arten und Worten anzufüllen, die sie alsdenn unter dem Namen des Betens wieder hersa- gen müssen?
Auf diese Weise lernen gar sehr viele Men- schen in ihrem ganzen Leben den meisten Inn- halt dessen, was sie für gebetet ausgeben, nicht verstehen; denn da ihnen die Worte von ihrer zarten Jugend an geläufig, aber nie verständlich gewesen sind, so kommen sie in die unseelige Fertigkeit, niemals darüber nachzudenken, was sie beten, und wol gar im Alter noch diejenige Gebete herzusagen, die sie in der Jugend gelernet hatten, und de- ren Innhalt sich auch nur auf ihr damaliges Alter geschickt hatte. Diß ist eine ganz ge- wisse Sache, und nach der bisherigen Einrich- tung ist es nicht anders möglich, besonders bey gemeinen Landleuten, und thut gewiß auch grossen Schaden: ich will aber die schädliche Folgen für die christliche Religion und für die Uebung der wahren Gottseligkeit nicht anfüh- ren; das würde mich von meinem Wege zu weit ableiten.
Ich komme zu der Anzeige von dem Ge- brauch und Nutzen dieses Gebet- und Liederbuchs, und rede davon desto unpar- theiischer, weil ich die Gebete und Lieder nicht selbst gemacht, sondern nur nach gewissen Ab- sichten gesammelt habe. Indem ich diese Ab- sichten entwickle, die ich bey meiner Arbeit gehabt habe, werde ich zugleich erklären, zu
wel-
Zuſchrift an die
arten und Worten anzufuͤllen, die ſie alsdenn unter dem Namen des Betens wieder herſa- gen muͤſſen?
Auf dieſe Weiſe lernen gar ſehr viele Men- ſchen in ihrem ganzen Leben den meiſten Inn- halt deſſen, was ſie fuͤr gebetet ausgeben, nicht verſtehen; denn da ihnen die Worte von ihrer zarten Jugend an gelaͤufig, aber nie verſtaͤndlich geweſen ſind, ſo kommen ſie in die unſeelige Fertigkeit, niemals daruͤber nachzudenken, was ſie beten, und wol gar im Alter noch diejenige Gebete herzuſagen, die ſie in der Jugend gelernet hatten, und de- ren Innhalt ſich auch nur auf ihr damaliges Alter geſchickt hatte. Diß iſt eine ganz ge- wiſſe Sache, und nach der bisherigen Einrich- tung iſt es nicht anders moͤglich, beſonders bey gemeinen Landleuten, und thut gewiß auch groſſen Schaden: ich will aber die ſchaͤdliche Folgen fuͤr die chriſtliche Religion und fuͤr die Uebung der wahren Gottſeligkeit nicht anfuͤh- ren; das wuͤrde mich von meinem Wege zu weit ableiten.
Ich komme zu der Anzeige von dem Ge- brauch und Nutzen dieſes Gebet- und Liederbuchs, und rede davon deſto unpar- theiiſcher, weil ich die Gebete und Lieder nicht ſelbſt gemacht, ſondern nur nach gewiſſen Ab- ſichten geſammelt habe. Indem ich dieſe Ab- ſichten entwickle, die ich bey meiner Arbeit gehabt habe, werde ich zugleich erklaͤren, zu
wel-
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[X/0014]
Zuſchrift an die
arten und Worten anzufuͤllen, die ſie alsdenn
unter dem Namen des Betens wieder herſa-
gen muͤſſen?
Auf dieſe Weiſe lernen gar ſehr viele Men-
ſchen in ihrem ganzen Leben den meiſten Inn-
halt deſſen, was ſie fuͤr gebetet ausgeben,
nicht verſtehen; denn da ihnen die Worte
von ihrer zarten Jugend an gelaͤufig, aber
nie verſtaͤndlich geweſen ſind, ſo kommen ſie
in die unſeelige Fertigkeit, niemals daruͤber
nachzudenken, was ſie beten, und wol gar
im Alter noch diejenige Gebete herzuſagen,
die ſie in der Jugend gelernet hatten, und de-
ren Innhalt ſich auch nur auf ihr damaliges
Alter geſchickt hatte. Diß iſt eine ganz ge-
wiſſe Sache, und nach der bisherigen Einrich-
tung iſt es nicht anders moͤglich, beſonders bey
gemeinen Landleuten, und thut gewiß auch
groſſen Schaden: ich will aber die ſchaͤdliche
Folgen fuͤr die chriſtliche Religion und fuͤr die
Uebung der wahren Gottſeligkeit nicht anfuͤh-
ren; das wuͤrde mich von meinem Wege zu
weit ableiten.
Ich komme zu der Anzeige von dem Ge-
brauch und Nutzen dieſes Gebet- und
Liederbuchs, und rede davon deſto unpar-
theiiſcher, weil ich die Gebete und Lieder nicht
ſelbſt gemacht, ſondern nur nach gewiſſen Ab-
ſichten geſammelt habe. Indem ich dieſe Ab-
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
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Burk, Johann Albrecht: Gebet- und Lieder-Buch zum Privat-Gebrauch für Kinder und für junge Christen reiferen Alters. Tübingen, 1775, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burk_gebet_1775/14>, abgerufen am 03.07.2024.
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