laubt sein, ihn zu zwingen, seinen Irthum fahren zu lassen?
Hans. Ja, was würde das helfen? Da- durch, daß einer gezwungen wird, etwas zu glauben, wird er ja nicht klüger und nicht besser.
Vater. Richtig! Denn dadurch wird er ja nicht überzeugt, daß er vorher im Irthum gewesen sei. Und was kan uns ein Bekentniß nüzen, von dessen Wahrheit wir nicht überzeugt sind? -- Und denn, woher weiß denn der Erste so ganz gewiß, daß der Andere, den er zu sei- nem Glauben zwingen wil, im Irthum sei? Könt' es nicht auch möglich sein, daß er, er selbst, sich darin befände?
Hans. O ja!
Vater. Warum?
Hans. Weil alle Menschen irren können.
Vater. Und sich also keiner einfallen lassen darf, seine Meinungen für untrügliche Wahr- heit zu halten!
Gott also, lieben Kinder, Gott allein, als dem einzigen Untrieglichen, kömt es zu, Richter unsers Glaubens zu sein. Er allein weiß ganz
ge-
laubt ſein, ihn zu zwingen, ſeinen Irthum fahren zu laſſen?
Hans. Ja, was wuͤrde das helfen? Da- durch, daß einer gezwungen wird, etwas zu glauben, wird er ja nicht kluͤger und nicht beſſer.
Vater. Richtig! Denn dadurch wird er ja nicht uͤberzeugt, daß er vorher im Irthum geweſen ſei. Und was kan uns ein Bekentniß nuͤzen, von deſſen Wahrheit wir nicht uͤberzeugt ſind? — Und denn, woher weiß denn der Erſte ſo ganz gewiß, daß der Andere, den er zu ſei- nem Glauben zwingen wil, im Irthum ſei? Koͤnt' es nicht auch moͤglich ſein, daß er, er ſelbſt, ſich darin befaͤnde?
Hans. O ja!
Vater. Warum?
Hans. Weil alle Menſchen irren koͤnnen.
Vater. Und ſich alſo keiner einfallen laſſen darf, ſeine Meinungen fuͤr untruͤgliche Wahr- heit zu halten!
Gott alſo, lieben Kinder, Gott allein, als dem einzigen Untrieglichen, koͤmt es zu, Richter unſers Glaubens zu ſein. Er allein weiß ganz
ge-
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laubt ſein, ihn zu zwingen, ſeinen Irthum
fahren zu laſſen?
Hans. Ja, was wuͤrde das helfen? Da-
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glauben, wird er ja nicht kluͤger und nicht beſſer.
Vater. Richtig! Denn dadurch wird er ja
nicht uͤberzeugt, daß er vorher im Irthum
geweſen ſei. Und was kan uns ein Bekentniß
nuͤzen, von deſſen Wahrheit wir nicht uͤberzeugt
ſind? — Und denn, woher weiß denn der Erſte
ſo ganz gewiß, daß der Andere, den er zu ſei-
nem Glauben zwingen wil, im Irthum ſei?
Koͤnt' es nicht auch moͤglich ſein, daß er, er
ſelbſt, ſich darin befaͤnde?
Hans. O ja!
Vater. Warum?
Hans. Weil alle Menſchen irren koͤnnen.
Vater. Und ſich alſo keiner einfallen laſſen
darf, ſeine Meinungen fuͤr untruͤgliche Wahr-
heit zu halten!
Gott alſo, lieben Kinder, Gott allein, als
dem einzigen Untrieglichen, koͤmt es zu, Richter
unſers Glaubens zu ſein. Er allein weiß ganz
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/296>, abgerufen am 16.02.2025.
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