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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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umgekehrt. Allerdings können dolus und culpa durch eine
in diesen Willenszuständen unternommene Handlung in den
Causalzusammenhang übertragen werden, allein die Existenz
des Causalzusammenhangs selbst ist hierdurch in keiner Weise
bedingt. Es hat der zurechnungsfähige Wille mit dem
Causalzusammenhange weiter nichs zu schaffen, als daß von
ihm die Frage abhängt, ob ein Mensch für denselben rechtlich
in Anspruch genommen werden könne.

Dagegen behauptet nun von Bar*) (S. 4), diejenigen
Rechtslehrer seien im Unrecht, welche sich nicht an dem wahren
Satze begnügen ließen "was nicht Bedingung einer Erscheinung
ist, kann auch nicht Ursache der letzteren sein," sondern hieraus
den positiven Satz formulirten "Alles was Bedingung ist,
muß als Ursache gelten." Man müsse vielmehr scharf Be-
dingung von Ursache unterscheiden. Als Beispiel wird hier
gegeben: ein Stein im Wasser sinkt auf den Grund, und
(S. 8. 9) auseinandergesetzt, wer die Anziehungskraft verschie-
dener Körper untersuche, werde diese; wer die Wirkung der An-
ziehungskraft auf verschiedene Entfernungen untersuche, werde
den Umstand, daß der Stein sich in einer bestimmten Entfernung
von der Erde befunden habe; wer das specifische Gewicht des
Steins untersuche, dieses; wer endlich die Sache moralisch oder
juristisch untersuche, den Menschen als die Ursache betrachten.
Wenn die Naturgesetze untersucht würden, so sei alles menschliche
Thun Bedingung und nicht Ursache; wollten wir aber juristisch
oder moralisch urtheilen, so seien die Naturgesetze Bedingungen
und nicht Ursachen des menschlichen Handelns.

Gegen diese Ausführung ist zunächst zu bemerken, daß
man einen Causalzusammenhang -- also die Verkettung von
Thatsachen -- nicht juristisch oder moralisch untersuchen

*) S. von Bar, Prof. d. R., die Lehre vom Causalzusammenhange.
Leipzig, 1871.

umgekehrt. Allerdings können dolus und culpa durch eine
in dieſen Willenszuſtänden unternommene Handlung in den
Cauſalzuſammenhang übertragen werden, allein die Exiſtenz
des Cauſalzuſammenhangs ſelbſt iſt hierdurch in keiner Weiſe
bedingt. Es hat der zurechnungsfähige Wille mit dem
Cauſalzuſammenhange weiter nichs zu ſchaffen, als daß von
ihm die Frage abhängt, ob ein Menſch für denſelben rechtlich
in Anſpruch genommen werden könne.

Dagegen behauptet nun von Bar*) (S. 4), diejenigen
Rechtslehrer ſeien im Unrecht, welche ſich nicht an dem wahren
Satze begnügen ließen „was nicht Bedingung einer Erſcheinung
iſt, kann auch nicht Urſache der letzteren ſein,“ ſondern hieraus
den poſitiven Satz formulirten „Alles was Bedingung iſt,
muß als Urſache gelten.“ Man müſſe vielmehr ſcharf Be-
dingung von Urſache unterſcheiden. Als Beiſpiel wird hier
gegeben: ein Stein im Waſſer ſinkt auf den Grund, und
(S. 8. 9) auseinandergeſetzt, wer die Anziehungskraft verſchie-
dener Körper unterſuche, werde dieſe; wer die Wirkung der An-
ziehungskraft auf verſchiedene Entfernungen unterſuche, werde
den Umſtand, daß der Stein ſich in einer beſtimmten Entfernung
von der Erde befunden habe; wer das ſpecifiſche Gewicht des
Steins unterſuche, dieſes; wer endlich die Sache moraliſch oder
juriſtiſch unterſuche, den Menſchen als die Urſache betrachten.
Wenn die Naturgeſetze unterſucht würden, ſo ſei alles menſchliche
Thun Bedingung und nicht Urſache; wollten wir aber juriſtiſch
oder moraliſch urtheilen, ſo ſeien die Naturgeſetze Bedingungen
und nicht Urſachen des menſchlichen Handelns.

Gegen dieſe Ausführung iſt zunächſt zu bemerken, daß
man einen Cauſalzuſammenhang — alſo die Verkettung von
Thatſachen — nicht juriſtiſch oder moraliſch unterſuchen

*) S. von Bar, Prof. d. R., die Lehre vom Cauſalzuſammenhange.
Leipzig, 1871.
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[2/0006] umgekehrt. Allerdings können dolus und culpa durch eine in dieſen Willenszuſtänden unternommene Handlung in den Cauſalzuſammenhang übertragen werden, allein die Exiſtenz des Cauſalzuſammenhangs ſelbſt iſt hierdurch in keiner Weiſe bedingt. Es hat der zurechnungsfähige Wille mit dem Cauſalzuſammenhange weiter nichs zu ſchaffen, als daß von ihm die Frage abhängt, ob ein Menſch für denſelben rechtlich in Anſpruch genommen werden könne. Dagegen behauptet nun von Bar *) (S. 4), diejenigen Rechtslehrer ſeien im Unrecht, welche ſich nicht an dem wahren Satze begnügen ließen „was nicht Bedingung einer Erſcheinung iſt, kann auch nicht Urſache der letzteren ſein,“ ſondern hieraus den poſitiven Satz formulirten „Alles was Bedingung iſt, muß als Urſache gelten.“ Man müſſe vielmehr ſcharf Be- dingung von Urſache unterſcheiden. Als Beiſpiel wird hier gegeben: ein Stein im Waſſer ſinkt auf den Grund, und (S. 8. 9) auseinandergeſetzt, wer die Anziehungskraft verſchie- dener Körper unterſuche, werde dieſe; wer die Wirkung der An- ziehungskraft auf verſchiedene Entfernungen unterſuche, werde den Umſtand, daß der Stein ſich in einer beſtimmten Entfernung von der Erde befunden habe; wer das ſpecifiſche Gewicht des Steins unterſuche, dieſes; wer endlich die Sache moraliſch oder juriſtiſch unterſuche, den Menſchen als die Urſache betrachten. Wenn die Naturgeſetze unterſucht würden, ſo ſei alles menſchliche Thun Bedingung und nicht Urſache; wollten wir aber juriſtiſch oder moraliſch urtheilen, ſo ſeien die Naturgeſetze Bedingungen und nicht Urſachen des menſchlichen Handelns. Gegen dieſe Ausführung iſt zunächſt zu bemerken, daß man einen Cauſalzuſammenhang — alſo die Verkettung von Thatſachen — nicht juriſtiſch oder moraliſch unterſuchen *) S. von Bar, Prof. d. R., die Lehre vom Cauſalzuſammenhange. Leipzig, 1871.

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/6>, abgerufen am 29.03.2024.