einer Goldrolle bemächtigt habe, so wird dasselbe, wenn es namentlich auch das Mehr wieder zurückgestellt hat, einen Diebstahl über 10 Gulden nicht begangen haben. -- Jnsonder- heit würde die Ansicht Hälschners dahin führen, daß, wenn eine leichte Körperverletzung beabsichtigt, eine schwere aber gegen den Willen zugefügt worden war, diese schwere Ver- letzung als eine vorsätzliche aufgerechnet werden müßte, wie das freilich nach der Auffassung des deutschen Strafgesetzbuchs der Fall ist (m. Abh. über das Strafen-System Gerichtssaal 1871 S. 94 flg.). Die Fahrlässigkeit, oder auch der bloße Zufall, hätte hier das beabsichtigte Vergehen in ein Verbrechen verwandelt, obgleich doch fahrlässige strafbare Handlungen in dem Strafgesetzbuch nicht als Verbrechen aufgeführt werden, und der Unterschied zwischen Vergehen und Verbrechen in der Subjectivität des Thäters begründet sein sollte. -- Hälschner sagt, zwei gleiche Erfolge könnten einen Concur- renzfall bilden, es könne neben der vorsätzlichen durch einen Schlag zugefügten leichten Körperverletzung als mit ihr concurrirend die bei der Verübung der That zugleich aus Unvorsichtigkeit zugefügte schwere -- natürlich aber auch leichte -- Verwundung gestraft werden. Es werden also hier zwei Willensbestimmungen als vorhanden anerkannt. Angenommen daher, es sei aus der vereinigten Wirkung der fahrlässig leichten und vorsätzlich leichten Körperverletzung eine nicht vorausgesehene, aber voraussehbar gewesene, schwere Beschädigung der Gesundheit entstanden, so würde dieser schwere Erfolg aus dolosen und culposen Momenten bestehen, und er würde darum ganz weder als culpos noch als dolos herbeigeführt aufgerechnet werden können, vielmehr zum Zweck der Strafausmessung in seine einzelnen Theile zerlegt werden müssen. Aber es soll doch, wenn eine leichte Körperverletzung beabsichtigt war, und fahrlässiger Weise eine schwere Körper-
einer Goldrolle bemächtigt habe, ſo wird daſſelbe, wenn es namentlich auch das Mehr wieder zurückgeſtellt hat, einen Diebſtahl über 10 Gulden nicht begangen haben. — Jnſonder- heit würde die Anſicht Hälſchners dahin führen, daß, wenn eine leichte Körperverletzung beabſichtigt, eine ſchwere aber gegen den Willen zugefügt worden war, dieſe ſchwere Ver- letzung als eine vorſätzliche aufgerechnet werden müßte, wie das freilich nach der Auffaſſung des deutſchen Strafgeſetzbuchs der Fall iſt (m. Abh. über das Strafen-Syſtem Gerichtsſaal 1871 S. 94 flg.). Die Fahrläſſigkeit, oder auch der bloße Zufall, hätte hier das beabſichtigte Vergehen in ein Verbrechen verwandelt, obgleich doch fahrläſſige ſtrafbare Handlungen in dem Strafgeſetzbuch nicht als Verbrechen aufgeführt werden, und der Unterſchied zwiſchen Vergehen und Verbrechen in der Subjectivität des Thäters begründet ſein ſollte. — Hälſchner ſagt, zwei gleiche Erfolge könnten einen Concur- renzfall bilden, es könne neben der vorſätzlichen durch einen Schlag zugefügten leichten Körperverletzung als mit ihr concurrirend die bei der Verübung der That zugleich aus Unvorſichtigkeit zugefügte ſchwere — natürlich aber auch leichte — Verwundung geſtraft werden. Es werden alſo hier zwei Willensbeſtimmungen als vorhanden anerkannt. Angenommen daher, es ſei aus der vereinigten Wirkung der fahrläſſig leichten und vorſätzlich leichten Körperverletzung eine nicht vorausgeſehene, aber vorausſehbar geweſene, ſchwere Beſchädigung der Geſundheit entſtanden, ſo würde dieſer ſchwere Erfolg aus doloſen und culpoſen Momenten beſtehen, und er würde darum ganz weder als culpos noch als dolos herbeigeführt aufgerechnet werden können, vielmehr zum Zweck der Strafausmeſſung in ſeine einzelnen Theile zerlegt werden müſſen. Aber es ſoll doch, wenn eine leichte Körperverletzung beabſichtigt war, und fahrläſſiger Weiſe eine ſchwere Körper-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0050"n="46"/>
einer Goldrolle bemächtigt habe, ſo wird daſſelbe, wenn es<lb/>
namentlich auch das Mehr wieder zurückgeſtellt hat, einen<lb/>
Diebſtahl über 10 Gulden nicht begangen haben. — Jnſonder-<lb/>
heit würde die Anſicht Hälſchners dahin führen, daß, wenn<lb/>
eine leichte Körperverletzung beabſichtigt, eine ſchwere aber<lb/>
gegen den Willen zugefügt worden war, dieſe ſchwere Ver-<lb/>
letzung als eine vorſätzliche aufgerechnet werden müßte, wie<lb/>
das freilich nach der Auffaſſung des deutſchen Strafgeſetzbuchs<lb/>
der Fall iſt (m. Abh. über das Strafen-Syſtem Gerichtsſaal<lb/>
1871 S. 94 flg.). Die Fahrläſſigkeit, oder auch der bloße<lb/>
Zufall, hätte hier das beabſichtigte Vergehen in ein Verbrechen<lb/>
verwandelt, obgleich doch fahrläſſige ſtrafbare Handlungen in<lb/>
dem Strafgeſetzbuch nicht als Verbrechen aufgeführt werden,<lb/>
und der Unterſchied zwiſchen Vergehen und Verbrechen in<lb/>
der Subjectivität des Thäters begründet ſein ſollte. —<lb/>
Hälſchner ſagt, <hirendition="#g">zwei gleiche</hi> Erfolge könnten einen Concur-<lb/>
renzfall bilden, es könne <hirendition="#g">neben</hi> der vorſätzlichen durch einen<lb/>
Schlag zugefügten leichten Körperverletzung als mit ihr<lb/>
concurrirend die bei der Verübung der That zugleich aus<lb/>
Unvorſichtigkeit zugefügte ſchwere — natürlich aber auch<lb/>
leichte — Verwundung geſtraft werden. Es werden alſo<lb/>
hier zwei Willensbeſtimmungen als vorhanden anerkannt.<lb/>
Angenommen daher, es ſei aus der vereinigten Wirkung der<lb/>
fahrläſſig leichten und vorſätzlich leichten Körperverletzung<lb/>
eine nicht vorausgeſehene, aber vorausſehbar geweſene, ſchwere<lb/>
Beſchädigung der Geſundheit entſtanden, ſo würde dieſer<lb/>ſchwere Erfolg aus doloſen und culpoſen Momenten beſtehen,<lb/>
und er würde darum ganz weder als culpos noch als dolos<lb/>
herbeigeführt aufgerechnet werden können, vielmehr zum Zweck<lb/>
der Strafausmeſſung in ſeine einzelnen Theile zerlegt werden<lb/>
müſſen. Aber es ſoll doch, wenn eine leichte Körperverletzung<lb/>
beabſichtigt war, und fahrläſſiger Weiſe eine ſchwere Körper-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[46/0050]
einer Goldrolle bemächtigt habe, ſo wird daſſelbe, wenn es
namentlich auch das Mehr wieder zurückgeſtellt hat, einen
Diebſtahl über 10 Gulden nicht begangen haben. — Jnſonder-
heit würde die Anſicht Hälſchners dahin führen, daß, wenn
eine leichte Körperverletzung beabſichtigt, eine ſchwere aber
gegen den Willen zugefügt worden war, dieſe ſchwere Ver-
letzung als eine vorſätzliche aufgerechnet werden müßte, wie
das freilich nach der Auffaſſung des deutſchen Strafgeſetzbuchs
der Fall iſt (m. Abh. über das Strafen-Syſtem Gerichtsſaal
1871 S. 94 flg.). Die Fahrläſſigkeit, oder auch der bloße
Zufall, hätte hier das beabſichtigte Vergehen in ein Verbrechen
verwandelt, obgleich doch fahrläſſige ſtrafbare Handlungen in
dem Strafgeſetzbuch nicht als Verbrechen aufgeführt werden,
und der Unterſchied zwiſchen Vergehen und Verbrechen in
der Subjectivität des Thäters begründet ſein ſollte. —
Hälſchner ſagt, zwei gleiche Erfolge könnten einen Concur-
renzfall bilden, es könne neben der vorſätzlichen durch einen
Schlag zugefügten leichten Körperverletzung als mit ihr
concurrirend die bei der Verübung der That zugleich aus
Unvorſichtigkeit zugefügte ſchwere — natürlich aber auch
leichte — Verwundung geſtraft werden. Es werden alſo
hier zwei Willensbeſtimmungen als vorhanden anerkannt.
Angenommen daher, es ſei aus der vereinigten Wirkung der
fahrläſſig leichten und vorſätzlich leichten Körperverletzung
eine nicht vorausgeſehene, aber vorausſehbar geweſene, ſchwere
Beſchädigung der Geſundheit entſtanden, ſo würde dieſer
ſchwere Erfolg aus doloſen und culpoſen Momenten beſtehen,
und er würde darum ganz weder als culpos noch als dolos
herbeigeführt aufgerechnet werden können, vielmehr zum Zweck
der Strafausmeſſung in ſeine einzelnen Theile zerlegt werden
müſſen. Aber es ſoll doch, wenn eine leichte Körperverletzung
beabſichtigt war, und fahrläſſiger Weiſe eine ſchwere Körper-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/50>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.