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Butschky, Samuel von: Die Hochdeutsche Kantzeley. Breslau u. a., [1652].

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Bater Trost/ über seines Sohnes Absterb:
schwebenden Elende/ befreyt/ und sich dessen
entbrochen? Worzu dienets/ vor dem die
Flucht zunehmen/ welchen wier doch nicht
ümgehen/ oder Uns dessen entfreyen kön-
nen? Er ist solchem in der Süssigkeit seiner
Jahre vorbey gegangen: Jung ist Er auf
diese Welt kommen; jung ist Er wieder-
üm aus derselben geflohen: Der Frühling
seiner Jahre hat Jhn auf die Welt geboh-
ren/ und eben dieselbe Zeit sterben sehen:
Er hat bey seiner Lebenszeit nichts als lieb-
liche Rosen gesehen; und desto weniger
stachlichte Dornen in seinen Nächsten. Jhr
beklaget wohl eueren Verlust; Er aber er-
freuet sich über seinem Gewien: Jhr bewei-
net seinen Tod; und Er betrauret euer Le-
ben: Er ist die verdrüßliche Gegend/ und
Gefährligkeit der Natur vorbey gangen/
und siehet nun aus seinem gewündschten
Port und Anfuhrt/ euer/ in dieser Welt auf-
steigende Ungestimmigkeit; welche euch ver-
ursachet/ das senige zufürchten/ was Er al-
bereit vermieden und überwunden. Gebet
demnach Uhrlaub euerem Unmuhte/ und ge-
dänket nicht mehr an sein/ sondern vielmehr
an euer Grab: Er stirbet hinfüro nicht mehr;
Jhr aber müsset sterben: und dieses ist der
Vorteil/ den Er vor Euch behält. Sokrates
achtete sich niemals unglükseliger/ als in sei-
nem Alter; der Meynung/ es sey der/ so in
seiner blühenden Jugend/ von dieser Welt

ab-

Bater Troſt/ uͤber ſeines Sohnes Abſterb:
ſchwébenden Elende/ befreyt/ und ſich deſſen
entbrochen? Worzu dienets/ vor dem die
Flucht zunehmen/ welchen wier doch nicht
uͤmgehen/ oder Uns deſſen entfreyen koͤn-
nen? Er iſt ſolchem in der Suͤſſigkeit ſeiner
Jahre vorbey gegangen: Jung iſt Er auf
dieſe Welt kommen; jung iſt Er wieder-
uͤm aus derſelben geflohen: Der Fruͤhling
ſeiner Jahre hat Jhn auf die Welt geboh-
ren/ und ében dieſelbe Zeit ſterben ſéhen:
Er hat bey ſeiner Lébenszeit nichts als lieb-
liche Roſen geſéhen; und deſto weniger
ſtachlichte Dornen in ſeinen Naͤchſten. Jhr
beklaget wohl eueren Verluſt; Er aber er-
freuet ſich uͤber ſeinem Gewien: Jhr bewei-
net ſeinen Tod; und Er betrauret euer Le-
ben: Er iſt die verdruͤßliche Gegend/ und
Gefaͤhrligkeit der Natur vorbey gangen/
und ſiehet nun aus ſeinem gewuͤndſchten
Port und Anfuhrt/ euer/ in dieſer Welt auf-
ſteigende Ungeſtimmigkeit; welche euch ver-
urſachet/ das ſenige zufuͤrchten/ was Er al-
bereit vermieden und uͤberwunden. Gébet
demnach Uhrlaub euerem Unmuhte/ und ge-
daͤnket nicht mehr an ſein/ ſondern vielmehr
an euer Gráb: Er ſtirbet hinfuͤro nicht mehr;
Jhr aber muͤſſet ſterben: und dieſes iſt der
Vorteil/ den Er vor Euch behaͤlt. Sokrates
achtete ſich niemals ungluͤkſeliger/ als in ſei-
nem Alter; der Meynung/ es ſey der/ ſo in
ſeiner bluͤhenden Jugend/ von dieſer Welt

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[136/0138] Bater Troſt/ uͤber ſeines Sohnes Abſterb: ſchwébenden Elende/ befreyt/ und ſich deſſen entbrochen? Worzu dienets/ vor dem die Flucht zunehmen/ welchen wier doch nicht uͤmgehen/ oder Uns deſſen entfreyen koͤn- nen? Er iſt ſolchem in der Suͤſſigkeit ſeiner Jahre vorbey gegangen: Jung iſt Er auf dieſe Welt kommen; jung iſt Er wieder- uͤm aus derſelben geflohen: Der Fruͤhling ſeiner Jahre hat Jhn auf die Welt geboh- ren/ und ében dieſelbe Zeit ſterben ſéhen: Er hat bey ſeiner Lébenszeit nichts als lieb- liche Roſen geſéhen; und deſto weniger ſtachlichte Dornen in ſeinen Naͤchſten. Jhr beklaget wohl eueren Verluſt; Er aber er- freuet ſich uͤber ſeinem Gewien: Jhr bewei- net ſeinen Tod; und Er betrauret euer Le- ben: Er iſt die verdruͤßliche Gegend/ und Gefaͤhrligkeit der Natur vorbey gangen/ und ſiehet nun aus ſeinem gewuͤndſchten Port und Anfuhrt/ euer/ in dieſer Welt auf- ſteigende Ungeſtimmigkeit; welche euch ver- urſachet/ das ſenige zufuͤrchten/ was Er al- bereit vermieden und uͤberwunden. Gébet demnach Uhrlaub euerem Unmuhte/ und ge- daͤnket nicht mehr an ſein/ ſondern vielmehr an euer Gráb: Er ſtirbet hinfuͤro nicht mehr; Jhr aber muͤſſet ſterben: und dieſes iſt der Vorteil/ den Er vor Euch behaͤlt. Sokrates achtete ſich niemals ungluͤkſeliger/ als in ſei- nem Alter; der Meynung/ es ſey der/ ſo in ſeiner bluͤhenden Jugend/ von dieſer Welt ab-

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Zitationshilfe: Butschky, Samuel von: Die Hochdeutsche Kantzeley. Breslau u. a., [1652], S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/butschky_kantzeley_1649/138>, abgerufen am 08.05.2024.