Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

nachfolgen lassen will -- nicht erst die Ausführung der
Haupthandlung selbst urheberischen Willen. -- Weiter geht
2) hieraus hervor, daß die Qualität des Gehülfen durch ein
eigenes selbstständiges Jnteresse an dem Erfolge zum Wegfall
kommen kann. Dann nämlich, wenn dieses Jnteresse von
solcher Bedeutung ist, daß der Gehülfe nicht mehr den Willen
des Urhebers in Aussicht nimmt und vielmehr nur auf dessen
Wirksamkeit gleich derjenigen eines Unzurechnungsfähigen
oder des Naturcausalismus reflectirt. Das Nichtwollen
des Urhebers entspricht in diesem Falle seinem Willen durch-
aus nicht, und eben darum erscheint dann auch dieser Wille
nicht als ein dem Willen des Urhebers sich unterordnender.
Der Gehülfe will dann vielmehr, daß der Urheber wolle,
und wird hiermit selbst zum Urheber. -- Ein Widerstreit
der Erfordernisse sub 1 und 2 ist, da es sich hier lediglich
um den Willen handelt, nicht möglich (m. Abh. 1862).

An und für sich ist diese Begründung der Willens-
verschiedenheit zwischen Urhebern und Gehülfen, und somit
die Verschiedenheit beider überhaupt, noch nicht zu widerlegen
versucht worden. Man stützt sich stets nur darauf, daß das
Jnteresse kein Factor im Strafrecht sei. Das mag ja nun
im Allgemeinen richtig stehen, und der Gehülfe -- wie etwa
derjenige, welchem ein Lohn in Aussicht gestellt ist -- sogar
ein eigenes Jnteresse an der Herbeiführung des Erfolgs
besitzen, wenn nur nicht hierdurch das Sichunterordnen
seines Willens unter das Nichtwollen des Urhebers in
Wegfall kommt. Geschieht dies, so wird das Jnteresse durch
seinen Einfluß auf den Willen von rechtlicher Bedeutung.
-- Ueberdies sind die etwaigen Einwendungen gegen die
Theorie des Jnteresses durchgängig sehr dürftig. Geyer
z. B. sagt S. 383 nur, die Unterscheidung zwischen eigenem
und fremdem Jnteresse sei ganz ungenau, da mein Jnteresse

nachfolgen laſſen will — nicht erſt die Ausführung der
Haupthandlung ſelbſt urheberiſchen Willen. — Weiter geht
2) hieraus hervor, daß die Qualität des Gehülfen durch ein
eigenes ſelbſtſtändiges Jntereſſe an dem Erfolge zum Wegfall
kommen kann. Dann nämlich, wenn dieſes Jntereſſe von
ſolcher Bedeutung iſt, daß der Gehülfe nicht mehr den Willen
des Urhebers in Ausſicht nimmt und vielmehr nur auf deſſen
Wirkſamkeit gleich derjenigen eines Unzurechnungsfähigen
oder des Naturcauſalismus reflectirt. Das Nichtwollen
des Urhebers entſpricht in dieſem Falle ſeinem Willen durch-
aus nicht, und eben darum erſcheint dann auch dieſer Wille
nicht als ein dem Willen des Urhebers ſich unterordnender.
Der Gehülfe will dann vielmehr, daß der Urheber wolle,
und wird hiermit ſelbſt zum Urheber. — Ein Widerſtreit
der Erforderniſſe sub 1 und 2 iſt, da es ſich hier lediglich
um den Willen handelt, nicht möglich (m. Abh. 1862).

An und für ſich iſt dieſe Begründung der Willens-
verſchiedenheit zwiſchen Urhebern und Gehülfen, und ſomit
die Verſchiedenheit beider überhaupt, noch nicht zu widerlegen
verſucht worden. Man ſtützt ſich ſtets nur darauf, daß das
Jntereſſe kein Factor im Strafrecht ſei. Das mag ja nun
im Allgemeinen richtig ſtehen, und der Gehülfe — wie etwa
derjenige, welchem ein Lohn in Ausſicht geſtellt iſt — ſogar
ein eigenes Jntereſſe an der Herbeiführung des Erfolgs
beſitzen, wenn nur nicht hierdurch das Sichunterordnen
ſeines Willens unter das Nichtwollen des Urhebers in
Wegfall kommt. Geſchieht dies, ſo wird das Jntereſſe durch
ſeinen Einfluß auf den Willen von rechtlicher Bedeutung.
— Ueberdies ſind die etwaigen Einwendungen gegen die
Theorie des Jntereſſes durchgängig ſehr dürftig. Geyer
z. B. ſagt S. 383 nur, die Unterſcheidung zwiſchen eigenem
und fremdem Jntereſſe ſei ganz ungenau, da mein Jntereſſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="127"/>
nachfolgen la&#x017F;&#x017F;en will &#x2014; nicht er&#x017F;t die Ausführung der<lb/>
Haupthandlung &#x017F;elb&#x017F;t urheberi&#x017F;chen Willen. &#x2014; Weiter geht<lb/>
2) hieraus hervor, daß die Qualität des Gehülfen durch ein<lb/>
eigenes &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändiges Jntere&#x017F;&#x017F;e an dem Erfolge zum Wegfall<lb/>
kommen kann. Dann nämlich, wenn die&#x017F;es Jntere&#x017F;&#x017F;e von<lb/>
&#x017F;olcher Bedeutung i&#x017F;t, daß der Gehülfe nicht mehr den Willen<lb/>
des Urhebers in Aus&#x017F;icht nimmt und vielmehr nur auf de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Wirk&#x017F;amkeit gleich derjenigen eines Unzurechnungsfähigen<lb/>
oder des Naturcau&#x017F;alismus reflectirt. Das <hi rendition="#g">Nichtwollen</hi><lb/>
des Urhebers ent&#x017F;pricht in die&#x017F;em Falle &#x017F;einem Willen durch-<lb/>
aus nicht, und eben darum er&#x017F;cheint dann auch die&#x017F;er <hi rendition="#g">Wille</hi><lb/>
nicht als ein dem <hi rendition="#g">Willen</hi> des Urhebers &#x017F;ich unterordnender.<lb/>
Der Gehülfe <hi rendition="#g">will</hi> dann vielmehr, <hi rendition="#g">daß</hi> der Urheber wolle,<lb/>
und wird hiermit &#x017F;elb&#x017F;t zum Urheber. &#x2014; Ein Wider&#x017F;treit<lb/>
der Erforderni&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#aq">sub</hi> 1 und 2 i&#x017F;t, da es &#x017F;ich hier lediglich<lb/>
um den Willen handelt, nicht möglich (m. Abh. 1862).</p><lb/>
        <p>An und für &#x017F;ich i&#x017F;t die&#x017F;e Begründung der Willens-<lb/>
ver&#x017F;chiedenheit zwi&#x017F;chen Urhebern und Gehülfen, und &#x017F;omit<lb/>
die Ver&#x017F;chiedenheit beider überhaupt, noch nicht zu widerlegen<lb/>
ver&#x017F;ucht worden. Man &#x017F;tützt &#x017F;ich &#x017F;tets nur darauf, daß das<lb/>
Jntere&#x017F;&#x017F;e kein Factor im Strafrecht &#x017F;ei. Das mag ja nun<lb/>
im Allgemeinen richtig &#x017F;tehen, und der Gehülfe &#x2014; wie etwa<lb/>
derjenige, welchem ein Lohn in Aus&#x017F;icht ge&#x017F;tellt i&#x017F;t &#x2014; &#x017F;ogar<lb/>
ein eigenes Jntere&#x017F;&#x017F;e an der Herbeiführung des Erfolgs<lb/>
be&#x017F;itzen, wenn nur nicht hierdurch das Sichunterordnen<lb/>
&#x017F;eines Willens unter das Nichtwollen des Urhebers in<lb/>
Wegfall kommt. Ge&#x017F;chieht dies, &#x017F;o wird das Jntere&#x017F;&#x017F;e durch<lb/>
&#x017F;einen Einfluß auf den Willen von rechtlicher Bedeutung.<lb/>
&#x2014; Ueberdies &#x017F;ind die etwaigen Einwendungen gegen die<lb/>
Theorie des Jntere&#x017F;&#x017F;es durchgängig &#x017F;ehr dürftig. Geyer<lb/>
z. B. &#x017F;agt S. 383 nur, die Unter&#x017F;cheidung zwi&#x017F;chen eigenem<lb/>
und fremdem Jntere&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ei ganz ungenau, da mein Jntere&#x017F;&#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0131] nachfolgen laſſen will — nicht erſt die Ausführung der Haupthandlung ſelbſt urheberiſchen Willen. — Weiter geht 2) hieraus hervor, daß die Qualität des Gehülfen durch ein eigenes ſelbſtſtändiges Jntereſſe an dem Erfolge zum Wegfall kommen kann. Dann nämlich, wenn dieſes Jntereſſe von ſolcher Bedeutung iſt, daß der Gehülfe nicht mehr den Willen des Urhebers in Ausſicht nimmt und vielmehr nur auf deſſen Wirkſamkeit gleich derjenigen eines Unzurechnungsfähigen oder des Naturcauſalismus reflectirt. Das Nichtwollen des Urhebers entſpricht in dieſem Falle ſeinem Willen durch- aus nicht, und eben darum erſcheint dann auch dieſer Wille nicht als ein dem Willen des Urhebers ſich unterordnender. Der Gehülfe will dann vielmehr, daß der Urheber wolle, und wird hiermit ſelbſt zum Urheber. — Ein Widerſtreit der Erforderniſſe sub 1 und 2 iſt, da es ſich hier lediglich um den Willen handelt, nicht möglich (m. Abh. 1862). An und für ſich iſt dieſe Begründung der Willens- verſchiedenheit zwiſchen Urhebern und Gehülfen, und ſomit die Verſchiedenheit beider überhaupt, noch nicht zu widerlegen verſucht worden. Man ſtützt ſich ſtets nur darauf, daß das Jntereſſe kein Factor im Strafrecht ſei. Das mag ja nun im Allgemeinen richtig ſtehen, und der Gehülfe — wie etwa derjenige, welchem ein Lohn in Ausſicht geſtellt iſt — ſogar ein eigenes Jntereſſe an der Herbeiführung des Erfolgs beſitzen, wenn nur nicht hierdurch das Sichunterordnen ſeines Willens unter das Nichtwollen des Urhebers in Wegfall kommt. Geſchieht dies, ſo wird das Jntereſſe durch ſeinen Einfluß auf den Willen von rechtlicher Bedeutung. — Ueberdies ſind die etwaigen Einwendungen gegen die Theorie des Jntereſſes durchgängig ſehr dürftig. Geyer z. B. ſagt S. 383 nur, die Unterſcheidung zwiſchen eigenem und fremdem Jntereſſe ſei ganz ungenau, da mein Jntereſſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/131
Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/131>, abgerufen am 08.05.2024.