſon hatte
ſich nun einmahl, wie wir wiſſen, zum Geſez
gemacht, ſich durch keine Schwierigkeit von ir-
gend einem vernuͤnftigen Vorhaben abſchrekken zu
laſſen;
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/35>, abgerufen am 27.11.2024.
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