Busoni, Ferruccio: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. 2. Aufl. Leipzig, [1916].in eine genau berechnete, unalterable Anzahl Schwingungen Nur ein gewissenhaftes und langes Experimentieren, eine Welch schöne Hoffnungen und traumhafte Vorstellun- Instrument von einer Klaviatur aus gehandhabt wird, bleibt ihm die
Fähigkeit bewahrt, der Eigenart eines Künstlers zu folgen. Eine Reihe solcher Klaviaturen, von mehreren Spielern gespielt, kann zu einem Orchester zusammengestellt werden. Der Bau des Instrumentes ist außerordentlich umfangreich und kost- spielig, und sein praktischer Wert müßte mit Recht angezweifelt werden. Zum Vermittler der Schwingungen zwischen dem elektrischen Strom und der Luft wählte der Erfinder das Telephon-Diaphragma. Durch diesen glücklichen Einfall ist es möglich geworden, von einer Zentralstelle aus nach allen den mit Drähten verbundenen Plätzen selbst auf große Entfernungen hin, die Klänge des Apparates zu versenden; und ge lungene Experimente haben erwiesen, daß auf diesem Wege weder von den Feinheiten noch von der Macht der Töne etwas eingebüßt wird. Der in Verbindung stehende Raum wird zauberhaft mit Klang er- füllt, einem wissenschaftlich vollkommenen, niemals versagenden Klang; unsichtbar, mühelos und unermüdlich. Dem Bericht, dem ich diese Nach- richten entnehme, sind authentische Photographien des Apparates bei- gegeben, welche jeden Zweifel über die Wirklichkeit dieser allerdings fast unglaublichen Schöpfung beseitigen. Der Apparat sieht aus wie ein Maschinenraum. in eine genau berechnete, unalterable Anzahl Schwingungen Nur ein gewissenhaftes und langes Experimentieren, eine Welch schöne Hoffnungen und traumhafte Vorstellun- Instrument von einer Klaviatur aus gehandhabt wird, bleibt ihm die
Fähigkeit bewahrt, der Eigenart eines Künstlers zu folgen. Eine Reihe solcher Klaviaturen, von mehreren Spielern gespielt, kann zu einem Orchester zusammengestellt werden. Der Bau des Instrumentes ist außerordentlich umfangreich und kost- spielig, und sein praktischer Wert müßte mit Recht angezweifelt werden. Zum Vermittler der Schwingungen zwischen dem elektrischen Strom und der Luft wählte der Erfinder das Telephon-Diaphragma. Durch diesen glücklichen Einfall ist es möglich geworden, von einer Zentralstelle aus nach allen den mit Drähten verbundenen Plätzen selbst auf große Entfernungen hin, die Klänge des Apparates zu versenden; und ge lungene Experimente haben erwiesen, daß auf diesem Wege weder von den Feinheiten noch von der Macht der Töne etwas eingebüßt wird. Der in Verbindung stehende Raum wird zauberhaft mit Klang er- füllt, einem wissenschaftlich vollkommenen, niemals versagenden Klang; unsichtbar, mühelos und unermüdlich. Dem Bericht, dem ich diese Nach- richten entnehme, sind authentische Photographien des Apparates bei- gegeben, welche jeden Zweifel über die Wirklichkeit dieser allerdings fast unglaublichen Schöpfung beseitigen. Der Apparat sieht aus wie ein Maschinenraum. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0045" n="45"/> in eine genau berechnete, unalterable Anzahl Schwingungen<lb/> zu verwandeln. Da die Tonhöhe von der Zahl der Schwin-<lb/> gungen abhängt und der Apparat auf jede gewünschte Zahl<lb/> zu „stellen“ ist, so ist durch diesen die unendliche Abstufung<lb/> der Oktave einfach das Werk eines Hebels, der mit dem<lb/> Zeiger eines Quadranten korrespondiert.</p><lb/> <p>Nur ein gewissenhaftes und langes Experimentieren, eine<lb/> fortgesetzte Erziehung des Ohres, werden dieses ungewohnte<lb/> Material einer heranwachsenden Generation und der Kunst<lb/> gefügig machen.</p><lb/> <p>Welch schöne Hoffnungen und traumhafte Vorstellun-<lb/> gen erwachen für sie! Wer hat nicht schon im Traume<lb/><note xml:id="baker2" prev="#baker1" place="foot" n="1"><p>Instrument von einer Klaviatur aus gehandhabt wird, bleibt ihm die<lb/> Fähigkeit bewahrt, der Eigenart eines Künstlers zu folgen.</p><lb/><p>Eine Reihe solcher Klaviaturen, von mehreren Spielern gespielt, kann<lb/> zu einem Orchester zusammengestellt werden.</p><lb/><p>Der Bau des Instrumentes ist außerordentlich umfangreich und kost-<lb/> spielig, und sein praktischer Wert müßte mit Recht angezweifelt werden.<lb/> Zum Vermittler der Schwingungen zwischen dem elektrischen Strom<lb/> und der Luft wählte der Erfinder das Telephon-Diaphragma. Durch<lb/> diesen glücklichen Einfall ist es möglich geworden, von einer Zentralstelle<lb/> aus nach allen den mit Drähten verbundenen Plätzen selbst auf große<lb/> Entfernungen hin, die Klänge des Apparates zu versenden; und ge<lb/> lungene Experimente haben erwiesen, daß auf diesem Wege weder von<lb/> den Feinheiten noch von der Macht der Töne etwas eingebüßt wird.<lb/> Der in Verbindung stehende Raum wird zauberhaft mit Klang er-<lb/> füllt, einem wissenschaftlich vollkommenen, niemals versagenden Klang;<lb/> unsichtbar, mühelos und unermüdlich. Dem Bericht, dem ich diese Nach-<lb/> richten entnehme, sind authentische Photographien des Apparates bei-<lb/> gegeben, welche jeden Zweifel über die Wirklichkeit dieser allerdings<lb/> fast unglaublichen Schöpfung beseitigen. Der Apparat sieht aus wie<lb/> ein Maschinenraum.</p><lb/></note> </p> </div> </body> </text> </TEI> [45/0045]
in eine genau berechnete, unalterable Anzahl Schwingungen
zu verwandeln. Da die Tonhöhe von der Zahl der Schwin-
gungen abhängt und der Apparat auf jede gewünschte Zahl
zu „stellen“ ist, so ist durch diesen die unendliche Abstufung
der Oktave einfach das Werk eines Hebels, der mit dem
Zeiger eines Quadranten korrespondiert.
Nur ein gewissenhaftes und langes Experimentieren, eine
fortgesetzte Erziehung des Ohres, werden dieses ungewohnte
Material einer heranwachsenden Generation und der Kunst
gefügig machen.
Welch schöne Hoffnungen und traumhafte Vorstellun-
gen erwachen für sie! Wer hat nicht schon im Traume
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1 Instrument von einer Klaviatur aus gehandhabt wird, bleibt ihm die
Fähigkeit bewahrt, der Eigenart eines Künstlers zu folgen.
Eine Reihe solcher Klaviaturen, von mehreren Spielern gespielt, kann
zu einem Orchester zusammengestellt werden.
Der Bau des Instrumentes ist außerordentlich umfangreich und kost-
spielig, und sein praktischer Wert müßte mit Recht angezweifelt werden.
Zum Vermittler der Schwingungen zwischen dem elektrischen Strom
und der Luft wählte der Erfinder das Telephon-Diaphragma. Durch
diesen glücklichen Einfall ist es möglich geworden, von einer Zentralstelle
aus nach allen den mit Drähten verbundenen Plätzen selbst auf große
Entfernungen hin, die Klänge des Apparates zu versenden; und ge
lungene Experimente haben erwiesen, daß auf diesem Wege weder von
den Feinheiten noch von der Macht der Töne etwas eingebüßt wird.
Der in Verbindung stehende Raum wird zauberhaft mit Klang er-
füllt, einem wissenschaftlich vollkommenen, niemals versagenden Klang;
unsichtbar, mühelos und unermüdlich. Dem Bericht, dem ich diese Nach-
richten entnehme, sind authentische Photographien des Apparates bei-
gegeben, welche jeden Zweifel über die Wirklichkeit dieser allerdings
fast unglaublichen Schöpfung beseitigen. Der Apparat sieht aus wie
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Zitationshilfe: | Busoni, Ferruccio: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. 2. Aufl. Leipzig, [1916], S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/busoni_entwurf_1916/45>, abgerufen am 26.07.2024. |