ein kleines Wölkchen empor stieg, und seine Einbildungskraft ein Schif mit Masten und Segeln daraus machte! Und wenn er dan des Irthums inne wurde: ach! wie stürzten ihm da die Tränen aus den Augen, und mit welchem bangen beklommenen Herzen kehrte er dan zu seiner Wohnung zurük!
Lotte. O er hätte nur den lieben Gott recht sehr bitten sollen; so würde der gewiß ihm ein Schif zugeschikt haben!
Vater. Das that er, liebe Lotte; er betete Tag und Nacht zu Gott um seine Er- lösung; aber er vergaß auch nie, hinzu zu sezen: doch, Herr, nicht mein Wille, sondern der Deinige geschehe!
Lotte. Warum that er das?
Vater. Weil er jezt volkommen über- zeugt war, daß Gott viel besser, als wir selbst, wisse, was uns gut ist. Er dachte also: wenn's meinem himlischen Vater nun so gefal- len solte, mich noch länger hier zu lassen, so muß er gewiß recht gute Ursachen dazu haben, die ich nicht einsehe; und also muß ich ihn
nur
ein kleines Woͤlkchen empor ſtieg, und ſeine Einbildungskraft ein Schif mit Maſten und Segeln daraus machte! Und wenn er dan des Irthums inne wurde: ach! wie ſtuͤrzten ihm da die Traͤnen aus den Augen, und mit welchem bangen beklommenen Herzen kehrte er dan zu ſeiner Wohnung zuruͤk!
Lotte. O er haͤtte nur den lieben Gott recht ſehr bitten ſollen; ſo wuͤrde der gewiß ihm ein Schif zugeſchikt haben!
Vater. Das that er, liebe Lotte; er betete Tag und Nacht zu Gott um ſeine Er- loͤſung; aber er vergaß auch nie, hinzu zu ſezen: doch, Herr, nicht mein Wille, ſondern der Deinige geſchehe!
Lotte. Warum that er das?
Vater. Weil er jezt volkommen uͤber- zeugt war, daß Gott viel beſſer, als wir ſelbſt, wiſſe, was uns gut iſt. Er dachte alſo: wenn's meinem himliſchen Vater nun ſo gefal- len ſolte, mich noch laͤnger hier zu laſſen, ſo muß er gewiß recht gute Urſachen dazu haben, die ich nicht einſehe; und alſo muß ich ihn
nur
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ein kleines Woͤlkchen empor ſtieg, und ſeine
Einbildungskraft ein Schif mit Maſten und
Segeln daraus machte! Und wenn er dan
des Irthums inne wurde: ach! wie ſtuͤrzten
ihm da die Traͤnen aus den Augen, und mit
welchem bangen beklommenen Herzen kehrte
er dan zu ſeiner Wohnung zuruͤk!
Lotte. O er haͤtte nur den lieben Gott
recht ſehr bitten ſollen; ſo wuͤrde der gewiß
ihm ein Schif zugeſchikt haben!
Vater. Das that er, liebe Lotte; er
betete Tag und Nacht zu Gott um ſeine Er-
loͤſung; aber er vergaß auch nie, hinzu zu ſezen:
doch, Herr, nicht mein Wille, ſondern
der Deinige geſchehe!
Lotte. Warum that er das?
Vater. Weil er jezt volkommen uͤber-
zeugt war, daß Gott viel beſſer, als wir ſelbſt,
wiſſe, was uns gut iſt. Er dachte alſo:
wenn's meinem himliſchen Vater nun ſo gefal-
len ſolte, mich noch laͤnger hier zu laſſen, ſo
muß er gewiß recht gute Urſachen dazu haben,
die ich nicht einſehe; und alſo muß ich ihn
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/309>, abgerufen am 23.11.2024.
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