Alle sagten, daß sie recht wakkere brave Leute gewesen wären. Die Mutter hatte ihren Sohn so unaussprechlich geliebt, daß sie keinen Bis- sen mehr geniessen wolte, damit ihr geliebter Sohn nur noch ein wenig zu essen haben mögte: und der gute Sohn hatte es eben so gemacht, um alles für seine Mutter zu spa- ren. Auch das getreue Mädchen war mehr für ihre Herschaft, als für sich selbst besorgt gewesen.
Man hielt sie alle drei für todt: aber es zeigte sich bald, daß noch einiges Leben in ihnen sei. Denn da man ihnen einige Trop- fen Fleischbrühe in den Mund gegossen hatte, fiengen sie nach und nach an, die Augen wie- der aufzuschlagen. Die Mutter aber war schon zu schwach, um etwas hinunter zu schlukken, und gab durch Zeichen zu verstehen, daß man nur ihrem Sohne helfen mögte. Bald dar- auf verschied sie auch wirklich.
Die andern beiden wurden durch Arzenei- mittel wieder zu sich selbst gebracht, und da sie noch junge Kräfte hatten; so gelang es der
Sorg-
Alle ſagten, daß ſie recht wakkere brave Leute geweſen waͤren. Die Mutter hatte ihren Sohn ſo unausſprechlich geliebt, daß ſie keinen Biſ- ſen mehr genieſſen wolte, damit ihr geliebter Sohn nur noch ein wenig zu eſſen haben moͤgte: und der gute Sohn hatte es eben ſo gemacht, um alles fuͤr ſeine Mutter zu ſpa- ren. Auch das getreue Maͤdchen war mehr fuͤr ihre Herſchaft, als fuͤr ſich ſelbſt beſorgt geweſen.
Man hielt ſie alle drei fuͤr todt: aber es zeigte ſich bald, daß noch einiges Leben in ihnen ſei. Denn da man ihnen einige Trop- fen Fleiſchbruͤhe in den Mund gegoſſen hatte, fiengen ſie nach und nach an, die Augen wie- der aufzuſchlagen. Die Mutter aber war ſchon zu ſchwach, um etwas hinunter zu ſchlukken, und gab durch Zeichen zu verſtehen, daß man nur ihrem Sohne helfen moͤgte. Bald dar- auf verſchied ſie auch wirklich.
Die andern beiden wurden durch Arzenei- mittel wieder zu ſich ſelbſt gebracht, und da ſie noch junge Kraͤfte hatten; ſo gelang es der
Sorg-
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Alle ſagten, daß ſie recht wakkere brave Leute
geweſen waͤren. Die Mutter hatte ihren Sohn
ſo unausſprechlich geliebt, daß ſie keinen Biſ-
ſen mehr genieſſen wolte, damit ihr geliebter
Sohn nur noch ein wenig zu eſſen haben
moͤgte: und der gute Sohn hatte es eben ſo
gemacht, um alles fuͤr ſeine Mutter zu ſpa-
ren. Auch das getreue Maͤdchen war mehr
fuͤr ihre Herſchaft, als fuͤr ſich ſelbſt beſorgt
geweſen.
Man hielt ſie alle drei fuͤr todt: aber es
zeigte ſich bald, daß noch einiges Leben in
ihnen ſei. Denn da man ihnen einige Trop-
fen Fleiſchbruͤhe in den Mund gegoſſen hatte,
fiengen ſie nach und nach an, die Augen wie-
der aufzuſchlagen. Die Mutter aber war ſchon
zu ſchwach, um etwas hinunter zu ſchlukken,
und gab durch Zeichen zu verſtehen, daß man
nur ihrem Sohne helfen moͤgte. Bald dar-
auf verſchied ſie auch wirklich.
Die andern beiden wurden durch Arzenei-
mittel wieder zu ſich ſelbſt gebracht, und da
ſie noch junge Kraͤfte hatten; ſo gelang es der
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/84>, abgerufen am 22.11.2024.
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