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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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Brandwein bezahlen, und G. dann wirklich den ihm vor-
gesetzten Brandwein auf einen Zug ausgetrunken. Aber er
starb bald nachher an Alkoholvergiftung. Die Nichtigkeits-
beschwerde des wegen fahrlässiger Tödtung verurtheilten An-
geklagten wurde mit Recht von dem Obertribunal in Berlin
zurückgewiesen. Denn, wenn es selbstverständlich auch dem
G. freistand, eine Handlung zu unternehmen, von welcher er
sich bei einiger Aufmerksamkeit sagen mußte, daß sie mit
Gefahr für sein Leben verbunden sei, so erwuchs doch hieraus
nicht dem Angeklagten das Recht zu der gleichen Fahrlässig-
keit gegen dessen Leben. Nach dieser Ansicht, meint nun
v. B., müsse auch der Besitzer eines feurigen Reitpferdes bestraft
werden, wenn er nicht Veranstaltungen treffe, daß unberufene
Personen sich nicht einmal darauf setzen und so den Hals
brechen. Ebenso derjenige, welcher einen Andern zum Genusse
schwer verdaulicher Speisen und Getränke auffordere, für den
hierdurch herbeigeführten Tod u. s. w. Diese Einwendung
erscheint jedoch als unbegründet, weil hierbei das Wesen der
Fahrlässigkeit ganz unberücksichtigt gelassen wird. Sicherlich
haftet der Reitlehrer, welcher das feurige Pferd von seinem
ungeschickten Schüler besteigen läßt, sowie der Arzt, welcher
gestattet, daß seine Patienten schwer verdauliche Speisen
genießen, hätten sie auch selbst bei einiger Aufmerksamkeit
das Nachtheilige dieses Genusses erkennen müssen. Es ist
aber überhaupt auch in allen von B. angeführten Beispielen
Haftbarkeit für den Erfolg begründet, wenn nur wirklich eine
Fahrlässigkeit vorlag, d. h. es dem Handelnden voraussehbar
gewesen war, daß er durch seine Handlung mit einiger Wahr-
scheinlichkeit einen concreten strafrechtlichen Erfolg herbei-
führen werde, und ein Willenszusammenhang zwischen
Handlung und Erfolg bestand.

Endlich sucht v. B. (S. 27 flg.) noch auszuführen, daß

Brandwein bezahlen, und G. dann wirklich den ihm vor-
geſetzten Brandwein auf einen Zug ausgetrunken. Aber er
ſtarb bald nachher an Alkoholvergiftung. Die Nichtigkeits-
beſchwerde des wegen fahrläſſiger Tödtung verurtheilten An-
geklagten wurde mit Recht von dem Obertribunal in Berlin
zurückgewieſen. Denn, wenn es ſelbſtverſtändlich auch dem
G. freiſtand, eine Handlung zu unternehmen, von welcher er
ſich bei einiger Aufmerkſamkeit ſagen mußte, daß ſie mit
Gefahr für ſein Leben verbunden ſei, ſo erwuchs doch hieraus
nicht dem Angeklagten das Recht zu der gleichen Fahrläſſig-
keit gegen deſſen Leben. Nach dieſer Anſicht, meint nun
v. B., müſſe auch der Beſitzer eines feurigen Reitpferdes beſtraft
werden, wenn er nicht Veranſtaltungen treffe, daß unberufene
Perſonen ſich nicht einmal darauf ſetzen und ſo den Hals
brechen. Ebenſo derjenige, welcher einen Andern zum Genuſſe
ſchwer verdaulicher Speiſen und Getränke auffordere, für den
hierdurch herbeigeführten Tod u. ſ. w. Dieſe Einwendung
erſcheint jedoch als unbegründet, weil hierbei das Weſen der
Fahrläſſigkeit ganz unberückſichtigt gelaſſen wird. Sicherlich
haftet der Reitlehrer, welcher das feurige Pferd von ſeinem
ungeſchickten Schüler beſteigen läßt, ſowie der Arzt, welcher
geſtattet, daß ſeine Patienten ſchwer verdauliche Speiſen
genießen, hätten ſie auch ſelbſt bei einiger Aufmerkſamkeit
das Nachtheilige dieſes Genuſſes erkennen müſſen. Es iſt
aber überhaupt auch in allen von B. angeführten Beiſpielen
Haftbarkeit für den Erfolg begründet, wenn nur wirklich eine
Fahrläſſigkeit vorlag, d. h. es dem Handelnden vorausſehbar
geweſen war, daß er durch ſeine Handlung mit einiger Wahr-
ſcheinlichkeit einen concreten ſtrafrechtlichen Erfolg herbei-
führen werde, und ein Willenszuſammenhang zwiſchen
Handlung und Erfolg beſtand.

Endlich ſucht v. B. (S. 27 flg.) noch auszuführen, daß

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[74/0078] Brandwein bezahlen, und G. dann wirklich den ihm vor- geſetzten Brandwein auf einen Zug ausgetrunken. Aber er ſtarb bald nachher an Alkoholvergiftung. Die Nichtigkeits- beſchwerde des wegen fahrläſſiger Tödtung verurtheilten An- geklagten wurde mit Recht von dem Obertribunal in Berlin zurückgewieſen. Denn, wenn es ſelbſtverſtändlich auch dem G. freiſtand, eine Handlung zu unternehmen, von welcher er ſich bei einiger Aufmerkſamkeit ſagen mußte, daß ſie mit Gefahr für ſein Leben verbunden ſei, ſo erwuchs doch hieraus nicht dem Angeklagten das Recht zu der gleichen Fahrläſſig- keit gegen deſſen Leben. Nach dieſer Anſicht, meint nun v. B., müſſe auch der Beſitzer eines feurigen Reitpferdes beſtraft werden, wenn er nicht Veranſtaltungen treffe, daß unberufene Perſonen ſich nicht einmal darauf ſetzen und ſo den Hals brechen. Ebenſo derjenige, welcher einen Andern zum Genuſſe ſchwer verdaulicher Speiſen und Getränke auffordere, für den hierdurch herbeigeführten Tod u. ſ. w. Dieſe Einwendung erſcheint jedoch als unbegründet, weil hierbei das Weſen der Fahrläſſigkeit ganz unberückſichtigt gelaſſen wird. Sicherlich haftet der Reitlehrer, welcher das feurige Pferd von ſeinem ungeſchickten Schüler beſteigen läßt, ſowie der Arzt, welcher geſtattet, daß ſeine Patienten ſchwer verdauliche Speiſen genießen, hätten ſie auch ſelbſt bei einiger Aufmerkſamkeit das Nachtheilige dieſes Genuſſes erkennen müſſen. Es iſt aber überhaupt auch in allen von B. angeführten Beiſpielen Haftbarkeit für den Erfolg begründet, wenn nur wirklich eine Fahrläſſigkeit vorlag, d. h. es dem Handelnden vorausſehbar geweſen war, daß er durch ſeine Handlung mit einiger Wahr- ſcheinlichkeit einen concreten ſtrafrechtlichen Erfolg herbei- führen werde, und ein Willenszuſammenhang zwiſchen Handlung und Erfolg beſtand. Endlich ſucht v. B. (S. 27 flg.) noch auszuführen, daß

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/78>, abgerufen am 30.04.2024.